Küchenmöbler fürchten lange Durststrecke – und setzen öfter Kurzarbeit ein

Herford. Stefan Waldenmaier zeigte sich komplett begeistert von der "Location", dem Ort, an dem er das traditionelle Pressegespräch des von ihm geführten Küchenmöbelindustrieverbandes VdDK abhalten wollte. Der futuristische, mit viel Stahl und Holz in Herford äußerst großzügig gebaute neue Flagship-Store und Showroom des österreichischen Küchenzulieferers Bora sollte den passenden Rahmen abgeben für die Präsentation der Leistungsdaten der technisch ambitionierten und weltweit erfolgreichen deutschen Küchenbranche. "Die Architektur dieses Gebäudes steht symbolisch für den Anspruch unserer Produkte", erklärte Waldenmaier. Gut 300 Küchenmöbelhersteller, Zulieferer und Geräteproduzenten zeigen ihre Innovationen gerade bis zum 22. September auf der Fachmesse "Küchenmeile" in OWL. Doch der Verbandsvorsitzende, im Hauptberuf Chef des bayerischen Premiumküchenherstellers Leicht (Welle-Gruppe), hatte dann eine Problemlage zu erklären statt Erfolgsmeldungen zu verkünden. "Wir erleben eine schwierige Phase und müssen auch eine pessimistische Prognose abgeben", sagte Waldenmaier. Die Verbraucher seien äußerst zurückhaltend, und wenn im Laufe dieses Jahres die noch in den Vorjahren entstandenen hohen Auftragsbestände abgearbeitet seien, stehe eine Zeit schrumpfender Umsätze bevor. Die Durststrecke werde wohl mindestens anderthalb bis zwei Jahre andauern, fürchtet er – in Abhängigkeit auch von der politischen Reaktion auf die tiefe, von Inflation, gestiegenen Zinsen und hohen Bauauflagen verursachten Flaute im Wohnungsbau, der für die Küchenmöbler wichtig sei. Auf jeden "Erstkauf" einer Küche für eine neue Wohnung oder ein neues Haus kämen zwei bis drei Küchenkäufe für die Ausstattung frei werdender Immobilien – auf diesen Multiplikatoreffekt müsse die Branche nun zunehmend verzichten, beklagte der Verbandschef. "Stückzahlen unter Niveau des Vor-Coronajahres 2019" Die Bauwirtschaft springe von einem Tiefpunkt zum nächsten, im ersten Halbjahr 2023 sei die Zahl der Baugenehmigungen um 27 Prozent gesunken. Während die Bundesregierung pro Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen lassen möchte, seien 2024 vielleicht nur 210.000 neue Baugenehmigungen zu erwarten, warnte Waldenmaier. Die Folge der Talfahrt: Von Januar bis August 2023 sei der Auftragseingang bei den Küchenherstellern im Vorjahresvergleich um 11,5 Prozent gesunken. Bezogen auf den Wert ergebe sich trotz der inflationsbedingt erfolgten Preiserhöhungen ein Minus von 2,6 Prozent. Jan Kurth, Hauptgeschäftsführer des Möbelindustrieverbandes VDM und Geschäftsführer des Küchenverbandes VdDK, hatte für die ersten sieben Monate allerdings eine Steigerung des Küchenmöbel-Umsatzes um 5,2 Prozent auf 3,8 Milliarden zu vermelden. Doch dies sei auf Preiseffekte (also Preiserhöhungen), alte Auftragsüberhänge und statistische Effekte zurückzuführen. Bei den produzierten Stückzahlen bewege sich die Branche derzeit nicht nur unter dem Vorjahresniveau, sondern bereits unter dem Niveau des Vor-Coronajahres 2019. Und im Juli 2023 sei nun auch der Umsatz um sieben Prozent unter Vorjahresniveau gewesen. Das Umsatzminus werde im Gesamtjahr 2023 rund drei Prozent betragen. Und selbst wenn die Baukonjunktur wieder anspringe, helfe dies den Möbelherstellern zunächst nicht – sondern erst mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren, weil die Möbel erst am Ende ins Haus gestellt werden. Wegen der schwachen Nachfrage setze ein Fünftel der Küchenmöbelhersteller bereits das Instrument der Kurzarbeit ein – und ein Drittel der befragten Unternehmen erwarte für das Gesamtjahr 2023 eine sinkende Beschäftigtenzahl im Betrieb. Bisher versuchten die Firmen aber noch, ihre (aktuell 18.500) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu halten. "Bedeutung der Branche größer als Autoindustrie" Negativ für die Branche mit einer Exportquote von gut 45 Prozent sei, dass auch wichtige Auslandsmärkte schwächelten – so seien die Geschäfte in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und selbst in Großbritannien und China mengenmäßig ebenfalls rückläufig. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Gesamtbranche, zu der Waldenmaier von den Bauunternehmen bis zu den Küchenzulieferern eine sehr breite Palette an Firmen zählt, müsse der Politik bewusster werden. Mit mehr als einer Million Beschäftigten sei die Bedeutung nach seiner Überzeugung größer als die der Autoindustrie, die von der Politik mit Milliardensubventionen etwa für die Entwicklung von Innovationen befeuert werde. Alle Infos zur Küchenmeile in der großen Übersicht gibt es hier.

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