Wenn die private Krankenversicherung zur Belastung wird

Bielefeld. Wem die Auto-Haftpflichtversicherung zu teuer geworden ist, der kann bei der Konkurrenz nach einem billigeren Angebot suchen. Ähnlich ist es bei steigenden Telefontarifen oder Strompreisen: Anbieterwechsel können oft für finanzielle Entlastung sorgen. Doch bei der privaten Krankenversicherung ist manches anders. Auch da flattern vielen Versicherten schmerzhafte Beitragserhöhungen ins Haus - ein Wechsel der Versicherungsgesellschaft kommt aber oft nicht in Frage. Die private Krankenversicherung (PKV) kann vor allem für Ältere zur Falle werden, wenn sie nicht rechtzeitig vorsorgen. Von den Mitgliedern der 42 privaten Krankenversicherungsgesellschaften kennt man erschrockenen Berichte über Tariferhöhungen, die nicht selten prozentual zweistellig ausfallen, gelegentlich 20 oder 30 Prozent betragen können. Oft allerdings erfolgen massive Steigerungen erst nach mehreren Jahren der Beitragsstabilität, sodass eine mehrjährige Betrachtung sinnvoll wäre. In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) klettern die Tarife durch regelmäßige Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenzen plus Steigerung der Zusatzbeiträge gleichmäßiger und nur scheinbar moderater. Der Bielefelder Versicherungsmakler Tim Bökemeier geht davon aus, dass die PKV-Beiträge im Durchschnitt der Jahre seit 2013 um 2,8 Prozent gestiegen sind - die GKV-Beiträge aber sogar um 3,4 Prozent. Gründe der Entwicklung Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf, kennt die Klagen über die Tariferhöhungen. "Ja, die steigenden Kosten für Klinikbehandlungen und moderne Geräte schlagen stark durch - der Fortschritt kostet Geld, und die Menschen werden älter", bringt sie die Entwicklung auf den Punkt. "Viele schwere Krankheiten können heute durch Hightech-Verfahren, neue Therapien und Medikamente geheilt werden", sagt auch Alexandra Kusitzky von der Allianz Krankenversicherung. Erhöhte Ausgaben für eine verbesserte Versorgung seien ein Hauptgrund für die Beitragssteigerungen. Und Weidenbach warnt: "Spätestens Ende 2023 werden die Erhöhungen noch drastischer ausfallen - wegen der aktuellen Inflation." Große Unterschiede ergeben sich durch die unterschiedliche Struktur von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen: Während bei den gesetzlichen Kassen, in denen fast 90 Prozent der Bundesbürger Mitglieder sind, im Prinzip alle Versicherten in einem "Topf" eine Solidargemeinschaft bilden, formen die privaten Versicherungen Kohorten nach dem Geburtsjahr der Mitglieder, ihrem Gesundheitszustand, der Lebenserwartung und den gewählten Tarifleistungen. Beitragserhöhungen altersbedingt Beitragserhöhungen ergeben sich in der PKV also im Lauf der Zeit durch steigendes Alter. Doch ein Wechsel in die GKV ist für alle, die älter als 55 Jahre sind, heute kaum noch möglich. Elke Weidenbach erklärt: "Früher haben viele junge Leute sich privat versichert und von günstigen Tarifen profitiert, um dann kurz vor der Rente in die Gesetzliche zu wechseln." Doch diese Art des Rosinenpickens sei nicht mehr erwünscht. Auch ein Wechsel von einer privaten zur anderen privaten Versicherung ist vor allem für Ältere kaum möglich, obwohl Beitragserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht eröffnen: "Ein Grund ist, dass nur ein Teil der Altersrückstellungen mitgenommen werden kann", erklärt der Bad Oeynhausener Versicherungsmakler Javier Garcia. Erst 2009 sei die Möglichkeit geschaffen worden, Altersrückstellungen zu einer anderen Gesellschaft zu übertragen, berechnet auf Grundlage des Basistarifs. Bei zuvor abgeschlossenen Verträgen kann nichts mitgenommen werden - vor allem ältere Versicherte müssten bei einem Versicherungswechsel also oft herbe Einbußen hinnehmen. Eine zweite Hürde für den Wechsel der Versicherungsgesellschaft sind die Gesundheitsprüfungen bei der Aufnahme: Psychische Krankheiten, Krebserkrankungen oder chronische Krankheiten wie Diabetes gelten als potenzielle Barrieren für eine Neuaufnahme, andere gesundheitliche Probleme wie Autoimmunerkrankungen können zu hohen Risikoaufschlägen führen, sagt Bökemeier. Mögliche Lösungen In vielen Fällen bleibt privat Versicherten, die stark steigenden Beiträgen entkommen wollen, nur der Wechsel in einen anderen Tarif der gleichen Versicherung. Man kann vom Porsche auf den Golf umsteigen, sagt es Tim Bökemeier bildlich: Also reduzierte Leistungen hinnehmen, ohne Chefarztbehandlung zum Beispiel. Erhältlich seien auch Standard- oder Basistarife, die bei deutlich verringerten Beiträgen Leistungen analog zum Leistungskatalog der GKV bieten. Einen Weg zur Senkung der Beiträge eröffnen auch Selbstbehalte: Wer bereit ist, einen Sockelbetrag selbst zu tragen, erhält günstigere Konditionen. Ein Nachteil aber: Der Arbeitgeber beteiligt sich nicht am Selbstbehalt. Es lohnt sich also, spitz zu rechnen. Versicherungsmakler Bökemeier rät, die Altersvorsorge auch in jüngeren Jahren nicht zu vernachlässigen. Und Verbraucherschützerin Weidenbach empfiehlt, sich den Wechsel von einer gesetzlichen zu einer privaten Krankenversicherung grundsätzlich gut zu überlegen. Unter Umständen sei es sinnvoll, auch bei Einkommen oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze in der Gesetzlichen zu bleiben und eine verbesserte Absicherung durch den Abschluss von Zusatzversicherungen zu suchen - für Zahnersatz zum Beispiel oder für Klinikbehandlungen.

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