Marktkauf hat als Marke überlebt

Bielefeld. Als die Bielefelder AVA AG im Februar 2003 ausgerechnet in Moskau eine riesige Filiale der sonst nur in Deutschland aktiven Warenhaus-Kette &bdquo;Marktkauf" eröffnete, da rieben sich viele Einzelhandels-Kenner die Augen. Zwar hatte die &bdquo;Allgemeine Handelsgesellschaft der Verbraucher" (AVA) ihren Konzern-Umsatz auf rund 5,5 Milliarden Euro hochgeschraubt, das Unternehmen zählte 30.000 Mitarbeiter. Kein Zwerg also. Aber was wollten die im Ausland kaum erfahrenen Ostwestfalen in Russland? Das russische Abenteuer und die Träume von Expansion sollten schon nach drei Jahren enden. Trotz hoher Renditen. Die Edeka-Zentrale in Hamburg, die ihre Beteiligung an der AVA innerhalb weniger Jahre von knapp 55 auf 100 Prozent aufgestockt hatte, zog 2006 den Stecker und verkaufte den russischen Standort. Die AVA, der bis dahin größte börsennotierte Konzern in OWL, verschwand im gleichen Jahr vom Börsenparkett. Die Übernahme durch Edeka war vollzogen. Die Bielefelder Einzelhandelskette wurde zerlegt Insider erzählen, die AVA-Führung habe den Konzern selbst in die Abhängigkeit von Edeka manövriert. Und teure Fehler gemacht, etwa bei der Übernahme der süddeutschen Nanz-Kette in den 90er Jahren. Später, als der Anfang 2021 verstorbene Kurt Lindemann (bis 2002) und dann Helmut Metje (bis 2006) im Chefsessel saßen, hatten die Bielefelder im Machtkampf gegen den umstrittenen Edekaner Alfons Frenk keine Chance mehr. Das Bielefelder Unternehmen wurde zerlegt: Die in die roten Zahlen gerutschte Baumarkt-Sparte mit mehr als 130 Standorten kaufte Rewe für seine Toom-Kette. Die Optikerkette Krane mit gut 90 Filialen übernahm der größere Konkurrent Apollo (drei Optik-Geschäfte baute Sebastian Krane später wieder im Raum Rheda-Wiedenbrück auf). Nur die Marke Marktkauf überlebte als Vertriebsschiene von Edeka. Und sie genießt weiterhin hohes Ansehen (siehe Info-Box). Eine einheitliche Strategie gibt es nicht mehr In diesem Jahr feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen – der erste Marktkauf war 1971 im Osnabrücker Vorort Nahme gegründet worden. Als erstes Haus in OWL gilt der bis heute florierende Marktkauf im Bielefelder Stadtteil Gadderbaum. Die Marktkauf-Kette mit ihren bundesweit damals gut 180 Standorten war nach der Übernahme auf die sieben mächtigen Edeka-Regionalgesellschaften aufgeteilt worden: Die in Minden ansässige Edeka Minden-Hannover übernahm allein 51 Filialen. Die im Süden von OWL aktive Regionalgesellschaft Edeka Rhein-Ruhr bekam 38 Marktkauf-Häuser. Im Jahr 2016 gab es bundesweit noch insgesamt 137 Marktkauf-Standorte zwischen Augsburg und Cuxhaven. Zahlreiche andere Filialen wurden umgeflaggt – zum Beispiel zu E-Centern. Eine gemeinsame Telefonnummer hat die auf Großflächen ausgerichtete Handelskette allerdings nicht mehr, aus der Marktkauf-Holding wurde die Immobilienfirma CEV. Und auch eine einheitliche übergreifende Strategie ist nicht zu erkennen. Die Edeka-Regionalgesellschaften gehen mit der Marke eigenverantwortlich und unterschiedlich um. Edeka Rhein-Ruhr betreibt 21 Marktkauf-Häuser selbst Bei Edeka Rhein-Ruhr in Moers zum Beispiel kümmert sich die &bdquo;Marktkauf Einzelhandelsgesellschaft Rhein-Ruhr mbH" um Auftritt, Strategie und Weiterentwicklung der Marktkauf-Warenhäuser. Die auch im südlichen Teil von OWL (bis Bielefeld) aktiven Rheinländer haben zwölf Marktkauf-Häuser privatisiert, sie werden seither – wie viele Edeka-Filialen – von selbstständigen Kaufleuten geführt. 21 Marktkauf-Filialen werden hingegen von der Regionalgesellschaft direkt betrieben: Zusammen sind es 33 Märkte mit großen Verkaufsflächen von bis zu 12.000 Quadratmetern, wie Sprecherin Kerstin Holla mitteilt. Der Gesamtumsatz habe im Coronajahr 2020 mit 959 Millionen Euro fast die Milliardengrenze erreicht. Edeka Minden hat Zahl der Marktkauf-Filialen reduziert &bdquo;Marktkauf hat es sich zum Ziel gesetzt, eigene Lebenswelten für die Verbraucher zu schaffen", heißt es aus Moers. Neben einem breiten Sortiment an Non-Food-Artikeln von Schreibwaren bis zu Sportartikeln oder Elektrogeräten liege ein besonderer Fokus auf dem Frischebereich für Lebensmittel mit speziellen Theken für Fleisch, Wurst, Käse und Fisch. Geschultes Beratungspersonal stehe den Kunden hier zur Verfügung. In Verkaufsgebiet von Edeka Minden-Hannover ist die Zahl der Marktkauf-Filialen von einst 51 auf heute 27 gesunken – alle Standorte mit Flächen zwischen 4.500 und 7.000 Quadratmetern werden von der Regionalgesellschaft als &bdquo;Regie-Märkte" direkt geführt, so eine Sprecherin. &bdquo;Marktkauf ist das Erlebnis-SB-Warenhaus der Edeka Minden-Hannover" heißt es. Im Schnitt würden 70.000 verschiedene Artikel angeboten. Drei Standorte vom Konkurrenten Real übernommen Corona war demnach nicht schädlich für das Großflächenkonzept: &bdquo;Durch die Corona-Pandemie hat sich bei den Verbrauchern der Trend hin zum One-Stop-Shopping verfestigt", sagen die Mindener. Das Konzept von Marktkauf komme diesem Trend entgegen: &bdquo;Der Verbraucher kann hier seinen gesamten Einkauf auf einmal erledigen." Und: Es scheint nicht ausgemacht, dass die Zahl der Marktkauf-Filialen immer weiter schrumpft. Im laufenden Jahr hat Edeka Minden-Hannover in Teltow und Bremen bereits drei Marktkauf-Häuser neu eröffnet. Es sind drei von Edeka übernommene frühere Standorte der Kette &bdquo;Real". Die wird derzeit ähnlich filetiert wie einst der AVA-Konzern.

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