Börsengang wäre ein Weg für Lösung des Machtkampfes bei Tönnies

Rheda-Wiedenbrück. Als Clemens Tönnies im November 2012 öffentlich über die Möglichkeit sprach, den Schlachtkonzern an den Aktienmarkt zu bringen, wurden seine Überlegungen vor allem in Fachkreisen beachtet. &bdquo;Ich bin bereit, im Sinne des Friedens über einen Börsengang nachzudenken", sagte er damals im Sender Phoenix. Noch sei das Unternehmen für die Börse zwar nicht reif, aber &bdquo;in spätestens zehn Jahren muss es soweit sein", so Tönnies. Heute – mehr als acht Jahre später – könnte der Börsengang tatsächlich ein denkbares Szenario für das Rheda-Wiedenbrücker Fleischimperium sein. Gut ein Jahr vor dem Interview war der bis heute anhaltende Familienstreit um die Macht im größten deutschen Schlachtkonzern ausgebrochen: Die Fehde ist geprägt von ungezählten gegenseitigen Vorwürfen und ebenso vielen privaten und juristischen Auseinandersetzungen zwischen zwei Familienstämmen. "Ich würde Dir raten, Deinen Platz zu räumen" Auf der einen Seite der mit 50 Prozent am Unternehmen beteiligte Robert Tönnies, der Sohn des 1994 gestorbenen Firmengründers Bernd Tönnies. Auf der anderen Seite Bernds jüngerer Bruder Clemens, der heute rund 45 Prozent der Anteile hält, sowie seit 2017 auch sein mit etwa fünf Prozent beteiligter Sohn Maximilian. Nach dem schweren Corona-Ausbruch im Sommer 2020 im Schlachthof am Firmen-Stammsitz eskalierte der Streit erneut. Robert Tönnies forderte seinen Onkel zum Rücktritt auf. &bdquo;Clemens, Dir selbst würde ich raten, Deinen Platz für Max zu räumen", schrieb Robert in einem Brief. &bdquo;Nur mit neuen Gesichtern können wir glaubwürdig in die Zukunft gehen." Seit 2019 fordert Robert Tönnies ein Verkaufsverfahren Schon 2019 hatte Robert Tönnies den Verkauf des ganzen Konzerns gefordert. Die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Rellermeyer Partner erhob in seinem Auftrag dafür eine Schiedsklage bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Bonn. Ein schweres Zerwürfnis mit seinem Onkel nannte der Kläger als Begründung – nicht zuletzt habe Clemens Tönnies wiederholt massiv gegen den im April 2017 geschlossenen &bdquo;Friedensvertrag" verstoßen. Und er stellte fest, dass sich wohl &bdquo;kein neutraler Kenner der Verhältnisse" finden lasse, &bdquo;der zur Abwendung schwerer Schäden von der Tönnies-Gruppe die Notwendigkeit einer Trennung der zerrütteten Gesellschafterstämme in Zweifel zieht". Sprich: Die Trennung sei im Sinne des Konzerns unumgänglich. Neben den Konkurrenten könnten Investmentfirmen mitbieten Als die US-Wirtschaftsagentur Bloomberg vergangene Woche meldete, dass die Eigentümer der Tönnies-Holding einen Verkaufsprozess für das 50 Jahre alte Unternehmen vorbereiten wollten, ahnten die Beobachter, dass nun der erste Schritt für die Trennung der Gesellschafter getan wird. Zwar mochte sich keine Seite konkret äußern. Auch zum Stand der Schiedsklage gibt es kein offizielles Statement. Aber schon im Einigungsvertrag waren 2017 die Regeln für einen &bdquo;Exit" festgelegt worden, falls der Streit nicht aufhört. Bloomberg meldete, das Unternehmen könnte bis zu vier Milliarden Euro wert sein, als Bieter kämen Branchenriesen wie Tyson Foods (USA), JBS (Brasilien) und die WH Group (China) infrage. Neben den Konkurrenten könnten aber auch Investmentfirmen in einem Bieterverfahren auftreten – das höchste Gebot soll den Zuschlag erhalten. Und vielleicht soll zunächst auch nur der Marktwert des Konzerns ermittelt werden? Juristische Fehde könnte in Milliarden-Poker münden Vor allem aber sieht der Einigungsvertrag vor, dass beide Stämme der Familie Tönnies mitbieten dürfen, um so die alleinige Kontrolle über den Konzern zu erlangen. Um einen Kaufpreis in Milliardenhöhe zu finanzieren, könnten Clemens oder Robert Tönnies sich Partner suchen, die mit einer Minderheitsbeteiligung zufrieden wären. Ein Investor könnte mit der Aussicht auf einen lukrativen Börsengang gelockt werden – die Mehrheit könnte dabei in Händen der Familie bleiben. Diese Lösung entspräche den Aussagen beider Seiten. &bdquo;Mein Sohn Maximilian und ich werden das Unternehmen nicht verkaufen", hatte Clemens Tönnies 2019 erklärt. Und jetzt teilte er der Belegschaft mit, &bdquo;der Erfolg der vergangenen Jahrzehnte lässt uns nicht müde werden, weiterzumachen und in die nächste Generation zu starten". Keine Resignation, trotz massiver Vorwürfe nach dem Corona-Ausbruch, der Debatte über die Arbeitsbedingungen, harter Kritik von Tierschützern und üblen Drohungen. Doch auch Robert Tönnies betonte wiederholt, er wolle das Erbe seines Vater weiterführen. Die juristische Fehde könnte nun also in einen Milliarden-Poker münden.

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