Landwirtschaft in der Krise: Mit einer Fleischsteuer die Tierhaltung umbauen

Berlin/Gütersloh. Landwirte in Deutschland haben bereits viele existenzbedrohende Krisen überwunden, doch im Gespräch mit Bauern zeigt sich aktuell eine nie dagewesene Sorge um die Zukunft ihrer Höfe und Familien. Seit Monaten protestieren sie deshalb gegen Planungsunsicherheit durch neue politische Beschlüsse und weiter sinkende Preise für tierische Produkte in Supermärkten. Der Protest zeigte vor wenigen Wochen erste Erfolge: Discounter Lidl erhöhte die Preise für Schweinefleisch. Doch damit ist schon wieder Schluss, die Verbraucher zogen nicht mit und das Fleisch blieb liegen, weil die anderen Handelsriesen Edeka, Aldi und Rewe die Preise nicht erhöhten. Doch wie kann es nun weitergehen? Carolin Wagemann aus Borgholzhausen und Christoph Sandhäger aus Rheda-Wiedenbrück sind bereit für ihre Zukunft in der Landwirtschaft. Nach dem Abschluss ihrer landwirtschaftlichen Ausbildungen wollen sie die elterlichen Betriebe im Kreis Gütersloh zukunftssicher umbauen. &bdquo;Doch wer garantiert mir, dass sich ein neuer Stall als Investition auch lohnt und nicht in wenigen Jahren schon wieder überholt ist, weil wieder neue Vorschriften gelten?", fragt die 22-jährige Landwirtin Wagemann beim Gütersloher Kreisverbandstag des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Aldi, Edeka, Rewe und Lidl/Kaufland halten die Preise niedrig Die Unsicherheit ist groß, denn seit Jahren sinken die Erlöse in Milchviehbetrieben wie dem von Familie Wagemann in Borgholzhausen. &bdquo;Das macht eine Finanzierung fast unmöglich." Das bestätigt auch der 24-Jährige Sauernhalter Sandhäger: &bdquo;Ich würde gerne einen neuen Stall bauen, doch das geben die aktuellen Erlöse einfach nicht her." Die Folge dieser Entwicklung lässt sich seit Jahren in Deutschland beobachten: Immer mehr Familie geben ihre Höfe auf. Für WLV-Präsident Hubertus Beringmeier steht deshalb fest: &bdquo;Wenn mit Landwirtschaft kein Geld verdient werden kann, dann können wir unsere nachfolgenden Generationen nicht auf den Höfen halten." Doch die Wünsche der Landwirte nach mehr Planungssicherheit und einer angemessenen Bezahlung stehen zwei konträre Entwicklungen gegenüber. In Folge der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Tierwohl und Umweltschutz erhöht die Politik den Druck auf die Landwirtschaft mit Auflagen, wie zuletzt mit dem Insektenschutzgesetz. Zudem wächst die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels. Die vier großen Unternehmensgruppen halten die Preise niedrig. Und selbst wenn sie erhöhen, wie zuletzt Lidl, ziehen die Verbraucher nicht mit. &bdquo;Immer mehr Bauern bangen um ihre Existenz" &bdquo;Obwohl Landwirte aufgrund steigender Auflagen mehr Geld in die Erzeugung tierischer Produkte investieren müssen, steigen die Preise im Supermarkt nicht", moniert Beringmeier. &bdquo;Die Folge: Immer mehr Bauern bangen um ihre Existenz." Einen Weg aus dieser Krise sehen Beringmeier und andere Landwirte in dem langfristigen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. Sie unterstützen die Vorschläge des sogenannten Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert. Vorgesehen sind eine Verbrauchersteuer auf tierische Produkte und eine Innovationsförderung. &bdquo;Mehr Tierwohl kostet mehr Geld. Doch trotz Kritik an der Tierhaltung ändern nur wenige Verbraucher ihr Einkaufsverhalten. Wenn also die Gesellschaft mehr Tierwohl fordert, aber nicht dafür bezahlt, kann daraus nur ein Schluss gezogen werden: Das öffentliche Erzeugnis Tierwohl mit muss mit öffentlichem Geld fördern", erklärt Borchert. Das Netzwerk schlägt beispielsweise 40 pro Kilogramm Fleisch, 15 Cent pro Kilogramm Käse und Butter und zwei Cent pro Kilogramm Milch und Eier vor. &bdquo;Insgesamt würde das den Durchschnittsverbraucher beim Einkauf um 70 Cent pro Woche mehr belasten." Für Planungssicherheit fordert das Netzwerk eine Investitionsförderung Die Alternative wäre eine Verschärfung des Ordnungsrechts. &bdquo;Doch die führt in Deutschland als Teil des europäischen Binnenmarkts auch nicht zu mehr Tierwohl, wenn zwar in Deutschland die Anforderungen steigen, aber in keinem anderen Land. Dann wandert die Erzeugung tierischer Produkte ins Ausland ab", warnt Borchert. Neben der Verbrauchersteuer fordert das Netzwerk als zweites Instrument für den Umbau der Nutztierhaltung bis 2040 eine Investitionsförderung. &bdquo;Ohne die haben Landwirte weiter keine Planungssicherheit." Der Bundestag hat bereits für die Umsetzung der Empfehlung der Borchert-Kommission gestimmt und auch die Bundesländer stehen dahinter. Doch noch stehen Ergebnisse von Machbarkeitsstudien aus. &bdquo;Wenn die Gesellschaft Aufgaben an die Bauern stellt, dann muss die Gesellschaft auch dafür aufkommen", sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). NRW-Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) drängt auf den Beginn der Umsetzung vor der Bundestagswahl. &bdquo;Sonst droht uns die Gefahr, dass wir wieder von vorne anfangen müssen, obwohl die Borchert-Kommission bereits machbare Wege für die Nutztierhaltung der Zukunft entwickelt hat."

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