Böller-Verkaufsverbot: Drohen jetzt sogar mehr Verletzungen?

Bielefeld. Pyrotechnik darf dieses Jahr während des harten Lockdowns bundesweit nicht verkauft werden. Auf dieses Verbot haben sich Bund und Länder jüngst verständigt. Die Bundesregierung rät zudem dringend davon ab, Feuerwerk zu zünden. Idee ist, Krankenhäuser nicht noch stärker zu überlasten. Dunkel bleibt der Nachthimmel zum Jahreswechsel voraussichtlich trotzdem nicht. Denn verboten bleibt das Böllern grundsätzlich nicht und wird dadurch zur Grauzone. Das Geschäft mit Pyrotechnik aus dem Ausland floriert. Auch Knaller aus dem Vorjahr stehen hoch im Kurs. Volker Heetmann, staatlich geprüfter Pyrotechniker aus Bielefeld, kann das Verkaufsverbot nur bedingt nachvollziehen. Sein Eindruck: "Die Leute wollen feiern und besorgen sich das Zeug illegal." Für seine Branche, die das gesamte Jahr über keine Einnahmen generieren konnte, sei die Entscheidung deshalb "ein Faustschlag ins Gesicht". Kritik kommt auch von Medizinern. Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) und der Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) geht ebenfalls davon aus, dass nicht alle Menschen auf das Böllern verzichten werden und warnt vor einer erhöhten Verletzungsgefahr durch nicht-zertifizierte Pyrotechnik. Die Ärzte weisen drauf hin, dass es bei Unfällen mit selbst gebauten oder nicht-zertifizierten Sprengkörpern zu noch schwereren Verletzungen kommen kann. "Auch veraltete Sprengkörper aus den Vorjahren sollten nicht gezündet werden, um sich keinem unnötigen Risiko für Verletzungen auszusetzen." Lagerkapazitäten werden knapp Bereits mit legalem Feuerwerk verletzen sich nach Angaben der DGOU jedes Jahr an Silvester zahlreiche Menschen die Hände - "oftmals schwer und mit katastrophalen Folgen". Der Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster, Prof. Dr. Michael Raschke, fordert deshalb: "Weniger Silvester-Verletzungen würden bei der angespannten Personalsituation nicht nur die Notaufnahmen, sondern auch die Rettungsdienste und die Feuerwehr entlasten." Sollte das Verkaufsverbot also mehr schaden als nutzen? Der Pyrotechniker Heetmann sieht noch ein weiteres Problem: Die Lagerkapazitäten für die Feuerwerkskörper sind knapp. In seinem 150 Quadratmeter großen Bunker auf einem ehemaligen Militärgelände in Rheine kann der Bielefelder vier Tonnen Explosivmasse lagern. Seine Lagergrenze sind derzeit voll ausgeschöpft. Normalerweise teilt Heetmann seinen Platz mit einem Kollegen, denn "nicht jeder Pyrotechniker hat einen eigenen Bunker". Doch dieses Jahr geht das nicht. Allein NRW importierte vergangenes Jahr nach Angaben des Statistischen Landesamts 13.300 Tonnen Feuerwerk. Ähnlich hoch dürfte die Zahl für 2020 ausfallen, denn aufgrund langer Transportwege wurde die Ware zum Großteil bereits Anfang des Jahres geordert, noch vor Beginn der Corona-Pandemie. Die FDP-Landtagsabgeordnete Susanne Schneider bewertete das Böllerverbot an Silvester in einer Sondersitzung des Parlaments als &bdquo;absoluten Blödsinn". &bdquo;Es wird dazu führen, dass sich die Leute illegale Böller irgendwo besorgen, dass die irgendwo über eine Grenze fahren oder gar irgendetwas selber basteln", sagte die 53-jährige gelernte Krankenschwester. Die Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek fordert ein grundsätzliches umfassenderes Kauf-, Verkaufs- und Zündverbot. Im rbb wies Kapek darauf hin, dass die Bund-Länder-Runde sich zwar auf ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik geeinigt habe - nach wie vor sei es jedoch erlaubt, noch vorhandenes, selbst gebasteltes oder Feuerwerk aus dem Ausland abzubrennen.

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