Weniger arbeiten - eine Vision für die Arbeitswelt der Zukunft?

Bielefeld. Flexiblere Arbeit, mehr Homeoffice, andere Arbeitszeitmodelle – die IG Metall hat mit ihrem Vorstoß zur Vier-Tage-Woche eine Debatte aufgemacht, die nicht mehr nur unter dem Eindruck der Corona-Krise geführt wird. Immerhin zeigt eine aktuelle Umfrage, dass eine Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) dem Modell in der Krise offen gegenüberstehen. Könnte Arbeitszeitverkürzung also auch langfristig auch als Sicherungskonzept gegen den Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung funktionieren? Unternehmen aus OWL haben unterschiedliche Antworten auf diese Frage und die Gewerkschaften wünschen sich mehr Fokus auf Weiterbildung in der Krise. Bei einigen Unternehmen hat die Pandemie manche Entwicklung auch ins Rollen gebracht. Das berichtet unter anderem Carsten Prudent, Sprecher der Firma Miele. Wie in anderen Firmen auch, diente Homeoffice in der Verwaltung zum Schutz vor Ansteckung. &bdquo;Die Erfahrungen sind auf beiden Seiten durchweg positiv", berichtet Prudent. Eine durch Corona bedingte Bedrohung von Arbeitsplätzen gebe es nicht. Und wie steht das Unternehmen generell zur Vier-Tage-Woche? &bdquo;Ob ein solcher Weg generell dazu beitragen könnte, Arbeitsplätze zu sichern, hinge maßgeblich von der Frage des Lohnausgleichs ab", betont Prudent. Lösungen, die zu mehr Kosten je Arbeitsstunde führen würden, seien kontraproduktiv für die Wettbewerbsfähigkeit – und damit auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen. "Die Arbeit der Zukunft wird noch flexibler werden" Auch Häcker-Küchen im Kreis Herford kommt nach eigenen Aussagen gut durch die Krise. &bdquo;Daher sehen wir in der Vier-Tage-Woche für uns keine Option", erklärt Sprecher Lars Breder auf Anfrage von nw.de. Es sei aktuell wichtiger, weitere Mitarbeiter für Häcker in Rödinghausen und Venne zu gewinnen. Insgesamt setze man im Unternehmen auf flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office. Etwas offener im Bezug auf das Konzept zeigt sich das Bielefelder Unternehmen Itelligence. &bdquo;In von der Krise stark betroffenen Branchen kann die Vier-Tage-Woche mit teilweisem Lohnausgleich ein angemessenes Mittel zum Schutz der Belegschaft sein", sagt Vorstandsvorsitzender Norbert Rotter. Für itelligence komme das Modell aber nicht infrage, da das Unternehmen gut ausgelastet sei. Die Digitale Transformation boome – und die Krise habe diese Entwicklung sogar weiter beschleunigt. &bdquo;Daraus ergeben sich auch neue Anforderungen an den Menschen. Bereits jetzt zeigt sich, die Arbeit der Zukunft wird noch flexibler werden." Dieter Kühnel vom Unternehmerverband der Metallindustrie Bielefeld-Herford-Minden sieht die Arbeitswelt seit vielen Jahren in einem kontinuierlichen Wandel. &bdquo;Darauf müssen sich alle Beteiligten im Hinblick auf neue Organisationsformen, Qualifizierung und Flexibilität einstellen." Die Vereinfachung notwendiger Arbeitszeitflexibilisierungen auf die Formel &bdquo;Vier-Tage-Woche" werde der komplexen Industrie mit unterschiedlichsten Bedürfnissen nicht gerecht. Für die Zukunft sei es wichtig, in vielen rechtlichen Gesichtspunkten Vorschriften an neue Arbeitsorganisationsformen anzupassen. "Zum Beispiel passt das Arbeitszeitgesetz überhaupt nicht mehr zur mobilen Arbeit", so Kühnel. Für unterschiedliche Unternehmen und individuelle Mitarbeiter seien auch unterschiedliche Wege gefragt. "Gerade dabei dürfen – zuvor einmal gut gemeinte - gesetzliche Regelungen nicht im Weg stehen." "Wir brauchen einen Plan B" Auf den Wandel der Arbeitswelt weist aktuell die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) hin. In einer Mitteilung zitiert sie aus einer Regionalstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), nach der NRW-weit rund 26 Prozent der Arbeitsplätze akut von der Digitalisierung bedroht sind. Das seien Arbeitsplätze, die bereits jetzt 70 Prozent aller Tätigkeiten von computergesteuerten Maschinen erledigt werden könnten. In Bielefeld läge die Quote bei etwa 25 Prozent, so die NGG. &bdquo;Corona hat dem digitalen Wandel der Arbeitswelt einen zusätzlichen Schub gegeben", sagt Gaby Böhm, Geschäftsführerin der NGG Bielefeld-Herford. Das könne aber auch eine Chance sein. Nötig sei jedoch eine Qualifikationsoffensive. Das unterstreicht auch Anke Unger, Regionalgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in OWL. Durch die Pandemie seien aktuell in einigen Branchen noch viele Menschen in Kurzarbeit. Das, so meint sie, könne nicht ewig so weiter gehen, irgendwann sei der Topf der Bundesagentur für Arbeit dafür auch leer. In der Zeit, bis die Konjunktur sich erholt habe – &bdquo;wir reden hier ja über Jahre" – sei die Vier-Tage-Woche darum ein Ansatz für Firmen, die in der Krise schwächeln. &bdquo;Um die Fachkräfte zu halten und damit die Leute nicht von der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit wechseln, brauchen wir einen Plan B." Demografisch sehe es aber eher so aus, als wenn weiter mehr Fachkräfte benötigt würden. &bdquo;Wir müssen die Zeit jetzt nutzen, um uns fit zu machen für die Zukunft", sagt Unger. Durch die Digitalisierung würden sich die Bedarfe verschieben. &bdquo;Wir werden die Leute brauchen, es werden nur andere Qualifizierungen gefragt sein."

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