Lena Strothmann: Die große Dame des Handwerks zieht sich zurück

Bielefeld. Sie hat es gern getan. Doch jetzt ist Schluss. 25 Jahre lang hat sich Lena Strothmann ehrenamtlich im Präsidium der Handwerkskammer OWL engagiert. 1998 wurde sie zur ersten Präsidentin einer deutschen Handwerkskammer gewählt. Ist sie traurig, dass diese Zeit nun zu Ende geht? &bdquo;Nein, das bin ich nicht", sagt die gebürtige Münsteranerin, und sie zeigt dabei das breite Lächeln, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Denn in all den Jahren musste sie stets eine Doppel- oder sogar Dreifachbelastung stemmen. Vor allem die 14 Jahre zwischen 2003 und 2017, in denen sie als Bundestagsabgeordnete für die CDU in Berlin war, seien &bdquo;eine stramme Aufgabe gewesen – da ist Vieles auf der Strecke geblieben", räumt sie ein. Und so freut Lena Strothmann sich nun darauf, manches nachholen zu können. Sie möchte ihr Zuhause genießen, mehr reisen, mehr Sport treiben. Schon jetzt sieht man ihr an, dass sie entspannter ist: &bdquo;Ja, ich bekomme mehr Schlaf", sagt sie strahlend. Auffällig unter all den Handwerkern Die Damenschneidermeisterin und Modedesignerin ist schon berufsbedingt eine elegante Erscheinung und fiel unter all den Handwerkern natürlich auf – genauso wie im Berliner Politikbetrieb. Dabei war sie sich für große Aufgaben nie zu schade. Die Liste ihrer Ehrenämter ist lang, von der Zeit als Obermeisterin der Bekleidungsinnung (bis 1995) bis zur Mitgliedschaft im Präsidium des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Und während sie in den 90er Jahren &bdquo;ganz nebenbei" noch als Mutter einer Tochter im Teenageralter eingespannt war, und obendrein als Unternehmerin in der (vor zwei Jahren verkauften) Maßschneiderei &bdquo;Kleegräfe und Strothmann", die sie gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich Kleegräfe betrieb, war es später zunehmend die Politik, die sie in Anspruch nahm. Kritiker witterten eine Ämterhäufung Kritikern, die bei ihr eine Ämterhäufung witterten und hinter der Hand die Frage stellten, ob sie alle Jobs vernünftig unter einen Hut bringen könnte, hält sie entgegen, dass die Aufgaben sich ergänzten. Zwar sei Berlin &bdquo;eine Mühle" gewesen und habe &bdquo;geschlaucht" – aber fachlich habe es auch eine gelungene Verbindung bei Themen des Handwerks oder der Wirtschaft im Allgemeinen gegeben: &bdquo;Ich wusste, wovon ich sprach", sagt Strothmann selbstbewusst. Informationen aus Bielefeld konnte sie in Berlin nutzen – und umgekehrt. Zu den wichtigsten politischen Entscheidungen während Strothmanns vier Legislaturperioden im Bundestag gehörte gewiss die Abschaffung der Meisterpflicht für viele Gewerke im Handwerk im Jahr 2004. Als noch recht neue Nachrückerin im Parlament konnte sie den Einschnitt, der inzwischen wenigstens teilweise wieder rückgängig gemacht werden soll, natürlich nicht verhindern. Doch sie warnte schon früh vor der damit drohenden &bdquo;schleichenden Dequalifizierung" im Handwerk. Heute geben ihr viele Recht, die damals nicht zugehört haben. &bdquo;Es war eine Fehlentscheidung – und es ist gut, wenn falsche Entscheidungen erkannt und wieder korrigiert werden", zeigt sie sich versöhnlich. Gut sei auch, dass die Gewerke derzeit selbst zum Thema angehört werden. Neubau im Bahnhofsviertel pünktlich und kostengünstiger als gedacht Der Einstieg in die staatliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung führte später zu einem Boom vor allem der Bauhandwerke, der bis heute bundesweit anhält. Die wichtigste aller Baumaßnahmen in Strothmanns Amtszeit war freilich der zentrale Neubau der Handwerkskammer-Gebäude im Bielefelder Bahnhofsviertel. Viele Jahre lang sei die Zusammenführung von Ausbildungsstätten und Verwaltung schon im Vorfeld geplant worden – und dann sei alles so gründlich durchdacht worden, dass der 60-Millionen-Euro-Bau am Ende 2015 superpünktlich und kostengünstiger als gedacht bezogen werden konnte. &bdquo;Das Chaos am Berliner Flughafen kann ich noch immer nicht nachvollziehen", erlaubt Strothmann sich einen kleinen Seitenhieb: &bdquo;Und so etwas hätten wir uns natürlich auch nicht leisten können." Den Mangel an Arbeitskräften und unternehmerischem Nachwuchs hält Lena Strothmann für die schwerste Hypothek ihrer Branche für die nächsten Jahre. Immerhin beginne die breite Werbekampagne für die Ausbildung und Beschäftigung im Handwerk allmählich zu wirken. Dazu trage auch die Gleichstellung handwerklicher und akademischer Qualifikationen unter den – von Strothmann miterarbeiteten – sogenannten DQR-Stufen bei. Das Handwerk habe eine gute Zukunft, ist sie sicher – und Megatrends wie die Digitalisierung würden auch vom Handwerk mitgetrieben. Die weitere Entwicklung kann Lena Strothmann mit einer gewissen Gelassenheit verfolgen, wenn am Mittwoch ihr Nachfolger gewählt sein wird. Die 66-Jährige hätte durchaus noch mal antreten können – aber ihr Entschluss zum Rückzug war bereits gereift. Die große Dame des deutschen Handwerks kann sich derweil auf Wandertouren in Deutschland und verlängerte Ferien unter südlicher Sonne freuen. Vielleicht auf Mallorca oder in der Provence?

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