Bielefeld/Ulm. Das noch ausstehende Urteil des Landgerichts Ulm könnte Signalwirkung für die gesamte Finanzbranche haben: Die Sparkasse Ulm hat angesichts von Niedrigzinsen versucht, Kunden aus ihren alten hochverzinsten Scala-Verträgen rauszudrängen.
Das Institut hatte die Altverträge vor 20 Jahren offensiv beworben. Bei diesen Sparpapieren mit einer Laufzeit von 25 Jahren wurden neben einer variablen Grundverzinsung auch Bonuszinsen in Aussicht gestellt, die von 0 Prozent in den ersten beiden Jahren auf bis zu 3,5 Prozent für das 21. bis 25. Jahr steigen sollten. Zudem konnten die Kunden die monatlichen Raten auf bis zu 2.500 Euro erhöhen, jederzeit beliebige Summen abheben, die Sparraten aussetzen oder den Vertrag kündigen.
Zwischen den Jahren 1993 und 2005 hatte das Geldinstitut insgesamt 28.000 Scala-Sparverträge mit Kunden abgeschlossen. 2005 wurde das Produkt wegen der Zinslast gestoppt. Einen Großteil der Kunden hat das Institut bereits mit Alternativangeboten aus den Verträgen gelockt. Doch 4.000 Kunden leisteten Widerstand, weil das Alternativangebot weniger lukrativ war. Ihnen droht die Sparkasse daher mit Kündigung.
Dies sehen die Verbraucherschützer jedoch als unzulässig an: "Die Verträge haben jeweils eine handschriftlich und damit individuell vereinbarte feste Laufzeit und einen festen, im Zeitablauf steigenden Bonuszinssatz", so Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "An diese Vereinbarung ist die Sparkasse selbstverständlich auch dann gebunden, wenn sich der Vertrag für sie nicht mehr rechnet."
Für ihn geht es dabei auch um die Frage, "ob die Sparkasse sich aus einem Sparvertrag lösen darf, obwohl sie die versprochenen Bonuszinsen noch nicht bezahlt hat".
Beim Landgericht Ulm haben die Verbraucherschützer eine Unterlassungsklage eingereicht. Sie fordern, der Sparkasse solle gerichtlich untersagt werden, sich weiter auf ein Kündigungsrecht in ihren Geschäftsbedingungen zu berufen. Die Sparkasse hatte sich auf ein gesetzliches Kündigungsrecht bezogen.
In einer ersten Verhandlung stufte das Gericht die Vertragsklausel als unwirksam ein. Aus ihr gehe nicht hervor, dass eigentlich nur den Scala-Kunden, nicht aber der Sparkasse ein Kündigungsrecht zustehe. In einer weiteren Verhandlung, in der Klagen eines Anwalts für 15 Scala-Kunden verhandelt wurden, vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Sparkasse die Scala-Verträge vor Ablauf der vereinbarten Einzahlzeit nicht kündigen kann.
Nach Angaben der Verbraucherschützer handelt es sich bei den Scala-Verträgen der Sparkasse Ulm um einen Einzelfall. Auch die Sparkasse Bielefeld und die Volksbank Paderborn betonen, dass sie solche langfristigen Sparprodukte nicht habe.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt allerdings vor Maschen, die Finanzinstitute häufig anwendeten, um Kunden aus guten Verträgen zu drängen.