Als Teil des Konjunkturpaktes wurde die Senkung der Mehrwertsteuer beschlossen. Wie viel könnten Verbraucher im Monat oder in den sechs Monaten durch diese Maßnahme sparen?
REINER HOLZNAGEL: Zunächst einmal steht fest, dass die für sechs Monate angesetzte Senkung der Mehrwertsteuer rund 20 Milliarden Euro kostet. Positiv ausgedrückt: So viel bleibt also beim Steuerzahler. In welcher Höhe Verbraucher konkret profitieren, hängt natürlich von ihrem Konsumverhalten ab. Ökonomen rechnen, dass Haushalte zwischen 30 und gut 100 Euro im Monat sparen können.
Bei welchen Artikeln wird man die Senkung eher weniger spüren und bei welchen lohnt es sich, jetzt zu kaufen?
HOLZNAGEL: Die Deutsche Bahn und auch die Lebensmitteldiscounter werden ihre Preise senken. Auch wenn es sich bei einzelnen Artikeln nur um Cents handelt, wird der Verbraucher das merken. Bei hochpreisigen Waren oder Dienstleistungen fällt der Vorteil natürlich höher aus, sofern Unternehmer die Ermäßigungen an ihre Kunden weitergeben. Vor allem bei Bauleistungen, Sanierungen, Möbeln oder beim Auto-Kauf können leicht mehrere hundert Euro zusammenkommen.
Glauben Sie, dass die Senkung der Mehrwertsteuer eine wirksame Stellschraube ist, um den Konsum wieder anzukurbeln?
HOLZNAGEL: Offenbar setzt die Politik große Hoffnungen in diese Reduzierung. Dennoch: Alle Maßnahmen des 130 Milliarden Euro teuren Konjunkturprogramms werden vor dem Hintergrund der Corona-Entwicklung bewertet werden müssen. Deshalb fordere ich eine zeitnahe Evaluierung der Maßnahmen!
Befürworter führen häufig das Argument an, dass die Senkung der Mehrwertsteuer bei allen Bürgern ankomme, da sie jeder gleich zahle. Ist diese Maßnahme die „gerechteste", um Konjunkturimpulse zu setzen?
HOLZNAGEL: Über diese Frage wurde tatsächlich heftig gestritten. Zumindest können alle Steuerzahler von der reduzierten Mehrwertsteuer profitieren, weil wir schließlich alle konsumieren – Lebensmittel, Strom, Wasser, Kleidung und so weiter. Somit kommt die Senkung auch bei Bürgern mit kleinen Einkommen an. Allerdings ist die Umstellung der Mehrwertsteuersätze ziemlich aufwendig, weil Unternehmen zum Beispiel ihre Kassen- und Buchhaltungssystem umstellen müssen.
Was wäre da aus Ihrer Sicht sinnvoll gewesen?
HOLZNAGEL: Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, die Mehrwertsteuer-Senkung mindestens für ein Jahr zu gewähren, damit sich der Umstellungsaufwand lohnt. Darüber hinaus sind mir die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Reform des Einkommensteuertarifs wichtig – hier greift der Spitzensteuersatz viel zu früh. Aus meiner Sicht sind diese beiden Punkte aber unabhängig von der Corona-Krise erforderlich!
Viele Unternehmen haben bereits signalisiert, dass sie die Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben werden. Haben Sie auch Verständnis für die Betriebe, die das nicht vorhaben?
HOLZNAGEL: Selbst die Bundesregierung hat zu verstehen gegeben, dass Teile der Unternehmerschaft die Preisnachlässe nicht weitergeben würden – dass die Reduzierung der Mehrwertsteuer in diesen Fällen also eine Unterstützung für Deutschlands Betriebe wäre. Letztlich muss der Unternehmer diese Entscheidung selbst treffen. Klar ist doch: Diese Steuersenkung ist mindestens als psychologisches Signal von Bedeutung. Idealerweise wird die Reduzierung auch an Verbraucher weitergereicht. Unterm Strich kann man sagen: Die Steuerersparnis kommt schließlich beim Kunden oder beim Händler an, sodass die Konjunktur in jedem Fall belebt wird.
Hierzulande gibt es viele unterschiedliche Steuern – welche Rolle spielt die Mehrwertsteuer dabei? HOLZNAGEL: Die Mehrwertsteuer – in der Fachsprache Umsatzsteuer – ist mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle für den Staat. Sie kommt noch vor der Lohn- und Einkommensteuer. Übrigens: Seit 1968, seitdem das jetzige Umsatzsteuersystem gilt, wurden die Steuersätze nun zum ersten Mal flächendeckend gesenkt! Bislang gab es nur Senkungen bei einzelnen Produkten oder Steuersatzerhöhungen.
Die Fragen stellte Monika Dütmeyer