Warendorfer Autokino bietet Filmvergnügen unter freiem Himmel

Die vergilbten Weißwandreifen eines himmelblauen Cadillacs kommen auf einem riesigen Schotterplatz zum Stehen. Die Handbremse wird angezogen, die Plüschsitze am Drehrad in die Waagerechte verstellt, während zwei eiskalte Colas samt Popcorn passend zum Sonnenuntergang durchs Fenster gereicht werden. 3, 2, 1 . . . James Dean erscheint mit Julie Harris auf der weißen, übergroßen Leinwand; Musik eines Filmorchesters schallt durch die Lautsprecheranlage über den Platz und durch die geöffneten Autofenster. Nicht ganz so klischeehaft wie in dieser nostalgischen Vorstellung, aber nicht minder authentisch werden im Scala-Autokino von Johannes Austermann in Warendorf ab jetzt wieder Kinogäste ihren Abend mit einem guten Film verbringen können. Echter Kinogenuss, ganz ohne Ansteckungsgefahr. Idee kam dem 24-Jährigen schon vor der Krise Dabei flimmern Blockbuster und Film-Klassiker bei Austermann eigentlich im Scala-Stammhaus in der Warendorfer Klosterstraße über die Leinwände, statt auf dem Werksgelände des Glas- und Spiegelherstellers Teutemacher. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, würde mancher wohl sagen. Die Idee, das einst in Deutschland so beliebte Autokino auch in Warendorf wieder aufleben zu lassen, kam dem erst 24-jährigen Austermann jedoch bereits vor der Krise. Für den Sommer, sagt er, hätten sie das Autokino-Projekt eigentlich geplant. Bis dahin wäre noch reichlich Zeit gewesen. Für die Standortsuche, Genehmigungen, Mietverträge und die Abarbeitung der langen Liste zahlreicher bürokratischer Auflagen. Man könne schließlich &bdquo;nicht einfach so auf einem Parkplatz einen Projektor und eine Leinwand aufstellen und heraus kommt ein Autokino". Dass das Frühjahr 2020 den jungen Warendorfer organisatorisch und finanziell vor große Herausforderungen stellen würde, war vor der Corona-Krise nicht abzusehen. Denn das vergangene Jahr hätte für ihn nicht viel besser laufen können. Der gelernte Bankkaufmann hat das Kino Anfang 2019 übernommen Nachdem sich die Nachfolgersuche für das familiengeführte Warendorfer Scala-Kino von Wilhelm Cordes zwischen Ems und Altstadt schwierig gestaltete, brachte sich Austermann selbst in Spiel. Der gelernte Bankkaufmann übernahm zum 1. Januar 2019 den Spielbetrieb, sanierte &bdquo;zukunftsorientiert, ohne den Nostalgiecharme zu verlieren" und verdreifachte gleich im ersten Jahr die bisherigen Besucherzahlen des kleinen Lichtspielhauses mit den charmant gelben Leuchtröhren-Buchstaben. In den Nebenräumen des seit 1950 bestehenden Filmtheaters eröffnete Austermann außerdem das Scala-Café. Aus eigens für das Scala gerösteten Bohnen gießen er und seine Mitarbeiter dort neben dem Kinobetrieb eigentlich Kaffeespezialitäten auf. Doch seit den behördlichen Anordnungen aufgrund der Corona-Krise bleiben sowohl die Kinosäle als auch die Caféstühle menschenleer. Durch ein &bdquo;Naschfenster" bietet er weiterhin frisches Popcorn, Eis, Schokolade und Nachos an, doch auf unbestimmte Zeit Süßes und Salziges durch ein kleines Fenster zu verkaufen, ohne den Menschen das zu bieten, weshalb sie eigentlich in die Klosterstraße 5 kommen? Dafür hat Austermann zu lange für seine Kino- und Filmleidenschaft gearbeitet. Ohne die richtige Technik geht nichts Auf der Festwiese Lohwall soll sie schließlich real werden: die Idee vom Scala-Autokino. Doch der längerfristige Betrieb auf dem stadtbekannten und viel genutzten Platz ist zu unsicher. Nur einen Luftlinienkilometer entfernt findet er schließlich mit dem Werksgelände des Glas- und Spiegelherstellers Teutemacher einen geeigneten Ort, um Fahrzeuge, Filmtechnik und eine 50 Quadratmeter große Leinwand unterbringen zu können. Doch auch der beste Ort nutzt nichts, wenn Technik fehlt, die genauso zügig organisiert werden muss. Eine riesige, aufblasbare Leinwand gibt es schließlich nicht beim Discounter ums Eck. Eine glückliche Fügung macht die Leinwandsuche letztlich vergleichsweise einfach: Das Warendorfer Theater am Wall, dessen Vorstandsmitglied Austermann ist, hat bereits in vergangenen warmen Sommertagen ein Open-Air-Kino auf großer Leinwand angeboten. Diese kann er vorerst nutzen, Projektor, Tontechnik und weiteres Equipment muss er mieten, was &bdquo;finanziell natürlich zerrt". Doch zumindest um eins muss er sich nicht kümmern: Sitzgelegenheiten. Die bringt jeder Zuschauer selbst mit. Bis zu 400 pro Vorstellung, maximal zwei in jedem Fahrzeug sollen es werden, &bdquo;sobald sich alles eingespielt hat", sagt Austermann. Die Mitarbeiter konnten schon aus der Kurzarbeit zurückkehren Als Quereinsteiger in der Kinobranche konnte Austermann sich für den Start des regulären Kinos seine Erfahrungen in der Organisation von Veranstaltungen im Theater am Wall zu Nutze machen. Um auch das Scala-Autokino von Beginn an möglichst reibungslos betreiben zu können, hat Austermann einige Mitbewerber besucht, um sich konkrete Abläufe zu Einlass, Organisation und Ordnung anzuschauen – learning by viewing. Bei der Premiervorstellung rollen zunächst 100 bis 150 Fahrzeuge auf ihre Plätze, damit er und sein Team ein Gefühl für den Betrieb bekommen und Erfahrung sammeln können. Zehn Aushilfen hat er dafür zusätzlich zu seinen zwei festen Mitarbeitern eingestellt, die er bereits zur Organisation wieder aus der Kurzarbeit zurückholen konnte. Aufgrund von Lärmschutzverordnungen sorgen sie zunächst von freitags bis sonntags und an drei Donnerstagen im Monat für Filmfreuden unter freiem Himmel – immer dann, wenn es dunkel wird. Auch Spätvorstellungen sind geplant. Popcorn und Snacks gibt es im Drive-in Tickets für aktuelle Filmhighlights wie Joker und Parasite und das Remake von König der Löwen, aber auch für Klassiker wie Manta, Manta oder &bdquo;vielleicht auch Titanic" können sich Zuschauer unter scala-warendorf.de für zehn Euro pro Person sichern. Doch &bdquo;zu einem richtigen Kinobesuch gehört natürlich mehr als der Film selbst", stellt auch Austermann fest. Sie hätten sich viele Gedanken darüber gemacht, wie man Popcorn, Nachos und Getränke ohne direkten Kontakt zu den Filmfans in die Fahrzeuge bekommt. Wie die Tickets selbst, bietet das Scala-Team Snacks und Getränke im Menü auf der Website an. Dort werden sie im Voraus ausgesucht und bezahlt. Bei der Einfahrt auf das Gelände werden die Bestellcodes durch die Autoscheiben hindurch gescannt. Die Snacks und Getränke können anschließend &bdquo;wie in einem Drive-in" von einem Tisch genommen werden. Ein insgesamt kurzfristig realisiertes, kreatives und mutiges Projekt, dessen Resonanz schon vor der Premiere &bdquo;riesig" gewesen sei, so Austermann. Überall würde er darauf angesprochen, was ihn zusätzlich zuversichtlich stimme, dass das Projekt gut angenommen wird und das Scala-Kino die Corona-Krise überstehen kann. Lediglich einen kritischen Leserbrief habe es bezüglich befürchteter hoher Lautstärken gegeben. Im persönlichen Gespräch konnte Austermann diese Sorgen jedoch bereits nehmen. Selbst dafür nimmt er sich im Organisationsstress Zeit. Das verwundert nicht, denn Johannes Austermann hat &bdquo;wirklich Power", was ihm bereits Vorgänger Cordes bei der Schlüsselübergabe vor mehr als einem Jahr bescheinigte. Und von dieser Kraft hat er offenbar mehr als genug. Auch in Bielefeld an der Radrennbahn und in Warburg gibt es Autokinos. Das Angebot in Bielefeld beginnt am 30. April. Geplant sind vorerst fünf Termine, die allerdings schon alle ausverkauft sind. Möglicherweise werden noch weitere Termine angeboten.