An welchem Ende können wir sinnvoll etwas einsparen? Was soll ich bloß den Mitarbeitern sagen? Und wie kommen wir da jetzt wieder raus? Antworten auf Fragen wie diese gaben die Experten Jochen Brinkmann und Torsten R. Bendlin bei einer offenen Telefonkonferenz zum Umgang mit den Folgen der Corona-Krise. Brinkmann verfügt über viele Jahre Beratungserfahrung in Krisen- und Turnaround-Situationen. Bendlin ist Geschäftsführer und Gründer des Unternehmens Valuedesk, das sich auf Kosten- und Prozessoptimierung von Industriebetrieben spezialisiert hat. Die Fragen und Antworten:
Was ist die größte Herausforderung für Unternehmer in Krisenzeiten?
Das schwerwiegendste Problem bei Unternehmern ist die persönliche Betroffenheit. Sie führt oftmals dazu, dass nicht mit genügend Abstand auf die Sachverhalte geschaut und sich dadurch zu sehr auf eine einzige Option konzentriert wird. Man ist nicht mehr in der Lage, von der eigenen Betroffenheit und Emotionalität abstrahieren zu können. Gerade diese Befangenheit ist in bisherigen Krisensituationen eines der größten Probleme gewesen.
Wie kommen Unternehmen wieder auf Kurs?
Wenn ein Unternehmen in der Krise ist, gibt es nicht die eine richtige Lösung oder Idee. Es muss an vielen Stellschrauben gedreht werden und es stellt sich oftmals heraus, dass manche weniger erfolgreich sind und sich andere dafür als positive Überraschung erweisen. Von daher ist es wichtig, viele Impulse zu setzen. Dies bedarf jedoch auch eines ungefärbten Blicks auf die Situation, welche oft durch die eigene emotionale und operative Einbindung nicht ohne eine distanzierte und ungetrübte Beratung möglich ist.
Wer kann einem helfen, wenn man selbst nicht mehr klar sehen kann?
Ein guter Sparringspartner für das eigene Unternehmen muss nicht nur fachlich geeignet sein, sondern auch kommunikativ auf der gleichen Ebene stehen. Sprich, die Chemie muss stimmen, da kritische und schwierige Gespräche geführt werden müssen. Das Leistungsversprechen vieler Berater ist die objektive Beurteilung der aktuellen Unternehmenssituation. Möglich ist aber nur eine Annäherung an die Objektivität, alles andere ist Unfug. Je gravierender eine Krisensituation ist, desto wichtiger ist es, jemanden zu haben, der nicht emotional betroffen ist und dabei hilft, die Krise zu überwinden.
Ein teurer Berater – muss das sein?
Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie bereit und in der Lage sind, Berater zu bezahlen. Wichtig ist, dass es nicht in jedem Fall notwendig ist, große Berater-Projekte zu starten. Im ersten Schritt geht es vor allem darum, den Austausch zu suchen. Dabei kann es hilfreich sein, mit seinem direkten Umfeld zu starten und nach persönlichen Erfahrungen zu fragen, um sich dann weiter vorzuarbeiten. Ein vertraulicher Austausch mit Externen erscheint langwierig, hält jedoch in Krisensituationen, in denen schnelles Handeln notwendig ist, davon ab, hastig zu handeln.
Aber geht es nicht gerade in Krisenzeiten um schnelles Handeln?
Hastiges Handeln ist wenig zielführend. Man muss sich auf die Suche nach neuem Input machen und dabei ganz uneitel im Klaren darüber sein, dass man selbst betroffen ist und deswegen Defizite in der distanzierten Betrachtung der Situation hat. Es ist wichtig, sich langsam aus dem direkten Umfeld in das weite Umfeld vorzuarbeiten – in der Hoffnung, dass ein geeigneter Sparringspartner gefunden wird. Als positives Beispiel lässt sich auch in Ostwestfalen-Lippe die steigende Netzwerk-Offenheit beobachten. Unternehmen beginnen immer stärker damit, kollaborativ durch eine Krise zu gehen. Sie überlegen, wie neue Formen der Zusammenarbeit möglich sind und gehen diese jetzt auch an.
Reicht es nicht, einfach die Kosten zu senken?
Das sogenannte Cost-Cutting ist ein wichtiges Instrument, mit dem sofort und effizient eingespart werden kann. So gibt es kaum größere Effekte als jene, die durch sofortige Einsparung im Einkauf realisiert werden können. Bei jeder Entscheidung sollte jedoch die Balance zwischen strategischen und operativen Konsequenzen ausgelotet werden. Empfehlenswert ist es beispielsweise, seinen Lieferanten die Sicherheit durch Vertragsverlängerungen anzubieten und sich diese Sicherheit in Form von Preisnachlässen bezahlen zu lassen. Gerade in der aktuellen Situation ist es den Lieferanten und Dienstleistern einiges wert, wenn aus einem Zweijahresvertrag ein Drei-, Vier- oder Fünfjahresvertrag wird. Ein hartes Cost-Cutting wird für sich alleine gesehen niemanden retten, da es einem nur zusätzliche Zeit verschafft, aber nicht das Kernproblem löst.
Woher weiß ich, ob meine Kunden „flüssig" geblieben sind?
Es ist schwer absehbar, welche Forderungen ausfallen könnten. Aber es gibt in der Entscheidungstheorie den Dreiklang „Risiko, Ungewissheit, Unsicherheit”. Wir sind aktuell über das Risiko hinweg und bewegen uns nun in Ungewissheit und Unsicherheit. Daher ist das Forderungsmanagement strategisch zu betrachten: Man sollte sich mit den wichtigsten Kunden zuerst beschäftigen, um herauszufinden, ob dort Gefahrenpotenziale schlummern.
Schöner Schein oder reiner Wein – wie ehrlich sollte ich mit den Mitarbeitern sein?
Gerade jetzt ist eine Menge Kommunikation und vor allem Transparenz gefordert. Und das mehr als je zuvor. Es muss klargestellt werden, wie die Situation für das Unternehmen einzuordnen ist. Die Fragen: „Warum sind wir überhaupt hier und welches Ziel verfolgen wir?” müssen überzeugend beantwortet werden. Es ist entscheidend, den Mitarbeitern klarzumachen, welche Ziele von den Unternehmen verfolgt werden, damit seitens der Belegschaft das Verständnis für die Notwendigkeit der aktuellen und kommenden Maßnahmen geschaffen wird. Jetzt ist es noch wichtiger geworden, mit Bedacht direkt und persönlich zu kommunizieren und nicht über E-Mails oder generelle Ansprachen. Es ist essenziell zu berücksichtigen, dass nicht nur der übertragene Inhalt prägend ist. Noch relevanter ist es, in welchem Ton und mit welcher Sicherheit gesprochen wird.
Wie wichtig ist unternehmerischer Mut in dieser Zeit?
Gerade in Krisenzeiten hat sich eine antizyklische Unternehmensstrategie oft als positiv bewährt. Krisen können dazu genutzt werden, grundsätzlich über das eigene Geschäftsmodell nachzudenken und die Chance zu nutzen, Anpassungen am Geschäftsmodell vorzunehmen. Es gibt eine Zeit nach Corona – und die beginnt jetzt.
Unternehmen können aktiv Kosten reduzieren, um die Auswirkungen der Krise auch aus eigener Kraft abzufedern. Hilfe bietet das Unternehmen Valuedesk, das als Solidarbeitrag digitale Soforthilfe-Workshops, einen Krisenkatalog mit Sofortmaßnahmen und seine Software derzeit kostenlos zur Verfügung stellt. info@valuedesk.de, Tel. (05 21) 44 81 52 30.
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Mut zur Zukunft: Erfolgsgeschichten aus der Region
Mit langsamen und vorsichtigen Schritten nimmt das öffentliche Leben wieder Fahrt auf. Damit das so weitergeht, ist es weiterhin geboten, auf sich und andere aufzupassen – durch Distanzhalten, Händewaschen und das Tragen von Masken. Genauso wichtig sind aber Einfallsreichtum, Optimismus, Solidarität und Treue. Wie Ideen in die Tat umgesetzt werden und wie man mit positiven Gedanken an neue Projekte herangeht, zeigen wir in unseren Erfolgsgeschichten aus der Region. Beschrieben werden Menschen, Unternehmen und Institutionen, die trotz Krisenzeiten den Mut nicht verloren haben und die mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um eine gute Zukunft kämpfen.
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