Bethel. In die Kritik ist die neue Flüchtlingsunterkunft in Bethel gekommen. Die Zustände im Brüderfeierabendhaus sollen mehr als grenzwertig sein, nicht einmal Vorhänge gebe es bisher. Eine Nachbarin: "Die Zustände in manchen Zimmern sind katastrophal bedürftig." Andere Helfer bestätigen das. Es fehlten Tische und Stühle, Duschvorhänge und Klopapier, Geschirr und Töpfe. In den Zimmern gebe es ein Bett mit einer hauchdünnen Decke sowie einen faltbaren Kleiderschrank. "So kann man niemanden leben lassen", sagt eine Helferin, "das endet in einer Tragödie." Eine andere sagt: "So ist das eine Brutstätte für Gewalt."
Angeblich soll sogar die Essensversorgung zwischenzeitlich nicht funktioniert haben, auch, weil Gelder über die Sparkasse nicht angekommen seien. Eine Nachbarin berichtet davon, "dass am Donnerstag ein Krankenwagen kam, weil ein Mann drei Tage lang nichts gegessen und getrunken hatte". Erste Konflikte soll es im Haus schon geben. Kritik gibt es daran, dass die jungen Männer aus Marokko und Algerien keine Kocherfahrungen hätten. "Die werden in ihrer Heimat von den Frauen bekocht", sagt eine Nachbarin.
Die anfangs außergewöhnlich aufgeschlossene Nachbarschaft sieht zunehmend auch Probleme. Sehr engagiert bringen sich viele Menschen ein, stoßen aber offenbar teilweise an ihre Grenzen. "Wir wurden hier unvermittelt vor eine riesige Aufgabe gestellt", äußert sich eine Frau.
Es leide zudem die Motivation, wenn am Kennenlernabend die jungen Männer reihenweise berichteten, sie seien hergekommen, um Geld zu verdienen. "Eine Perspektive, hier zu bleiben, haben sie damit nicht", sagt eine Frau. Kritisiert wird, dass sich Bethel nur als Vermieter des Hauses darstelle und sich fast gar nicht einbringe. Eine solche Haltung kritisieren auch Politiker. So sei mehreren Bezirksvertretern, die sich helfend einbringen wollten, beim Kennenlerntreffen am Mittwoch signalisiert worden, dass sie unerwünscht seien. Vor Ort jedoch sei Bethel selbst (als Vermieter) gut vertreten gewesen - von Pastor Ulrich Pohl bis Carsten Böhrnsen aus der Direktion Sarepta-Nazareth. Bezirksvertreter waren - offenbar bewusst - nicht eingeladen worden. Christina Osei (Grüne) moniert, auch in Richtung Stadt: "Wir hätten uns übrigens gewünscht, dass wir informiert werden, wenn die Flüchtlinge ankommen in unserem Stadtbezirk."
An vielen Ecken wird Kritik laut an Bethel : "Wie ist denn so etwas mit einem diakonischen Auftrag zusammenzubringen?", laut der Kern vieler Vorwürfe. Auch die Stadt wird kritisiert: Die beiden Sozialarbeiter und die zuständige Sachbearbeiterin würden bisweilen sehr uninformiert wirken. Zu den Menschen wüssten sie fast nichts, das Haus sei ihnen kaum vertraut.
In Bethel scheint die Haltung zur neuen Unterkunft allerdings sehr unterschiedlich zu sein. Ortschaftsreferent Fred Müller sagte in der Bezirksvertretung: "Für mich steht fest, dass selbstverständlich die Bezirkspolitiker willkommen sind - das Thema betrifft ja ganz Gadderbaum." Natürlich sei es aber auch sensibel, denn im Umfeld des Hauses träfen sehr verschiedene, schutzbedürftige Menschen aufeinander - Flüchtlinge und Menschen mit Behinderung.
Innerhalb Bethels gibt es aber auch viele sehr engagierte Akteure. Sie bieten Räume für Treffen an, bauen E-Mail-Netzwerke auf und übersetzen - weil sie Arabisch sprechen.
Müller betont auch: "Das Haus wurde mit Blick auf Familien saniert, nun leben hier 30 alleinreisende Männer." Er freue sich sehr über die Hilfsbereitschaft aus der Nachbarschaft, "das ist schon sehr erstaunlich und positiv". Zwei Sozialarbeiter seien im Haus, der Sicherheitsdienst sei 24 Stunden vor Ort, "einer der Männer hat Erfahrung mit dem Thema und wirkt sehr besonnen". Wichtig werde sein, "den jungen Afrikanern eine gute Tagesstruktur zu vermitteln".
Kritik kommt dagegen von Bezirksbürgermeisterin Hannelore Pfaff: "Nach allem, was ich höre, kann es nicht sein, dass die Sozialarbeiter hier nur einmal die Woche ein paar Stunden sind." Sie werde sich ab sofort einbringen, "ich werde mich bemühen, schnell zu helfen", sagt sie, die bestens vernetzt ist in Gadderbaum.