Bielefeld

Hannes Wader im Interview

"Lampenfieber habe ich immer noch", sagt der Liedermacher

18.09.2015 | 21.09.2015, 11:59

Bielefeld. Das Bielefelder Urgestein Hannes Wader gilt als einer der profiliertesten politischen Liedermacher Deutschlands. Am 1. Oktober kommt er in die Stadthalle und präsentiert Klassiker und Lieder von seinem neuen Album „Sing“. Lasse Lassen sprach mit dem 73-Jährigen über seine Heimat Bielefeld, Solidarität in der Flüchtlingskrise und die neue Generation deutscher Liedermacher.

Herr Wader, auf Ihrem neuen Album gibt es einen Song mit dem Titel „Wo ich herkomme“. Sie sind in Bielefeld-Gadderbaum geboren. Was gefällt Ihnen an der Stadt besonders?
Hannes Wader: Die Freunde, die ich dort habe.

Sie sind dann aufgebrochen nach Berlin. War das für Sie ein Ausbruch oder hat sich das mehr ergeben?
Wader: Es waren mehrere Dinge. Ich studierte damals auf der Werkkunstschule, so nannte sich das damals, oben am Sparrenberg. Und mit Anfang 20 gab es damals schon so eine Grundstimmung: Von zu Hause musst du mal weg. Das war damals einfach so ein Lebensgefühl. Berlin hatte damals eine große Sogkraft auf die ganze westliche Welt. Dazu kam noch, dass, wenn man nach Berlin ging, um zu studieren, nicht zum Bund musste. Ich sollte damals ja eingezogen werden zur Bundeswehr, hatte auch schon meinen Wehrpass in der Tasche. Und so konnte ich das vermeiden.

Sie sind einer der wichtigsten politischen Liedermacher in Deutschland und waren von 1977 bis 1990 Mitglied der DKP...
Wader: Mitglied der DKP bin ich nicht mehr. Ich bin damals nach der Wende ausgetreten. Aber ich habe meine sozialistische Grundüberzeugung immer beibehalten.

Information
Konzert am Donnerstag, 1. Oktober, 20 Uhr, Stadthalle, Karten
sind in der NW-Geschäftsstelle zu haben, Niedernstr., 21. Tel. 55 54 44.

Wie sehen Sie in der Hinsicht so etwas wie die Lage in Griechenland, wo eine linke Regierung versucht hat einen neuen Weg einzuschlagen nun aber vor dem Aus steht?
Wader: Ich stehe natürlich auf der Seite von Alexis Tspiras und der Linken in Griechenland. Ihnen ist ja die Misere dort zu allerletzt anzulasten. Verantwortlich sind doch die jahrzehntelang sich abwechselnden konservativen und sozialdemokratischen Regierungen. Und selbst einem wie mir, der kein Ökonom ist, leuchtet ein, dass das Troika-Spardiktat nicht funktionieren kann und in eine noch größere Katastrophe führen wird. Ein dahinsiechender Skorbutkranker kann schließlich auch nicht gesund werden, wenn ihm Vitaminentzug als Therapie verabreicht wird.

In Ihrem neuen Lied „Morgens am Strand“ setzen Sie sich auch mit der Flüchtlingskrise auseinander. Wie nehmen Sie die Situation in Deutschland persönlich wahr?
Wader: Ich finde diese Flüchtlingssituation ist eine Situation, die so noch nie da gewesen ist. Dass so viele in so kurzer Zeit nach Europa strömen, das hat es ja, soweit ich mich erinnern kann, in der Form noch nie gegeben. Dem stehen doch alle irgendwie hilflos gegenüber. Aus meiner Sicht ist klar, die Menschen müssen aufgenommen werden. Ich kenne auch unter meinen Freunden und meinen Bekannten niemanden, der sich dagegen stemmen würde. Ich spüre da eine große Solidarität mit den Neuangekommenen und viele tun in irgendeiner Weise etwas, um den Menschen zu helfen.

Sie gehören mit Konstantin Wecker und Reinhard Mey zur großen Generation deutscher Liedermacher. Gibt es heute auch noch junge Musiker, die dieser Tradition verpflichtet sind?
Wader: Es gibt einige sehr gute junge Leute, die, jedenfalls manche von ihnen, großen Erfolg haben. Zum Beispiel Bodo Wartke, Dota Kehr, Philipp Poisel. Die stellen sich mit eigenen Liedern und Gitarre oder Klavier auf die Bühne, so ähnlich wie wir von der älteren Generation es auch gemacht haben. Ich glaube, das ist nicht totzukriegen und wird es immer weiter geben.

Ihr neues Album „Sing“ ist erfolgreich gestartet, viele Ihrer Konzerte sind bereits ausverkauft und 2013 haben Sie den Echo verliehen bekommen. Was bedeutet für Sie Erfolg?
Wader: Im Rückblick würde ich sagen, dass ich sehr zufrieden bin, teilweise sogar erstaunt. Als Junge vom Lande aus Hoberge-Uerentrup, heute Bielefeld eingemeindet, hätte ich niemals gedacht, dass ich so einen Weg nehmen würde. Da staune ich heute noch drüber. Von den Grundlagen her war mir das niemals bestimmt, dass ich es so weit bringen würde, und da freue ich mich einfach drüber.

Ihren bekanntesten Titel „Heute hier, morgen dort“ spielen Sie immer noch zu Beginn jedes Konzerts. Hat das einen bestimmten Grund?
Wader: Das hat sich so eingespielt, dass ich, um so in den Abend hineinzukommen und mein Lampenfieber, das ich immer noch habe, zu überwinden, eben mit einem Lied, das Konzert beginne, das ich im Schlaf kann. Und die Leute möchten es auch so.

Ist Lampenfieber denn etwas Schlechtes oder würden Sie sagen, das beflügelt sie eher?
Wader: Es gibt viele, die Lampenfieber haben, auch alte Hasen. Viele Kollegen sagen, dass sie dieses Gefühl brauchen und dass sie das nicht nachlässig macht. Das Gefühl, die Möglichkeit zu fühlen, versagen zu können. Und da strengt man sich natürlich an, da fließt das Adrenalin. Meistens legt sich das dann wieder während des Konzerts, wenn die Leute dann nett zu mir sind. Aber ein Leben ohne Lampenfieber kann ich mir gar nicht vorstellen.