Altena (dpa). Nach der Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena in Nordrhein-Westfalen, Andreas Hollstein (CDU), sind die genauen Hintergründe noch unklar. Ein politisches Motiv sei jedoch wahrscheinlich, hieß es von den Behörden.
Wie die Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilte, habe Hollstein eine circa 15 Zentimeter lange Schnittwunde am Hals erlitten. Ein 56-jähriger Mann habe Hollstein "mit mutmaßlich fremdenfeindlicher Motivation angegriffen."
Kanzlerin Angela Merkel äußerte bestürzt. Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte:
Hollstein war am Montagabend in einem Döner-Laden mit einem Messer angegriffen worden. Der Politiker sei mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wurden, habe es aber noch am Abend wieder verlassen können, berichteten örtliche Medien in der Nacht. „Ich habe zupackende Menschen an meiner Seite gehabt und bin froh, dass ich noch lebe", sagte Hollstein der Nachrichtenseite Lokalstimme.
Täter ist gefasst
„Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es einen politischen Hintergrund bei diesem Anschlag gibt", sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montagabend. Der Täter, der laut Laschet dingfest gemacht wurde, habe Bemerkungen über die Flüchtlingspolitik gemacht, die diesen Rückschluss zuließen.
Altena im Märkischen Kreis wurde bundesweit bekannt, weil es mehr Flüchtlinge aufnimmt, als es nach dem Verteilschlüssel aufnehmen müsste. Hollstein habe sich aus dem Krankenhaus bereits gemeldet und für die Anteilnahme gedankt. Auch ein Mann, der ihm zur Hilfe eilte, wurde leicht verletzt.
Nach einem Medienberichten war der Angreifer offensichtlich alkoholisiert. Der Täter soll Hollstein vor dem Angriff gefragt haben: „Sind Sie der Bürgermeister?"

Laschet, der zum Zeitpunkt des Attentats an der Verleihung des Staatspreises des Landes Nordrhein-Westfalen an den Schriftsteller Navid Kermani teilnahm, zeigte sich erschüttert: „Es war heute ein bedrückender Abend. Denn ich habe bei der Verleihung des Staatspreises an Navid Kermani berichtet, wie wir zusammen den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, besucht haben - weil Navid Kermani das so beeindruckend fand, dass ein Bürgermeister gesagt hat, ich bin bereit, mehr Flüchtlingsfamilien aufzunehmen", sagte der Regierungschef.
Wenig später habe Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in Kermanis Antwort gehört, „dass er den Politikern dankt wie Frau Reker und Wolfgang Schäuble, die das Risiko eines Attentats auf sich genommen haben und weitergemacht haben. Und dann hat uns um 20 Uhr die Nachricht erreicht, dass auf diesen Bürgermeister ein Anschlag verübt worden ist."
Auf Twitter schrieb Laschet in der Nacht:
Laschet: "Vielfalt ist Kennzeichen unseres Landes"
„Diese Gewalt in unserem Land gegenüber ehrenamtlich Tätigen, gegen Bürgermeister, die sich um das Wohl ihrer Stadt kümmern, ist verabscheuungswürdig", sagte Laschet. „Klar ist: in Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für Hass und Gewalt. Die Vielfalt ist Kennzeichen unseres Landes."
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) war im Oktober 2015 einen Tag vor ihrer Wahl von einem Rechtsextremisten mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt worden. Schäuble wurde auf einer Wahlkampfveranstaltung 1990 Opfer eines Attentats - und ist seither querschnittsgelähmt.
In der vergangenen Woche wollte ursprünglich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch in NRW auch nach Altena kommen - und sich dort mit Flüchtlingsfamilien treffen. Diese Reise musste er wegen der geplatzten Jamaika-Verhandlungen absagen.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) reagierte auf den Angriff in Altena auf Twitter mit diesen Worten:
Der nordrhein-westfälische Familienminister Joachim Stamp (FDP) schrieb bei Twitter: „Alle guten Wünsche an Andreas Hollstein, dem großartigen Bürgermeister Altenas."
INFORMATION
Andreas Hollstein: Bürgermeister mit aktiver Flüchtlingspolitik
Noch im Mai hatte Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein einen Termin bei der Bundeskanzlerin. Angela Merkel zeichnete die Kommune im Sauerland für ihre gute Flüchtlingsarbeit mit dem Nationalen Integrationspreis aus. Der CDU-Politiker hatte sich dafür eingesetzt, dass die 18.000-Einwohner-Stadt mehr Flüchtlinge aufnimmt als vorgesehen - auch um den starken Bevölkerungsschwund zu stoppen.
Hollstein ist seit 1999 hauptamtlicher Bürgermeister seiner Heimatstadt, zuletzt wurde er 2014 mit fast 70 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. „Der allgemeine Spaßfaktor an der Kommunalpolitik ist begrenzt", hat er dennoch einmal geklagt. Zumal der 54-Jährige mit einer chronisch leeren Stadtkasse zu kämpfen hat. Das Land schickte sogar zeitweise einen Sparkommissar, um den Haushalt von Altena zu sanieren.
Neben seinen politischen Posten bekleidet der Vater von vier Kindern ein für das Sauerland wichtiges Amt - er ist Präsident des Sauerländischen Gebirgsvereins, dem mehr als 30.000 Wanderfreunde angehören. Mit seiner auf eine schnelle Integration der Flüchtlinge ausgerichteten Politik hat sich Hollstein aber auch Feinde gemacht. Er habe Hassmails bekommen, berichtete er bei der Preisverleihung in Berlin.