Union und SPD einigen sich

Was Sie zum neuen Wehrdienst wissen müssen – alle Fragen und Antworten im Überblick

Ziele für die Aufstockung der Bundeswehr, eine flächendeckende Musterung und eine „Bedarfswehrpflicht“, falls Freiwilligkeit nicht funktioniert. Was die vereinbarten Änderungen im Wehrdienst bedeuten.

Zum 1. Januar 2026 soll es losgehen mit dem neuen Wehrdienst – die Koalitionsfraktionen haben die letzten Details ausgehandelt. | © Federico Gambarini/dpa

13.11.2025 | 13.11.2025, 14:31

Berlin (dpa). Ein Kompromiss legt den Streit der Regierungsparteien um den neuen Wehrdienst bei. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) muss dafür und auf Drängen der Union die Aufstockung der Truppe - im Jargon des Ministeriums „Aufwuchs“ - in Zielzahlen messbar machen. Mit der Forderung nach einer flächendeckenden Musterung für junge Männer setzt er sich aber durch.

„Grund zur Sorge, Grund zur Angst gibt es nicht“, sagte Pistorius. „Weil die Lehre ist ganz klar: Je abschreckungs- und verteidigungsfähiger unsere Streitkräfte sind, durch Bewaffnung durch Ausbildung und durch Personal, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt Partei eines Konfliktes werden - und damit ist allen gedient, das ist die Erfahrung aus dem Kalten Krieg. Deswegen gibt es gar keinen Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen.“

Was wurde an den Plänen geändert?

Die Union wollte vor der Regierungsbildung eine Rückkehr zur Wehrpflicht und stoppte das neue Wehrdienstgesetz. Sie forderte messbare Kriterien für den Erfolg eines zunächst freiwilligen Wehrdienstes – und setzte sich damit nun durch. „Auf Grundlage des militärischen Ratschlags wurde dafür ein Aufwuchspfad mit klar definierten Zielkorridoren festgelegt, der gesetzlich verankert und durch eine halbjährliche Berichtspflicht des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Deutschen Bundestag überprüft wird“, heißt es nun.

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CDU-Fraktionsvize Norbert Röttgen erläuterte, dass es für die Jahre 2026 bis 2035 jeweils einen „Korridor“ gebe: Für nächstes Jahr liege dieser bei 186.000 bis 190.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten, 2035 seien es dann 255.000 bis 270.000.

Wie sollen ganze Jahrgänge gemustert werden?

Die Militärverwaltung hat gut 18 Monate Zeit, um wieder eine Musterungsorganisation aufzubauen, die bis zu 300.000 Menschen im Jahr auf Eignung checken kann. Ältere haben daran und an sogenannte Kreiswehrersatzämter teils schlechte Erinnerungen. „Als ich damals gemustert worden bin, bin ich in ein ganz furchtbares Haus gekommen. Da hat es ganz furchtbar nach Bohnerwachs gerochen und die Menschen waren ganz deutlich unfreundlich zu mir“, sagte Falko Droßmann, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, in einer Anhörung im Bundestag. „Und dann haben sie mir an Sachen gefasst, wo man nicht hingefasst werden möchte.“

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Generalleutnant Robert Sieger vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr antwortete, er teile diese Bild von damals. Deswegen wolle man sich an Skandinavien orientieren. Er habe dort gesehen, dass die Durchführung der Musterung „insbesondere auch in Schweden hell, freundlich und positiv ist“. Sieger sagte: „Und genau da wollen wir auch hin.“ Die Musterung solle nicht in Kasernen stattfinden, sondern es solle mit einer „Anmietlösung“ gearbeitet werden.

Wehrdienstleistender oder gleich Soldat auf Zeit?

Pistorius hatte sich dafür starkgemacht, die neuen Rekruten gleich als sogenannte Soldaten auf Zeit in den Dienst zu nehmen. Da gibt es nun mit der Einigung eine Änderung: „Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt.“

Es bleibt aber bei einem Dienst, der mit höherer Bezahlung und zusätzlichen Ausbildungen wie Führerscheinen oder IT-Lehrgängen schmackhaft gemacht wird: „Wer freiwillig dient, erhält rund 2.600 Euro brutto monatlich. Ab einer Verpflichtungszeit von einem Jahr wird ein Führerscheinzuschuss für Pkw oder Lkw gewährt.“

Was bedeutet „Bedarfswehrpflicht“ und welche Rolle spielt das Losverfahren?

Schon jetzt soll für den Fall vorgesorgt werden, dass sich nicht genug junge Männer und Frauen freiwillig zum Dienst melden. Unter Abwägung der sicherheitspolitischen Lage soll der Bundestag dann entscheiden, ob eine sogenannte Bedarfswehrpflicht eingeführt wird.

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Das Parlament übt dann aber nur ein Recht aus, das ihm ohnehin zusteht, denn eine Mehrheit der Abgeordneten könnte die Wehrpflicht wieder einführen und auch mit der Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls einen solchen Automatismus auslösen. Bei der Bedarfswehrpflicht kann dann ein Zufallsverfahren zur Auswahl eingesetzt werden. Das umstrittene und von der Union vorgeschlagene Losverfahren noch vor einer Musterung ist damit aber vom Tisch.

Wird Freiwilligkeit funktionieren?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt auf Freiwilligkeit. Melden sich nicht genug junge Männer und Frauen zum Dienst, soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können. - © Kay Nietfeld/dpa
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt auf Freiwilligkeit. Melden sich nicht genug junge Männer und Frauen zum Dienst, soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können. | © Kay Nietfeld/dpa

Pistorius und andere führende SPD-Politiker betonen dies. Andere Stimmen – darunter auch der Militärhistoriker Sönke Neitzel – zweifeln daran und sprechen von einem „Prinzip Hoffnung“. Den Abgeordneten hielt er vor, sie führten eine Debatte losgelöst von der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, die für eine Wehrpflicht sei. „Also historisch betrachtet ist die Wehrpflicht im Frieden nie gerecht gewesen“, sagte er. Und: „Sie war immer gerecht im Krieg, weil dann alle Männer, die irgendwie laufen konnten, in der Armee dienen mussten. Aber im Frieden gab es dieses Problem immer, das ist uralt.“

Wie soll der neue Wehrdienst starten?

Ab dem kommenden Jahr erhalten alle 18-jährigen Männer und Frauen einen Fragebogen, der Motivation und Eignung erfasst und über weitere Formen des freiwilligen Engagements informiert. Union und SPD sind sich einig: „Für Männer ist die Beantwortung verpflichtend. Mit Inkrafttreten des Gesetzes beginnt zudem die verpflichtende Musterung der ab dem 1. Januar 2008 geborenen Männer, die schrittweise entsprechend dem Aufbau der Musterungskapazitäten auf den gesamten Jahrgang ausgeweitet wird.“

Wie geht es jetzt weiter?

Die verabredeten Änderungen müssen nun vom Verteidigungsausschuss in den ursprünglichen Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Danach kann der Bundestag darüber abstimmen. Das Gesetz soll zum Jahreswechsel in Kraft treten.