Asylpolitik

EU-Kommission: Deutschland muss 2026 keine weiteren Migranten aufnehmen

Brüssel legt fest, wie Migranten künftig fair innerhalb der EU verteilt werden sollen. Deutschland muss 2026 keine weiteren Geflüchteten übernehmen – vorerst.

Nach Einschätzung der EU-Kommission gehört Deutschland zu jenen Mitgliedstaaten, deren Aufnahmesysteme weiterhin stark belastet sind. | © Patrick Pleul/dpa

Sven Christian Schulz
11.11.2025 | 11.11.2025, 17:32

Deutschland muss im kommenden Jahr voraussichtlich keine weiteren Migrantinnen und Migranten aus anderen EU-Staaten aufnehmen – vor allem, weil es in den vergangenen Jahren bereits viele Geflüchtete aufgenommen hat. Nach Einschätzung der EU-Kommission gehört die Bundesrepublik zu jenen Mitgliedstaaten, deren Aufnahmesysteme weiterhin stark belastet sind.

Am Dienstag stellte EU-Migrationskommissar Magnus Brunner eine Liste jener Länder vor, die nach Auffassung der Kommission vorerst vom neuen Solidaritätsmechanismus befreit werden können. Dieser Mechanismus sieht ab Juni 2026 die jährliche Umsiedlung von mindestens 30.000 Migrantinnen und Migranten aus überlasteten Staaten vor. Aufgrund der Vielzahl neuer Flüchtlinge dürfen die vier Länder Griechenland, Zypern, Spanien und Italien Personen an andere Mitgliedstaaten weitergeben. Dem Vorschlag aus Brüssel muss noch eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmen.

„Unsere Politik zeigt bereits Wirkung: Die illegale Migration ist im vergangenen Jahr um 35 Prozent zurückgegangen“, betont Brunner. „Gleichzeitig ist offensichtlich, dass Deutschland schon vor dem Inkrafttreten des Pakts einen großen Teil dieser Solidarität getragen hat.“

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

Tatsächlich wird sich Deutschland 2026 anrechnen lassen können, dass hierzulande viele Geflüchtete leben, die zuerst in ein anderes EU-Land eingereist waren, dieses sie aber nicht zurückgenommen hat. Künftig sollen Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen stattfinden, sodass Geflüchtete gar nicht erst weiter nach Deutschland gelangen.

Zahl neuer Asylanträge in Deutschland soll auf null sinken

„Deutschland wird daher erheblich von der Reform unseres Asyl- und Migrationssystems profitieren“, sagt Brunner. Dazu gehörten die Registrierung neu ankommender Personen, Sicherheitsüberprüfungen und das neue Grenzverfahren. Mittelfristig soll die Zahl neuer Asylanträge in Deutschland auf null sinken. Erst dann wäre die Bundesrepublik verpflichtet, im Rahmen des Solidaritätsmechanismus wieder Migrantinnen und Migranten aus anderen Ländern aufzunehmen.

Zum Thema: Deutlich mehr Asyl-Ablehnungen für Syrer im Oktober

Der Solidaritätsmechanismus ist ein Kernstück des neuen Asyl- und Migrationspakts der EU. Er soll die Verantwortung für die Aufnahme und Bearbeitung von Asylanträgen gerechter zwischen den Mitgliedstaaten verteilen. Staaten, die keine Asylsuchenden übernehmen, müssen pro abgelehntem Antrag 20.000 Euro zahlen oder andere Formen der Unterstützung leisten, beispielsweise die Finanzierung von Grenzinfrastruktur. Ziel ist es, die bisherige Ungleichverteilung zu korrigieren, bei der vor allem südliche Länder wie Italien, Griechenland und Spanien den Großteil geflüchteter Menschen aufnehmen.

Nördliche und östliche Staaten setzen auf Zahlungen statt Aufnahme

Doch die praktische Umsetzung sorgte bereits in den vergangenen Monaten für heftige Diskussionen. Während südeuropäische Länder auf verpflichtende Umsiedlungen drängen, setzen viele nördliche und östliche Staaten auf Zahlungen statt Aufnahme. Belgien kündigte an, sich ausschließlich finanziell am Mechanismus zu beteiligen, da die Aufnahmezentren bereits voll seien. Andere Länder im Norden Europas teilen diese Haltung.

Finnlands Innenministerin Mari Rantanen sagte, ihre Regierung werde „selbstverständlich keine Migranten aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen“. Der schwedische Minister Johan Forssell betonte, sein Land habe in den vergangenen Jahren bereits „so viele“ Asylsuchende aufgenommen und werde künftig vor allem finanziell beitragen. Polen und Ungarn lehnen den Mechanismus grundsätzlich ab und verweigern jegliche Teilnahme an dem Verteilungsprogramm.

Südliche Staaten halten dagegen, dass Geld allein keine echte Solidarität darstellt. Sie verweisen darauf, dass finanzielle Beiträge den physischen und sozialen Belastungen der Grenzländer nicht gerecht werden. In ihren Augen kann Solidarität nur dann glaubwürdig sein, wenn sie auch reale Verantwortung für Menschen umfasst.