Nach Aufnahmezusage

Bundesregierung bietet Afghanen Geld für Einreiseverzicht

Afghanen, die in Pakistan auf ihre Ausreise nach Deutschland warten, sollen jetzt Geld erhalten – und dafür nach Afghanistan zurückkehren. Betroffene sind entsetzt.

Menschen aus Afghanistan, die zuvor mit einem Flugzeug auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen gelandet sind, in der Wartehalle. Afghanen, die in Pakistan noch auf ihre Ausreise warten, macht die Bundesregierung nun ein Angebot. | © Moritz Frankenberg/dpa

Can Merey
04.11.2025 | 04.11.2025, 20:08

Berlin. Die Bundesregierung bietet Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage für Deutschland Tausende Euro und Sachleistungen im Gegenzug für ein Ausscheiden aus dem Aufnahmeverfahren. Das geht aus einer E-Mail der sogenannten AFG-PAK Taskforce der staatlichen deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hervor, die dieser Redaktion vorliegt und Hunderte Afghanen betrifft. Darin wird den meist in Pakistan auf die Ausreise wartenden Personen eine Frist für eine Entscheidung bis zum 17. November gesetzt. Betroffene zeigten sich entsetzt.

„Die Bundesregierung hat beschlossen, freiwillige Aufnahmeprogramme für gefährdete Afghanen und Afghaninnen zu beenden“, heißt es in der Mail der GIZ an die Betroffenen.

„Die aktuelle Lage in Pakistan setzt der abschließenden Prüfung eine zeitliche Grenze. Die hiesigen Verfahren müssen bis Jahresende 2025 vollständig abgeschlossen sein. Leider ist nicht garantiert, dass alle Verfahren rechtzeitig abgeschlossen werden können. In Anbetracht dieser aktuellen Situation bietet das Bundesministerium des Innern Ihnen Unterstützungsoptionen an, sollten Sie sich entscheiden, das Aufnahmeverfahren zu verlassen.“

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Finanzhilfe auch nach Ankunft in Afghanistan

Dabei geht es um finanzielle Unterstützung vor der Ausreise aus Pakistan und eine Starthilfe für die Zeit nach der Rückkehr nach Afghanistan. In zwei dieser Redaktion bekannten Fällen lag die Gesamtsumme jeweils im niedrigen fünfstelligen Bereich. Zusätzlich werden Sachleistungen angeboten, beispielsweise Hilfe bei der Ausreise aus Pakistan. Nach der Ankunft in Afghanistan sollen Betroffene bei Unterkunft, Verpflegung sowie medizinischer und psychosozialer Versorgung drei Monate lang unterstützt werden.

Bundesaufnahmeprogramm: Flug mit Afghanen in Deutschland gelandet

„Mit Inanspruchnahme dieser Maßnahmen erklären Sie, dass Sie und Ihre gemeldeten Familienangehörigen aus dem Verfahren ausscheiden und auf die weitere Bearbeitung ihres Vorgangs verzichten“, heißt es in der Mail weiter. „Eine spätere Wiederaufnahme in das Verfahren ist ausgeschlossen.“ Aus der E-Mail geht nicht hervor, was geschieht, sollten Betroffene das Angebot ablehnen.

Anwalt kritisiert Angebot an Afghanen als „sittenwidrig“

Der Bremer Anwalt Farhad Bahlol, der rund zwei Dutzend auf die Ausreise wartende Afghanen vertritt, kritisierte das Angebot scharf. „Aus meiner Sicht ist es sittenwidrig“, sagte er. „Ich würde davon abraten, es anzunehmen.“

Betroffen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen rund 165 Fälle aus einem der Aufnahmeprogramme – mit Familien soll es sich um rund 660 Menschen handeln. Eine Afghanin sagte dieser Redaktion, der ihrer Familie von der Bundesregierung angebotene Betrag decke gerade einmal die bisherigen Kosten für Pässe und Visa. „Wir haben alles zurückgelassen, in der Hoffnung, in einem sicheren Land leben zu können. Ich habe Kabul verlassen, weil ich dort in Gefahr war.“ Sie fügte hinzu: „Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.“

Scharfe Kritik kam auch von der Hilfsorganisation Medico International. „Menschenrechte sind nicht verkäuflich, doch die Bundesregierung tut so, als ob sie einen Warenpreis wie im Supermarkt hätten“, sagte Geschäftsführer Tsafrir Cohen. „Mit dem Schreiben nutzt die Bundesregierung die desaströse humanitäre wie finanzielle Situation der Antragstellerinnen und Antragsteller schamlos aus.“