Innenpolitische Krise

Frankreichs Premier muss sich Misstrauensanträgen stellen

Premier Lecornu muss sich einem Misstrauensvotum in der Nationalversammlung stellen. | © Michel Euler/AP/dpa

16.10.2025 | 16.10.2025, 04:47

Frankreichs Premier Sébastien Lecornu und sein neues Kabinett müssen sich an diesem Donnerstag Misstrauensanträgen der Linkspartei und der nationalen Rechten stellen. Dass der Premier und seine Mitte-Rechts-Regierung bei der Abstimmung in der Nationalversammlung in Paris gestürzt werden, wird als wenig wahrscheinlich angesehen. Die seit längerem andauernde politische Krise in Frankreich könnte sich damit vorerst beruhigen.

Lecornu macht Zugeständnisse an die Opposition

Lecornu hatte am Dienstag ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron angekündigt und sich mit diesem Zugeständnis an die Opposition die Unterstützung der Sozialisten gesichert. Diese hatten ein Aussetzen der Reform gefordert und zur Bedingung für eine Duldung der neuen Regierung gemacht. Da die Parteien keinen Fraktionszwang bei Abstimmungen praktizieren, bleibt das Ergebnis aber offen.

Ein Sturz der Regierung in Paris würde auch der Wirtschaft schaden (Archivbild). - © Thibault Camus/AP/dpa
Ein Sturz der Regierung in Paris würde auch der Wirtschaft schaden (Archivbild). | © Thibault Camus/AP/dpa

Dem nun anstehenden Misstrauensvotum waren bereits turbulente Wochen in der französischen Politik vorangegangen. Im Streit um einen Sparhaushalt scheiterte Lecornus Vorgänger François Bayrou, er verlor Anfang September eine Vertrauensfrage. Macron ernannte Lecornu zum Premier, der nach nur vier Wochen im Amt nach internem Streit hinschmiss, von Macron aber ins Amt zurückgeholt wurde.

Sollte die Regierung in Paris stürzen, würde dies Macron erheblich unter Druck setzen (Archivbild). - © POOL/Pool AFP/AP/dpa
Sollte die Regierung in Paris stürzen, würde dies Macron erheblich unter Druck setzen (Archivbild). | © POOL/Pool AFP/AP/dpa

Beratungen über Sparhaushalt und Rentensystem stehen an

Wenn Lecornu das Misstrauensvotum übersteht, können Regierung und Parlament in die schwierigen Beratungen über einen Sparhaushalt einsteigen, den der Premier am Dienstag vorgelegt hat. Auch zum Reformieren des Rentensystems steht dann eine neue Debatte an.

Ein gelungener Neustart Lecornus wird auch als Macrons letzte Chance angesehen, seine bis 2027 laufende zweite Amtszeit ohne weitreichenden Ansehensverlust zu überstehen. Er ist in der jüngsten Krise verstärkt in die Kritik geraten. Teile der Opposition fordern seinen Rücktritt und auch in den eigenen Reihen hat sich Unmut breit gemacht.

Politische Lage in Frankreich ist verfahren

Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in mehrere politische Blöcke geteilt, die jeweils allein keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden. Vielmehr blockieren sie sich gegenseitig. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich. Lecornus neues Kabinett ist bereits die vierte Regierung seit der Wahl.

Sollten der Premier und seine Regierung wider Erwarten stürzen, dürften wahrscheinlich eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen folgen. Dass Macron abermals auf die Suche nach einem neuen Premier geht und diesen mit der Bildung einer weiteren Regierung beauftragt, gilt als unwahrscheinlich.

Ein Regierungssturz würde zudem die finanziellen Probleme des hoch verschuldeten Landes verstärken. Damit Frankreich Ende des Jahres nicht ohne einen Haushalt für 2026 dasteht, hatte Lecornu gerade noch innerhalb der Frist am Dienstag einen Budgetentwurf eingebracht. Dieser wäre mit einem Regierungssturz hinfällig und Frankreich müsste erst einmal mit einem Übergangshaushalt in das kommende Jahr starten, was Unsicherheit schafft und zum Aufschub staatlicher Ausgaben führt. Dies wäre ein negatives Signal an Investoren und die Privatwirtschaft.

Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die Europäische Union hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.