Ende des Bürgergelds

Grundsicherung statt Bürgergeld: Was Sie zu den Reformplänen der Koalition wissen müssen

Strengere Sanktionen, weniger Schonvermögen, Pflichtberatung: Die Koalition will das Bürgergeld reformieren und nennt es künftig „Grundsicherung“.

Das Bürgergeld soll von der "Grundsicherung" abgelöst werden. | © IMAGO/Bihlmayerfotografie

Christiane Jacke
10.10.2025 | 10.10.2025, 16:09

Union und SPD haben ihre Pläne für die lange versprochene Bürgergeldreform vorgestellt. Der Hauptpunkt: mehr Härte und Sanktionen. Auch semantisch will sich die Koalition vom bisherigen System absetzen – mit einem neuen Namen: schlicht Grundsicherung. Eine Übersicht über die Pläne rund um das Hilfssystem für Arbeitslose, Arbeitssuchende und deren Angehörige.

Die Koalition will an diversen Stellen Strafen deutlich verschärfen. Schon jetzt können Leistungen gekürzt werden, wenn Bürgergeldempfänger sich etwa wiederholt weigern, angebotene Arbeit anzunehmen, Weiterbildungen abbrechen oder Termine beim Jobcenter ausfallen lassen. Bisher gibt es mehrere Eskalationsstufen: eine Kürzung des Regelsatzes um 10, 20, dann 30 Prozent – und im Extremfall eine komplette Streichung für bis zu zwei Monate. Kosten für Miete und Heizung sind von Strafen bis jetzt unberührt. All das soll sich ändern.

Zum einen soll es schon bei „Meldeversäumnissen“ deutlich härtere Strafen als bislang geben: Wer zwei Termine in Folge beim Jobcenter ohne triftigen Grund verpasst, dem soll der Regelsatz direkt um 30 Prozent gekürzt werden. Die bisherigen Sanktionsstufen fallen weg. Verstreicht auch ein dritter Termin ungenutzt, wird die Geldleistung komplett eingestellt. Und wer auch im Monat darauf nicht erscheint, dem sollen sogar die Kosten der Unterkunft – also Heizung und Miete – nicht mehr bezahlt werden. An die Mietkosten Hand anzulegen, war bislang tabu.

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Das passiert mit „Arbeitsverweigerern“

Schon jetzt kann das komplette Bürgergeld in bestimmten Fällen für bis zu zwei Monate gestrichen werden, wenn Betroffene wiederholt Arbeit ablehnen. Künftig soll bei der ersten „Pflichtverletzung“ die Geldleistung direkt um 30 Prozent gekürzt werden. Wird Arbeit verweigert, soll künftig gar kein Geld vom Staat mehr auf dem Konto landen. Die Kosten der Unterkunft sollen dann zwar weiter übernommen werden, denn hier haben Gerichte Grenzen gesetzt. Die Mietzahlungen sollen in dem Fall aber direkt an die Vermieter fließen. Wie lange solche Vollsanktionen künftig gelten sollen, ist noch nicht festgelegt – womöglich länger als bisher.

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Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) betonte: „Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“ Oppositionspolitiker, Gewerkschafter und Sozialverbände zweifeln aber an, dass es verfassungsgemäß ist, auch die Miet- und Heizkosten anzutasten. DGB-Chefin Yasmin Fahimi etwa sagte im Interview mit dieser Redaktion eine „Klagewelle“ voraus. Selbst in der Koalition sind sich nicht alle sicher, dass dies vor Gerichten standhalten wird.

Prüfung der Angemessenheit von Wohnungen nach einem Jahr

Bislang wird die Angemessenheit der Wohnung von Bürgergeldbeziehern erst nach zwölf Monaten geprüft – solange werden die Mietkosten ohne Prüfung übernommen. Das wollen Union und SPD ändern: In Fällen, in denen „unverhältnismäßig hohe Kosten“ für die Unterkunft vorliegen, wollen sie die Karenzzeit künftig streichen. Bei welchen Kosten die Grenze liegen soll, ist noch unklar. Aus der Koalition heißt es, diese Änderung werde voraussichtlich nur sehr wenige Menschen treffen.

Bürgergeld bekommen nur hilfebedürftige Personen. Das heißt, wer Erspartes hat, muss zunächst davon leben, bis es Unterstützung vom Staat gibt. Bislang gilt jedoch auch hier eine Karenzzeit mit einer etwas großzügigeren Regel: In den ersten zwölf Monaten bleibt bisher ein Vermögen von bis zu 40.000 Euro für Alleinstehende geschützt. Leben weitere Personen, etwa Partner oder Kinder, im Haushalt, erhöht sich dieses „Schonvermögen“ um jeweils 15.000 Euro.

Freibetrag sinkt auch für Antragssteller

Nach dem Ablauf der Karenzzeit sinkt der Freibetrag auch für Antragsteller auf 15.000 Euro. Die Koalition will die Karenzzeit nun abschaffen. Die Höhe des Schonvermögens soll außerdem künftig nicht mehr ein fester Betrag sein, sondern wird an die „Lebensleistung“ gekoppelt – an das Alter oder die bisherigen Beitragszeiten in der Arbeitslosenversicherung. Details dazu sind noch offen.

Die Koalition hat das Ziel ausgegeben, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, etwa durch eine engere Betreuung in Jobcentern. Ein Fokus liegt dabei darauf, Alleinstehenden Vollzeitjobs zu verschaffen. Langzeitarbeitslose sollen häufiger zum Termin gebeten werden. Auch Eltern mit kleinen Kindern unter drei Jahren sollen gezielt angesprochen werden und ab dem 1. Lebensjahr des Kindes verpflichtend beraten werden – bislang ist das für Jobcenter kein Muss. Insgesamt sind die Pläne zur Arbeitsmarktintegration aber weniger konkret als die zu den Sanktionen.

Ausführlicher Entwurf muss ausgearbeitet werden

Zunächst muss das Arbeitsministerium von Bas aber noch einen ausführlichen Entwurf ausarbeiten. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, er rechne mit Beratungen im Bundestag noch in diesem Jahr und einem Beschluss Anfang des kommenden Jahres. Dann könne das Gesetz spätestens im Frühjahr in Kraft sein.