Die wichtigsten Antworten

Neuer Wehrdienst: Was junge Menschen jetzt wissen müssen

Ab 2026 will die Bundesregierung den freiwilligen Wehrdienst neu beleben. Was das bedeutet, wer angeschrieben wird und welche Chancen der Dienst bietet, beschreiben wir hier.

Es gibt grünes Licht aus dem Bundeskabinett für einen neuen Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit setzt. | © Malin Wunderlich/dpa

22.10.2025 | 22.10.2025, 12:13

Berlin (dpa/hebu/epd). Viele junge Menschen werden sich bald wieder mit einer alten Frage beschäftigen müssen: Soll ich zur Bundeswehr gehen – oder nicht?

Seit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Frühjahr ein neues Wehrdienstmodell vorgeschlagen hat, läuft im Bundestag eine Grundsatzdebatte über die Zukunft der deutschen Verteidigungspolitik. Im Raum steht nicht nur die Frage, ob die Wehrpflicht in absehbarer Zeit zurückkommt, sondern auch, wie sie in einer modernen Gesellschaft aussehen kann.

Union und SPD wollen ab 2026 zunächst auf Freiwilligkeit setzen und nur im Notfall auf eine Pflicht umsteigen. Unklar ist, ab wann genau diese greifen soll. Klar ist hingegen: Die Bundeswehr kämpft mit Personalmangel, und Deutschland sucht nach Antworten auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen einer veränderten Weltlage. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den geplanten Wehrdienst und seine Folgen für junge Menschen.

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Ab wann würde die Wehrpflicht gelten?

Bisher setzt die Bundesregierung auf Freiwilligkeit. Ab 2026 soll zunächst ein neuer freiwilliger Wehrdienst kommen. Pistorius zielt zu dem Zweck darauf ab, die Bundeswehr attraktiver zu machen. Freiwillige würden von Beginn an als Soldaten auf Zeit eingestellt – mit entsprechend höherem Sold. Pistorius spricht von rund 2.300 Euro netto im Monat. Dazu kämen kostenlose ärztliche und zahnärztliche Versorgung sowie die Möglichkeit einer Bezuschussung für den Führerschein.

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Sollte sich die Sicherheitslage verschärfen und der Bedarf an Freiwilligen nicht gedeckt sein, könnte die Wehrpflicht wiedereingeführt werden. Dafür wäre ein gesonderter Beschluss des Bundestages nötig.

Warum gibt es das neue Gesetz zum Wehrdienst?

Die Bundeswehr benötigt etwa 80.000 zusätzliche, aktive Soldaten. Die Nato hält für Deutschland eine Größenordnung von 260.000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe für erforderlich, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten. Fast 183.000 Soldatinnen und Soldaten gehören der Bundeswehr derzeit an (Stand: 31. Juli 2025). Seitens des Bundesverteidigungsministeriums heißt es: Nach einer ersten Grobeinschätzung werden insgesamt ca. 460.000 Soldatinnen und Soldaten für die aktive Truppe und die Reserve benötigt.

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Dabei soll der Wehrdienst vor allem die Grundlage für eine größere Reserve schaffen. Geplant ist, mit 15.000 neuen Wehrdienstleistenden zu beginnen und eine verpflichtende Musterung ab 2027 einzuführen.

Ziel des neuen freiwilligen Wehrdienstes ist es laut der Bundesregierung, bis 2029 auf jährlich 30.000 zu kommen und dann 110.000 Wehrdienstleistende ausgebildet zu haben. - © dpa
Ziel des neuen freiwilligen Wehrdienstes ist es laut der Bundesregierung, bis 2029 auf jährlich 30.000 zu kommen und dann 110.000 Wehrdienstleistende ausgebildet zu haben. | © dpa

Was sieht das neue Wehrdienst-Modell zentral vor?

Der neue Wehrdienst richtet sich an die 18- bis 25-Jährigen. Laut Bundesverteidigungsministerium sei vorgesehen, dass alle Männer und Frauen ab ihrem 18. Geburtstag einen Fragebogen auf QR-Code-Basis erhalten, in dem persönliche Daten und Qualifikationen sowie die Bereitschaft zu einem Dienst bei der Bundeswehr erfragt werden. Die Beantwortung wird mit dem Jahrgang 2008 beginnen und für Männer verpflichtend sein, für Frauen freiwillig. Wer sich bereit erklärt, kann dann rekrutiert werden.

Gibt es weitere Pflichten beim neuen Wehrdienst?

Ja, ab 1. Juli 2027 soll es wieder eine verpflichtende Musterung geben, an der alle 18-jährigen Männer teilnehmen müssen. Das Verteidigungsministerium will damit ein Lagebild über die gesundheitliche Eignung erhalten.

Welche Angebote werden Wehrdienstleistenden gemacht?

Im Rahmen des neuen Wehrdienstes soll es laut Bundesverteidigungsministerium Verpflichtungszeiten zwischen sechs und bis zu 23 Monaten geben, als länger dienende Zeitsoldaten gibt es Verpflichtungszeiten von bis zu 25 Jahren.

„Wir ermöglichen eine bestmögliche Qualifikation, gerade bei denen, die länger bleiben“, sagt Pistorius und nennt Sprachkurse, Führerscheine und IT-Lehrgänge. Der Sold werde bei 2.300 Euro netto liegen, wobei Unterkunft und ärztliche Versorgung kostenfrei sind.

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Pistorius machte deutlich, dass er von einem Erfolg freiwilliger Angebote im Wehrdienst überzeugt sei. Er verwies auf steigende Zahlen - noch bevor zusätzliche Anreize wirken. „Wir haben für dieses Jahr 15.000 angepeilt und sind jetzt im August schon bei knapp 13.000 angelangt“, sagt Pistorius. Ziel sei es, bis 2029 auf jährlich 30.000 zu kommen und dann 110.000 Wehrdienstleistende ausgebildet zu haben.

Warum gelten die Pflichten nur für Männer?

Die im Grundgesetz vorgesehene und 2011 ausgesetzte Wehrpflicht betrifft nur Männer. Würde man auch Frauen verpflichten wollen, müsste man die Verfassung ändern, wofür Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat notwendig wären. Da solche Mehrheiten mit AfD und Linkspartei im Parlament derzeit nicht absehbar sind, setzt die Bundesregierung bei den Frauen auf Freiwilligkeit.

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Was passiert, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden?

Was passiert bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen? Die Bundesregierung ringt um ein neues Wehrdienstgesetz. Der Streit der vergangenen Tage drehte sich vor allem darum, wie verfahren werden soll, wenn sich nicht genügend Freiwillige für die Bundeswehr finden und ob künftig alle jungen Männer wieder gemustert werden sollen. Dafür setzt sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ein.

Fachpolitiker von Union und SPD schlugen stattdessen vor, bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen junge Männer per Losverfahren zur Musterung und, wenn nötig, später auch per Zufallsauswahl für einen Pflichtdienst heranzuziehen.

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Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen ein Losverfahren im Zuge eines neuen Wehrdienstgesetzes. In einer Umfrage des Instituts Insa für die „Bild am Sonntag“ hielten 60 Prozent eine Regelung für falsch, bei der – wenn es zu wenige Freiwillige gibt – gelost werden soll, wer gemustert und unter Umständen zu einem sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet wird. Nur 21 Prozent der Befragten befürworteten eine solche Lösung. Elf Prozent gaben an, ihnen sei die Regelung egal, acht Prozent machten keine Angaben.

Wie steht der Bundeswehrverband zum Entwurf?

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, beklagte vor der Kabinettssitzung Mängel an dem Gesetzesvorhaben. Der Entwurf sei eine Verbesserung, greifen aber angesichts der Probleme bei der Personalgewinnung „immer noch zu kurz“, sagte Wüstner in Berlin.

Er verwies dabei auch auf die weitgehend stagnierende Personalentwicklung bei den Zeit- und Berufssoldaten, den „Profis“ im Militär. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums betrug deren Zahl zum Jahreswechsel 170.800 Männer und Frauen, mit Stand 1. Juli 171.650 Soldaten.