Kulturkampf im Trump-Lager

Wenn „Free Speech“-Anwalt Elon Musk Zuwanderungsgegner als „Vollidioten“ beleidigt

Zwischen Trump-Unterstützern tobt ein wilder Kulturkampf über die Zuwanderung. Die Tech-Milliardäre sind auf ausländische Fachkräfte angewiesen, eine umstrittene Bloggerin hält dagegen – sehr zum Missfallen des X-Eigners.

Elon Musk spricht mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump. | © Brandon Bell/Getty Images North

Karl Doemens
29.12.2024 | 29.12.2024, 12:48

Washington. Ausnahmsweise richtete sich der maßlose Zorn des exzentrischen Unternehmers nicht gegen „woke“ Linksradikale. Der Trump-Buddy ist vielmehr über Teile der rechten Basis des neuen Präsidenten aufgebracht, die er als „Vollidioten“ beschimpft.

Seit einer Woche brodelt der Streit. Über die Weihnachtstage ist er bei X so eskaliert, dass Trumps einstiger Chefideologe Steven Bannon ironisch nach einem Aufseher des Jugendamtes rief: „Jemand muss einen Gesundheitscheck bei diesem Kleinkind durchführen.“

Im Kern dreht sich die lautstarke Auseinandersetzung um eine Abkürzung: H-1B. Dahinter verbergen sich Visa für jährlich maximal 85.000 ausländische Hochschulabsolventen, die für drei Jahre in die USA einreisen dürfen. Musk, ein eingebürgerter Migrant aus Südafrika, hatte einst selbst eine solche Bescheinigung gehabt. Sein Geschäft hängt – wie das vieler Tech-Unternehmen im Silicon Valley – von hochqualifizierten IT-Experten aus Indien ab, weshalb er auf eine Ausweitung der Regelung dringt.

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Trumps rassistische Kampagne wirkt nach

Im Wahlkampf aber hatte Trump pauschal gegen Einwanderer gewettert, die er als „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“ verunglimpfte und denen er vorwarf, „das Blut unseres Landes zu vergiften“. Entsprechend aufgeheizt ist nun die Stimmung an der Basis der Make-America-Great-Again-Bewegung (MAGA).

Vor diesem Hintergrund ist eine regelrechte Schlacht zwischen rechtslibertären Tech-Oligarchen und rechtsnationalistischen Ideologen im Trump-Orbit entbrannt. Auslöser war die Berufung des Wagniskapitalgebers Sriram Krishnan zum Präsidentenberater für Künstliche Intelligenz, der sich für eine Erleichterung der Zuwanderung ausgesprochen hatte. „Unser Land wurde von weißen Europäern aufgebaut, nicht von Invasoren aus der Dritten Welt“, protestierte die Bloggerin Laura Loomer in einem rassistischen Post bei X, wo sie 1,4 Millionen Follower hat.

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Als rechtsradikale Verschwörungsideologin hat Loomer zwar einen zweifelhaften Ruf. Das hinderte Trump im Herbst aber nicht daran, von der 31-Jährigen so zu schwärmen, dass Gerüchte über eine Affäre die Runde machten. Der Kommentar sei „primitiv“, hielt der einstige Paypal-Chef und Trump-Berater David Sacks nun zunächst vorsichtig dagegen.

Elon Musk hat Donald Trump im Wahlkampf unterstützt. - © Evan Vucci/AP/dpa
Elon Musk hat Donald Trump im Wahlkampf unterstützt. | © Evan Vucci/AP/dpa

Ramaswamy beklagt „amerikanische Mittelmäßigkeit“

Die von den Unternehmen benötigte Expertise existiere in Amerika „schlichtweg nicht in der erforderlichen Menge“, assistierte dann Musk in knallhartem Managersprech. Sein Kumpel Vivek Ramaswamy, mit dem er eine Bürokratiekommission leiten soll, wurde grundsätzlicher: Die „amerikanische Kultur der Mittelmäßigkeit“ sei schuld am Fehlen von Spitzenkräften.

Derweil ist die Debatte bei X längst zu einem Grundsatzstreit über die wahren MAGA-Verfechter geworden. Loomer wirft Musk vor, den Präsidenten aus reinen Geschäftsinteressen zu unterstützen und von seiner treuen Basis zu entfremden: „Ich versuche Präsident Trump zu beschützen.“ Der Milliardär bezeichnete Einwanderungsgegner wie Loomer als „verachtenswerte Narren“, die mit Stumpf und Stiel aus der Partei entfernt werden müssten.

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Die Anwürfe von Loomer nerven den einstigen „Free Speech“-Aktivisten offenbar so sehr, dass er die X-Nutzer tatsächlich warnte, mit dem „Troll“ zu interagieren („sie gewinnt, wenn Du antwortest“), was eigentlich das Geschäftsmodell seiner Plattform ist. Dann ließ er offenbar Loomers Account zeitweise sperren und erkannte der Aktivistin nach deren Angaben den blauen Verifizierungshaken ab. „Das ist reine Zensur“, empört sich Loomer. „Kommt das auf uns zu: Ein Milliardär macht Menschen mundtot, die er nicht mag?“

Seit einer Woche brodelt der Streit. Über die Weihnachtstage ist er bei X eskaliert. - © Algi Febri Sugita/ZUMA Press Wir
Seit einer Woche brodelt der Streit. Über die Weihnachtstage ist er bei X eskaliert. | © Algi Febri Sugita/ZUMA Press Wir

Trump: „Ich habe die Visa immer gemocht“

Die MAGA-Welt befindet sich in Aufruhr. Doch Trump blieb zunächst bemerkenswert ruhig. Erst am Samstag meldete er sich in dem rechten Boulevardblatt „New York Post“ zu Wort. „Ich habe die Visa immer gemocht“, sagte der designierte Präsident: „Ich beschäftige viele H-1B-Visainhaber auf meinen Grundstücken. Das ist ein großartiges Programm.“

Ob damit der Streit beigelegt ist, erscheint freilich fraglich. Nicht nur dürften die Ressentiments der Trump-Wähler gegen Ausländer kaum einfach verfliegen. Auch sind die Kellner und Köche in seinen Clubs, auf die sich Trump offenbar bezieht, kaum mit dem Spezialisten-Programm ins Land gekommen. Das für Trump einschlägige Saisonarbeiter-Visum heißt H-2B. Mit den von Musk gewünschten indischen IT-Experten hat es nichts zu tun.