CDU-Politiker Carsten Linnemann: „Wir arbeiten mit der AfD nicht zusammen“

Herr Linnemann, Sie sind gerade im Wahlkampf unterwegs. Was bewegt die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und Thüringen? Carsten Linnemann: Viele Menschen haben beispielsweise das Gefühl, dass sie Dinge nicht mehr offen aussprechen können und in die rechte Ecke gerückt werden. Es ist unglaublich wichtig, dass sich die CDU für eine offene Diskussionskultur einsetzt. >>> Alles zu Carsten Linnemann Würden Sie sagen, dass Deutschland keine offene Diskussionskultur hat oder ist das eher eine gefühlte Wahrheit mancher Leute? Das Problem ist vielmehr, dass die Fronten sich wahnsinnig verhärtet haben. Man redet nicht mehr miteinander, sondern eher aneinander vorbei. Das ist Gift für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Deswegen bin ich für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, um Verständnis zwischen allen Gruppen zu fördern und die Menschen aus ihren Blasen zu holen. Wenn wir auf Thüringen oder Sachsen schauen, könnte eine Mehrheitsregierung nur mit dem BSW möglich werden. Haben die CDU-Landesverbände komplette Beinfreiheit im Umgang mit der Wagenknecht-Partei? Grundsätzlich entscheiden bei uns die Landesverbände selbst über Koalitionen. Darüber hinaus gibt es eine klare Beschlusslage, die unser Parteitag einstimmig gefällt hat: nicht mit der AfD und nicht mit den Linken. Sahra Wagenknecht hat Koalitionsbedingungen genannt: die Friedensfrage und die Ablehnung der Mittelstreckenraketenstationierung. Kann die CDU mitgehen? Frau Wagenknecht diktiert aus dem Saarland heraus, wie sich das BSW in Sachsen oder Thüringen zu verhalten hat. Sie selbst steht nicht zur Wahl und ihre Einlassungen haben mit der Politik in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg nichts zu tun. Unsere Position zur Ukraine ist sehr klar und wir lassen uns hier keine Bedingungen auferlegen. Die Stationierung von Mittelstreckenraketen wird in Berlin und nicht in Erfurt entschieden. Trotzdem ist die CDU bei dem Thema derzeit zurückhaltend. SPD-Chef Lars Klingbeil nennt das &bdquo;prinzipienlos“. Herr Klingbeil versucht, über persönliche Angriffe von dem Streit in seiner eigenen Partei abzulenken. Unsere Haltung ist klar: Wir stehen an der Seite der Ukraine. Und wenn einer Prinzipien hat, dann ist es Friedrich Merz. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist außenpolitisch moderater, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Warum keine Koalition mit der Linkspartei? Weil die Linke radikale Gruppen in ihrer Partei duldet. Bodo Ramelow ist ein Radikaler? Es geht nicht um Herrn Ramelow, sondern um seine Partei. In den Kommunen ist es bereits zu Zusammenarbeiten mit der AfD gekommen. Kann oder will die Bundespartei nicht mehr durchgreifen? Haben Sie die Frage auch schon Frau Lang von den Grünen gestellt, deren Partei im baden-württembergischen Backnang mit der AfD gestimmt hat? Die Abgrenzung zur AfD gilt für alle Parteien. Ich spreche gerade mit Ihnen und nicht mit Frau Lang. Ich will sagen: Das ist keine Frage, die nur die CDU angeht. Wir arbeiten mit der AfD nicht zusammen. Klar ist aber auch: Wenn es einen AfD-Landrat wie in Sonneberg gibt und es geht um eine Kitaerweiterung, da kann man doch das Telefon nicht klingeln lassen. Das ist dann keine Zusammenarbeit? Nein. Hier geht es darum, ein demokratisches Wählervotum zu akzeptieren und einen gewählten kommunalen Spitzenbeamten nicht zu ignorieren. So sieht es auch der Deutsche Landkreistag. Zusammenarbeit würde bedeuten, dass AfD und CDU sich hinsetzen und aufschreiben, was sie gemeinsam vorhaben, etwa in einem Koalitionsvertrag oder durch gemeinsame Absprachen. Und genau das darf es nicht geben. Lesen Sie auch: Wie umgehen mit der AfD in den Kommunen? Laut einer Forsa-Umfrage befürwortet fast die Hälfte der CDU-Mitglieder eine Zusammenarbeit mit der AfD. Im Osten sind es mehr. Laufen Sie in ein großes Problem? In der Umfrage geht es um punktuelle Zusammenarbeit auf kommunaler und Länder-Ebene. Und auch die lehnt eine Mehrheit entschieden ab. Unabhängig davon gilt unser eindeutiger und einstimmig gefasster Parteitagsbeschluss von 2018. Keine Zusammenarbeit mit der AfD. Zum Haushalt: Die Regierung muss Geld sparen und streitet sich. Was erwarten Sie von der Ampel? Die ganze Haushaltsdebatte ist ein Trauerspiel, auch weil sie keine Zukunftsvision erkennen lässt. Zudem beschädigt die Ampel mit ihren ständigen Streitereien das Vertrauen in den Staat. Das muss aufhören! Denn sonst profitieren nur die politischen Ränder. Lesen Sie auch: Linnemann zu JU-Chef aus Kreis Paderborn: &bdquo;Wir brauchen Typen wie dich“ Die FDP hat den Vorschlag gemacht, den Bürgergeldregelsatz zu kürzen, um Geld zu sparen. Finden Sie 563 Euro für Alleinstehende auch zu hoch? Es geht um die Inflationsentwicklung, die von der Ampel als viel zu hoch eingeschätzt wurde. Deshalb passen die Erhöhungen nicht. Es gab in den vergangenen zwei Jahren eine Erhöhung des Bürgergeldes um 25 Prozent. Davon können Arbeitnehmer nur träumen. Sie wollen das Bürgergeld zurücknehmen und eine &bdquo;Neue Grundsicherung“ einführen. Möchten Sie den Regelsatz im Zuge dessen kürzen? Der Regelsatz ist nicht das Hauptproblem, sondern das System, das aktuell nur noch fördert, aber nicht fordert. Wir müssen Menschen in Arbeit bringen, die arbeiten können. 20 Prozent der Empfänger arbeitet bereits und stocken auf. Es gibt Zehntausende von Bürgergeldempfängern, die genau 100 Euro verdienen und das Bürgergeld um genau diesen Betrag aufstocken. Denn: 100 Euro dürfen sie behalten von ihrem Minijob, danach müssen sie 80 Prozent abgeben. Es gibt keinen Anreiz, in Vollzeit zu wechseln. Lesen Sie auch: Jeder neunte Bürgergeld-Haushalt zahlte bei Wohnkosten drauf Was würden Sie ändern? Fokus auf Vollzeit. Wer Vollzeit arbeiten kann, sollte dies auch tun, um endlich herauszukommen aus dem Bürgergeldbezug. Wie lässt sich noch Geld einsparen? Mehrere Milliarden im Haushalt wegzukürzen, scheint nicht einfach zu sein, wie wir gerade sehen. Es geht um eine Haushaltslücke von fünf Milliarden, das ist ungefähr ein Prozent des Haushaltes. Dem gegenüber stehen Steuereinnahmen von einer Billion Euro. Wenn die Ministerien nicht bereit sind, den Rotstift anzusetzen, dann muss die Ampel die Rasenmäher-Methode anwenden. Die Verteidigungsfähigkeit darf davon nicht betroffen sein, aber bei den anderen Ressorts: Rasenmäher. Außerdem müssen wir bei unseren Verwaltungen sparen. Und zwar? Ein Beispiel: Der Bundestag wird wegen der Wahlrechtsreform von 733 Abgeordneten auf 630 sinken. Gleichzeitig muss auch die Bundestagsverwaltung mit ihren 3.000 Beschäftigten schrumpfen – wie der Bundestag um 15 Prozent. Obwohl mir selbst das zu wenig erscheint. Da muss man noch mutiger sein. Das lässt sich sozialverträglich gestalten. Ihr Parteikollege Michael Kretschmer fordert zwei Sondervermögen: 100 Milliarden Euro für die Bahn, 10 Milliarden Euro für die kommunale Ebene. Geht die Bundesspitze mit? Wenn wir mehr Geld haben, wird nicht schneller gebaut. Wir müssen stattdessen an die verkrusteten Strukturen ran. Meine These ist: Je mehr Schulden wir machen, desto weniger Druck entsteht, diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Einige der Unions-Ministerpräsidenten fordern aber eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Geld zur Verfügung zu haben. Die Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist, ist gut. Auch mit ihr lassen sich neue Schulden machen; in diesem Jahr sind es fast 40 Milliarden. Wir brauchen ein Instrument, das den Hunger des Staates nach immer neuen Schulden begrenzt. Alles andere wäre gerade auch mit Blick auf nachkommende Generationen unverantwortlich. Warum nimmt die CDU an der &bdquo;Berlin Campaign Conference“, obwohl Maga-Republikaner dabei sind und der Think-Tank dahinter eine Führung gegen Geld im Adenauer-Haus angeboten hatte? Einladungen ins Konrad-Adenauer-Haus sind nie an eine finanzielle Gegenleistung gebunden, auch nicht der politische Austausch mit der CDU, ihren Abgeordneten und Mitarbeitern. Als wir erfuhren, was der Think-Tank da vorhatte, haben wir das sofort gestoppt. Grundsätzlich aber gilt: Wir müssen sowohl zu den Republikanern als auch zu den Demokraten Kontakte pflegen. Deswegen fliegen wir im Übrigen auch zum Parteitag der Demokraten, und es waren CDU-Politiker beim Republikaner-Parteitag. Es ist das eine, auf einem Parteitag Kontakte zu pflegen und das andere, sich mit Trump-Unterstützern, die nicht genehme Beamte durch politische Angestellte ersetzen wollen, auf eine Konferenz zu begeben. Es handelt sich um eine Fachkonferenz zum Thema &bdquo;Kampagne“ mit vielen Experten in Sachen Wahlkampf. Sich 14 Monate vor der Bundestagswahl fachlich über Wahlkampfmethoden auszutauschen ist für eine Partei durchaus sinnvoll. Wir kriegen jede Woche mehrere Anfragen zu vielen Veranstaltungen - aus der Wirtschaft, von Gewerkschaften und auch Think-Tanks. Als Partei sagen wir bei diversen Veranstaltungen zu. Besonders die Liberalen in der Partei sind erzürnt. Vernachlässigen Sie den linken Flügel der CDU? Das sehe ich nicht. Es ging hier nicht um eine taktische oder strategische Überlegung, ob wir an dieser Veranstaltung teilnehmen. Der CSU-Politiker Klaus Holetschek sagt, Markus Söder könne Kanzler. Friedrich Merz auch? Viele Ministerpräsidenten können Kanzler. Aber natürlich auch ein Oppositionsführer, der seine Partei auf über 30 Prozent stabilisiert, Führung zeigt und sie mit einem neuen Programm in die Zukunft führt. Friedrich Merz kann Kanzler. Die Entscheidung wird nach den Landtagswahlen getroffen.

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