Berlin. Der Bundeskanzler kommt mit einer schwarzen Aktenmappe, er trägt sie mit angewinkeltem Arm, behutsam sieht das aus. Und das würde ja zur Lage passen. Eine Regierungserklärung zur Sicherheitslage ist angekündigt und Olaf Scholz passt zumindest schon mal auf seinen Redetext auf.
Scholz beginnt mit der Fußball-Europameisterschaft, die in diesem Sommer in Deutschland ausgetragen ist. Von Vorfreude spricht der Kanzler – noch so eine sichere Sache, bei dem Thema wird ja auf jeden Fall schon mal von den meisten geklatscht im Bundestag.
Aber dann ist Scholz schon bei etwas anderem, weniger angenehmen. Er spricht über Verunsicherung. Das Messerattentat von Mannheim, bei dem ein Polizist starb und mehrere Personen verletzt wurden, trage dazu bei, und auch die mehrfachen Hochwasser in diesem Jahr sowie der Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Ohne Sicherheit ist alles nichts – wo es an ihr fehlt, wächst die Furcht“, sagt Scholz und dekliniert die Themen durch. Er spricht ruhig und eindringlich. Und in allem Schrecken versucht er, Positives zu finden.
Er lobt die Solidarität der Menschen in den Flutgebieten. „In der Not rücken wir zusammen. Das gehört sich so. So ist Deutschland“, befindet er. Und außerdem brauche man mehr Flutpolder, Rückhaltebecken und die Einführung einer Elementarschadensversicherung.
Er verteidigt die Entscheidung, der Ukraine den Einsatz deutscher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland zuzulassen. Man müsse die Hilfe für die Ukraine „immer wieder überprüfen, ausweiten und anpassen“. Die Stadt Charkiw werde nun aus dem russischen Grenzgebiet täglich angegriffen, die Ukraine müsse sich wehren können. Er verstehe diejenigen, die sich Sorgen um eine Eskalation des Ukraine-Kregs machten. „Darin ist nichts Naives oder Anrüchiges“, sagt Scholz. Aber auch der jüngste Schritt sei mit den Verbündeten eng abgestimmt. Besonnen, so will der Kanzler sich verstanden fühlen.
Scholz kündigt Verschärfung des Strafrechts an
Die meiste Zeit verwendet Scholz auf das Mannheimer Attentat und andere Gewalttaten der vergangenen Wochen. „Terrorismus will Angst und Schrecken. Er will uns einschüchtern und seine Weltsicht aufzwingen“, sagt er. Er wende sich unter anderem gegen Meinungsfreiheit. „Nicht diejenigen sollen sich fürchten müssen in Deutschland, die in Freiheit und Frieden leben wollen. Sondern diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit angreifen und unseren Frieden stören.“
Scholz kündigt eine Verschärfung des Strafrechts für Angriffe auf Sicherheitskräfte an. Er sagt, auch wer Terror verherrliche, müsse leichter abgeschoben werden können. Er plädiert für die Abschiebung von Afghanen und Syrern, die Straftaten begangen haben – allerdings spricht er nicht von Abschiebungen in deren Heimatländer. Auf das Problem, Terrorregimes wie den Taliban durch Abschiebevereinbarungen anzuerkennen und vielleicht sogar zu finanzieren, wird später Grünen-Chef Omid Nouripour verweisen. „Wer unseren Schutz ausnutzt, wie der Täter von Mannheim, der hat diesen Schutz verwirkt“, sagt Scholz. Auch die in der Migrationspolitik bedächtigeren Grünen klatschen.
Und dann macht Scholz noch einen Schlenker: 20 Millionen Menschen in Deutschland hätten eine Einwanderungsgeschichte. Das aktuelle Attentat dürfe kein Anlass geben, sie „unter Generalverdacht zu stellen“ und Ressentiments hervorzuholen „Wer Verbrechen wie das in Mannheim dazu missbraucht, der legt die Lunte an unseren Zusammenhalt. Das schadet unserer Nation“, ruft Scholz. „Wir lassen uns nicht spalten.“
So reagiert Friedrich Merz auf die Regierungserklärung
Die Unionsabgeordneten verharren regungslos auf ihren Plätzen. Dabei hat CDU-Chef Friedrich Merz der Bundesregierung schon im Vorfeld Kooperation angeboten im Kampf gegen Islamismus, er wird es gleich noch einmal wiederholen. Aber klatschen?
Zögerlichkeit, Ängstlichkeit, ständiges Hin und Her, das schleudert Merz Scholz in seiner Rede mit Blick auf die Ukrainehilfe entgegen. Das Hochwasser lässt er außen vor, er konzentriert sich auf das Attentat sowie die Attacken gegen Politiker. „Die Zeit des Warnens, des Verurteilens, des Abwiegelns ist vorbei“, ruft er – deutlich aufgeregter als Scholz. Die Regierung müsse handeln: das islamische Zentrum in Hamburg schließen, Internet-Plattformen besser kontrollieren, Sicherheitsbehörden mehr Datenzugriffe erlauben – und natürlich: mehr abschieben. Pflichtverteidiger für Abschiebehäftlinge bezeichnet Merz faktisch als unnötig. Außerdem findet er, die Regierung sollte ihre Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verschieben.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr weist ihn anschließend darauf hin, dass durch die Reform Antisemitismus als Ausschlussgrund für die Staatsbürgerschaft eingeführt werde. AfD-Chefin Alice Weidel fordert noch die Schließung von Grenzen, wettert über Gruppenvergewaltigungen, den Kampf gegen Klimawandel und die Unterstützung der Ukraine, die den Krieg ohnehin nicht gewinnen könne.
Merz beendet seine Rede mit dem besagten Angebot zur Zusammenarbeit. „Wir sind selbstverständlich zu Kompromissen bereit“, sagt er. Dann verlässt er das Rednerpult ohne weiteren Blick zu Scholz. Aber der schaut ohnehin sehr geradeaus und dann konzentriert auf sein Handy.