
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag setzt die Ampel-Koalition in der Migrationsdebatte weiter unter Druck. Zwei Wochen nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz im Parlament einen „Deutschlandpakt“ zur Migrationspolitik vorgeschlagen hatte, haben CDU und CSU dort am Freitag einen Antrag für einen eigenen „Deutschlandpakt“ eingebracht.
Die Unionsparteien stünden für einen solchen Pakt zur Verfügung, sagt Fraktionsvize Alexander Dobrindt am Freitagmorgen, bevor er auf Angriff schaltet. Seit Scholz Rede sei allerdings „nichts unternommen worden, um diese Worthülse mit Leben zu füllen“, sagt er zur Eröffnung der Debatte. „Und deshalb bekommen Sie heute unsere Antwort: den Deutschlandpakt zum Stopp der irregulären Migration.“ Ein solcher Pakt dürfe nicht das beinhalten, „was Sie gerne unter sich beschließen wollen“, sagt Dobrindt an die Regierungsfraktionen gerichtet, „sondern das, was notwendig ist und von Ihnen allein blockiert wird“.
Der Antrag der Unionsfraktion umfasst zwölf Punkte. Darunter ist etwa der Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan, eine Senkung der Sozialleistungen für Asylbewerber und Schutzberechtigte und eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Manche der Punkte, wie die Verlängerung des Ausreisegewahrsams auf maximal 28 Tage, stehen bereits auf der Agenda der Bundesregierung. Forderungen nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten, wie sie CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz jüngst wieder ins Gespräch gebracht haben, fehlen in dem Antrag hingegen.
Dobrindt: Auf neue Migrationsrouten reagieren
„Die Asylzahlen steigen, die Kommunen sind überlastet, die gesellschaftliche Akzeptanz schwindet“, sagt Dobrindt. „Wenn das die Analyse ist, wenn das die Grundlage ist, dann kann man daraus einen Konsens bilden.“ Dobrindt fordert die Einführung von Grenzkontrollen auch an den Grenzen zu Tschechien, um auf neue Flucht- und Migrationsrouten zu reagieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wirft er vor, „das Außengrenzverfahren in Europa zu torpedieren“. Die Ministerin blockiere eine europäische Einigung in der europäischen Migrationspolitik.
Die Bundesregierung stellt sich bislang gegen eine Krisenverordnung, die Teil der EU-Asylreform ist. Diese Verordnung soll in Krisensituationen unter anderem niedrigere Standards bei der Unterbringung von Asylbewerbern ermöglichen. Kritik an dem Vorschlag gibt es auch aus Ungarn und Polen – allerdings, weil er den dortigen Regierungen nicht weit genug geht.
„In Europa ist Frau Faeser bei der Migrationspolitik kein Zugpferd, sondern Sie sind das Trojanische Pferd zur Verschärfung der Migrationskrise!“, ruft Unionsfraktionsvize Dobrindt.
Klagen aus den Kommunen
Faeser widerspricht. CDU und CSU klopften nur Sprüche und heizten die Debatte an, sagt sie. Und: „Gehen Sie nicht weiter auf dem Irrweg, Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen, die von Krieg und Terror bedroht sind.“ Sie habe die Bundespolizei an den Außengrenzen zu Polen und Tschechien längst mit mehreren Hundertschaften verstärkt. „Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration. Wir unterstützen Länder und Kommunen substanziell mit Milliardenbeträgen.“
Doch gerade die Kommunen sind es, die zunehmend klagen, mit den steigenden Flüchtlingszahlen nicht mehr fertig zu werden. „Wir sind in einer Situation, wo wir eigentlich eine vernünftige Unterbringung kaum mehr gewährleisten können“, sagte der Präsident des bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die bayerischen Landkreise haben einen Forderungskatalog an die Bundesregierung gerichtet. Sie verlangen eine „erhebliche Begrenzung und Steuerung“ illegaler Migration, die konsequente Ausweisung nicht aufenthaltsberechtigter Ausländer und eine stärkere Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung, Versorgung und Integration.
Tatsächlich sind die Flüchtlingszahlen in Deutschland in diesem Jahr stark angestiegen: Bis einschließlich August haben 204.461 Menschen einen Asylerstantrag gestellt. Die meisten dieser Asylbewerber kommen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Im vergangenen Jahr waren es bis einschließlich August nur 115.402 Asylerstanträge. Belastet sind die Kommunen außerdem durch die mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges nach Deutschland gekommen sind und weiterhin hier leben.
Diskussion um Familiennachzug
Faeser steht am Freitagmorgen zunächst auch wegen eines Berichts der „Welt am Sonntag“ in der Kritik, demzufolge ein aktueller Referentenentwurf ihres Ministeriums eine Ausweitung des Familiennachzugs für anerkannte Asylbewerber und Menschen mit einem subsidiären Schutzstatus vorsehe. Das dementiert Faeser in der Bundestags-Debatte jedoch: „Nein, ich habe nicht vor, im Moment den Familiennachzug vorzulegen“, antwortet sie auf Kritik des CDU-Abgeordneten Christoph de Vries. Ihr Ministerium erklärt schließlich, es handele sich um einen ein Jahr alten Arbeitsentwurf, der derzeit nicht weiterverfolgt werde.
Mit der FDP wäre eine Ausweitung des Familiennachzugs derzeit ohnehin nicht zu machen, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle im Gespräch mit dieser Redaktion sagt. „Das passt nicht in die Zeit. Die Städte und Gemeinden sind überlastet mit den Menschen, die gerade zu uns kommen. Sie erwarten deshalb eine spürbare Entlastung“, betont er.
Die Ampel-Parteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021 zwar auf eine Ausweitung des Familiennachzugs geeinigt. Die Situation sei aufgrund der gestiegenen Asylzahlen heute jedoch eine andere. Deshalb müsse die Politik ihre Maßnahmen kritisch prüfen. „Einen Familiennachzug braucht es jetzt nicht. Andere Maßnahmen braucht es, beispielsweise die Rückführungsoffensive, die ja auch im Koalitionsvertrag geregelt ist.“
Überhaupt will die FPD eine Verschärfung der deutschen Asylpolitik. Teile der SPD-Fraktion wollen das auch. Die Grünen stellen sich einigen Vorschlägen jedoch in den Weg. Wie wenig Einigkeit in migrations- und asylpolitischen Fragen innerhalb der Ampel herrscht, lässt sich am Freitag im Bundestag erkennen. In seinem Redebeitrag spricht sich Kuhle für eine härtere Gangart aus. Applaus bekommt er dafür neben seiner eigenen Fraktion vor allem von CDU und CSU. In den Reihen von SPD und Grünen: Stille.