CDU-General Linnemann bietet SPD Zusammenarbeit bei sozialem Pflichtdienst an

Mit seiner Ankündigung, nach der Sommerpause über die mögliche Einführung eines sozialen Pflichtdienstes diskutieren zu wollen, hat SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese in der Bundespolitik eine hitzige Debatte ausgelöst. Während er Unterstützung aus der Union erhielt, lehnten Koalitionspolitiker den Vorstoß ab - auch aus der eigenen Fraktion. Lob kam unter anderem von CDU-Generalsekretär: "Es gibt aus meiner Sicht eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung, die das verpflichtende Gesellschaftsjahr unterstützt", sagte Carsten Linnemann dieser Redaktion. Das Thema sei gesellschaftlich sehr wichtig, betonte er. "Wir reichen der Bundesregierung deshalb die Hand für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit." Die SPD sollte dem Vorschlag von Wiese folgen, ihre Blockadehaltung aufgeben und "mit uns zum Gesellschaftsjahr ins Gespräch kommen", appellierte er. Wiese hatte der "Rheinischen Post" gesagt, die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier "richtigerweise angestoßene Debatte müssen wir nach der Sommerpause weiterführen". Der SPD-Fraktionsvize plädierte dabei für einen Pflichtdienst von mindestens drei Monaten. Ein ganzes Jahr sei nicht unbedingt nötig, so Wiese. Steinmeier hatte in seinem Vorschlag von sechs bis zwölf Monaten gesprochen. Steinmeier hatte Debatte um soziale Pflichtzeit angestoßen "Wir brauchen wieder mehr Respekt im Umgang und ein stärkeres Miteinander im Land", sagte Wiese zur Begründung. Beides schwinde "im täglichen Umgang und digital, in Freibädern, beim Nichtbilden von Rettungsgassen, im Alltag oder bei AfD-Trollen im Internet". Deshalb müsse man offen über die Vorschläge reden, "insbesondere die Frage, wann ein solcher Dienst für mehr Miteinander und Respekt absolviert werden könnte und wer alles infrage kommt". Wiese ist auch Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises" innerhalb der SPD, der bereits im Februar für einen sozialen Pflichtdienst plädiert hatte. Die CDU hatte sich im September auf einem Parteitag für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs ausgesprochen. Wo die jungen Menschen den Dienst absolvieren können, solle möglichst flexibel ausgelegt werden – genannt wurden soziale Einrichtungen, die Bundeswehr und Naturschutzverbände. Bundespräsident Steinmeier hatte voriges Jahr die Debatte neu angestoßen, als Voraussetzung aber einen breiten politischen Konsens genannt. Das Thema wird vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs auch im Zusammenhang mit Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr diskutiert. So äußerte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), Sympathien. FDP lehnt "Eingriff in das Leben junger Menschen" ab Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) machte im Februar deutlich, dass er gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten sieht. Die Liberalen betonten ihre Ablehnung auch an diesem Freitag: "Alle Argumente zu einem Pflichtdienst sind ausgetauscht", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Wir als FDP lehnen solch einen Eingriff in das Leben junger Menschen entschieden ab." Nötig sei vielmehr eine Diskussion darüber, wie das Ehrenamt und die Bundeswehrreserve ohne staatlichen Zwang gestärkt werden können. Auch aus der FDP-Bundestagsfraktion kam klarer Widerstand. "Aus der Perspektive des Fachkräftemangels ist ein solcher Pflichtdienst volkswirtschaftlicher Unsinn", sagte ihr arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher, Pascal Kober. Denn es würde dazu führen, dass junge Menschen erst ein Jahr später ihr Arbeitsmarktpotenzial ausschöpfen würden. "So würden wir volkswirtschaftlich gesehen ein Jahr Hilfstätigkeit gegen ein Jahr vollqualifizierte Tätigkeit tauschen, ein Jahr Hilfskraft gegen ein Jahr Ingenieurstätigkeit, da Menschen ein Jahr später mit Ausbildung und Beruf beginnen würden und damit ein Jahr ihrer Zeit als qualifizierte Arbeitnehmer verloren gehen würde." Zudem würden Sozialversicherungsbeiträge und Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren gehen, warnte Kober. Bundesfreiwilligendienst und ähnliche Dienste Selbst die eigene Fraktionsführung lehnte Wieses Vorstoß am Freitag eilig zurück: "Wir planen keinen Pflichtdienst in der SPD-Bundestagsfraktion", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast. Die Äußerung sei ein "persönlicher Debattenbeitrag", so Mast. Es gebe bereits den Bundesfreiwilligendienst und andere Formen, junge Menschen neben Schule, Ausbildung und Arbeit mit wichtigen Aspekten der Gesellschaft vertraut zu machen. Darauf wies auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hin: Freiwilligendienste ermöglichten wichtige zusätzliche Hilfen in Kitas und Schulen, in Pflege, Naturschutz und Sport, betonte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider. Angesichts der geplanten Kürzungen staatlicher Ausgaben für diese Dienste und anderer sozialer Organisationen hat Schneider bereits einen Protestbrief an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP, Grünen, Union und Linkspartei geschrieben, der dieser Redaktion vorliegt. Die im Entwurf des Bundeshaushalts vorgesehene Kürzung der Unterstützung der Freiwilligendienste "würde zu einem Verlust von 25.000 bis 30.000 Plätzen führen", heißt es darin. Die Einsparung von 78 Millionen Euro im Jahr 2024 für diesen Bereich entspreche einem Viertel der bisherigen Förderung. Schneider verwies darauf, dass in der Koalitionsvereinbarung das Versprechen formuliert sei, die Freiwilligendienste nachfragegerecht auszubauen. Insgesamt enthalte der Haushaltsentwurf "drastische Kürzungen für soziale und zivilgesellschaftliche Organisationen und zwingt zu massiven Einschnitten bei den Hilfen für besonders unterstützungsbedürftige Menschen". Eine Umsetzung der Pläne wäre "verheerend" für die soziale Infrastruktur, für freiwilliges Engagement und das partnerschaftliche Miteinander, für Hilfsbedürftige und für das Gemeinwesen. Schneider nannte als Beispiel auch Kürzungen bei Hilfen für Geflüchtete, bei der Migrationsberatung, bei der Unterstützung der Jobcenter und der Sozialverbände. Es gebe einen "Widerspruch zwischen getroffenen Zusagen und erklärten Zielen der Regierungsparteien einerseits und den künftigen Haushaltsplanungen andererseits".

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