Fußball-Weltmeisterschaft

Was droht der deutschen Nationalmannschaft, wenn sie die "One Love"-Binde trägt?

Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) hat eine klare Haltung. Doch wenn Kapitän und Fußball-Torwart Manuel Neuer statt der erlaubten Kapitänsbinde die "One Love"-Binde tragen sollte, drohen Konsequenzen. Welche könnten das sein?

Würde DFB-Kapitän Manuel Neuer mit der "One Love"-Kapitänsbinde auflaufen, drohen Konsequenzen. | © dpa

23.11.2022 | 23.11.2022, 10:29

Doha. Die Diskussionen könnten kontroverser kaum sein. Soll der Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft Manuel Neuer mit der "One Love"-Kapitänsbinde auflaufen? Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat sich dem Druck des Weltverbandes FIFA gebeugt, die wiederum drastische Konsequenzen angedroht hat. Was meint Robert Habeck?

Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) würde nach Informationen der Deutschen Presseagentur an der Stelle von DFB-Kapitän Manuel Neuer die „One Love“-Kapitänsbinde bei der Fußball-WM in Katar trotz der angedrohten FIFA-Sanktionen tragen. „Ich wäre interessiert zu sehen, was der Schiedsrichter macht, wenn da einer mit der Binde rumkommt“, sagte der Wirtschaftsminister in der Nacht zu Mittwoch in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. „Ich würde es darauf ankommen lassen“, erklärte Habeck, „es wäre ein moderater Protest“. Schließlich handele es sich um eine Binde und nicht um eine „elaborierte“ Protestform wie etwa bei den Klimaaktivisten der "Letzten Generation".

Zu den drohenden Sanktionen nahm Habeck aber keine Stellung. Wie genau die FIFA reagieren würde, ist nicht komplett geklärt. Ex-FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe erklärte im ZDF-Gespräch, was theoretisch drohen würde.

Gräfe: Das könnte Manuel Neuer drohen

Zunächst müsste die FIFA ihre Schiedsrichter entsprechend anweisen, das Tragen einer nicht erlaubten Binde (dazu zählt die "One Love"-Kapitänsbinde) zu sanktionieren. Schon bei der offiziellen Materialkontrolle, spätestens aber im Kabinengang, müsste er den Kapitän auffordern, die Binde abzulegen. Tut er das nicht, "dann wäre das unerlaubtes Betreten des Spielfeldes, wäre ein unsportliches Verhalten und würde von den Schiedsrichtern entsprechend mit Gelb sanktioniert werden", so Gräfe.

Die "One Love"-Kapitänsbinde sorgt für zahlreiche Diskussionen vor dem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. - © dpa
Die "One Love"-Kapitänsbinde sorgt für zahlreiche Diskussionen vor dem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. | © dpa

Würde sich Neuer weigern, die "One Love"-Binde abzunehmen, droht ein Spielabbruch. Das sei laut Gräfe aber nicht verhältnismäßig. "Man würde es entsprechend dann im Spielbericht vermerken müssen. "Anschließend würde die FIFA-Disziplinarkommission den Fall auswerten. "Und dann gibt es den ganzen Sanktionskatalog - von Geldstrafe bis Punktabzug," erklärt Gräfe.

DFB-Mediendirektor Steffen Simon bestätigte im Deutschlandfunk, dass die FIFA mit "massiven sportlichen Sanktionen" gedroht hat. Was genau der Weltverband tun würde, bleibt aber unklar. Der DFB habe sich jedoch in "einer extremen Situation, einer extremen Erpressung" befunden. Es gehöre, so der Pressesprecher, zur Art und Weise der FIFA, dass sie die Verbände immer im Vagen lasse, sodass nicht klar sei, was genau an sportlichen Sanktionen vollzogen würde. "Wir sind nicht eingeknickt vor der FIFA, wir haben zwar die Binde verloren, aber nicht unsere Werte", betonte Simon.

Was sagt das Regelwerk?

Welche Ausrüstung Spieler tragen dürfen, ist in der Regel 4 beschrieben: "Die Ausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bilder aufweisen. Spieler dürfen keine Unterwäsche mit politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bildern oder Werbeaufschriften mit Ausnahme des Herstellerlogos zur Schau stellen. Bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung wird der Spieler und/oder das Team durch den Wettbewerbsorganisator, den nationalen Fußballverband oder die FIFA sanktioniert", heißt es im Regeltext.

Ein explizites Verbot der "One Love"-Binde wird dort nicht geregelt. Wohl aber, dass in verschiedenen Wettbewerben Be- oder Einschränkungen festgelegt werden können. "Steitigkeiten in Bezug auf Slogans, Botschaften oder Bilder sollten vor einem Spiel/Wettbewerb beigelegt werden", heißt es weiter. Das scheint in Bezug auf die "One Love"-Binde wohl nur auf dem Papier der Fall.

"Bei FIFA-Endrunden muss der Spielführer jedes Teams die von der FIFA bereitgestellte Spielführerbinde tragen", heißt es im ergänzenden Reglement des Weltverbandes. Das sei "von allen Fußballbeteiligten verabschiedet worden" und bestehe, "um die Integrität des Spiels für alle Teilnehmer zu wahren". Konsequenzen bei Verstößen sind nicht geregelt.

FIFA bietet Alternativen an - keine für Habeck

Die FIFA macht den WM-Kapitänen stattdessen ein anderes Angebot: Sie stellt ihnen schon ab dem ersten Spieltag der WM-Gruppenphase eine spezielle Binde zur Verfügung, mit der ihre eigentlich erst ab dem Viertelfinale vorgesehenen Kampagne "No Discrimination - Keine Diskriminierung" begleitet wird.

Harry Kane, Kapitän der englischen Nationalmannschaft, trug diese Binde im Spiel gegen den Iran. Das Spiel endete 6:2 für England. Dafür müssen er und der englische Verband keine Strafen befürchten: Die "No Discrimination"-Binde entspreche dem Ausrüstungsreglement, betonte die FIFA.

Robert Habeck will trotzdem an der "One Love"-Binde festhalten. Er erinnere sich an Proteste, die ikonisch geworden seien und etwas verändert hätten wie der Kniefall des damaligen US-Football-Profis Colin Kaepernick 2016 als Zeichen gegen Rassismus. Danach habe es breiter angelegte Proteste gegen Rassismus im Sport gegeben. Das Besondere sei, dass die WM in Katar anders als frühere Turniere politisch sei, es keinen unpolitischen Sport mehr gebe. „Dann fragt man sich natürlich auch, wie würde man in der Situation agieren.“ Zwar könne er nicht für andere sprechen, aber es sei klar, was nahe liege.