Energiekrise in Deutschland

Kommission: Staat soll Gasrechnung für Haushalte im Dezember bezahlen

Die Expertenkommission der Regierung schlägt eine zweistufige Lösung zur Gaspreis-Entlastung vor. Das Konzept sieht Hilfen bis April 2024 vor.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (vl, IG BCE), übergibt den Bericht mit dem Vorschlag der Unabhängigen Kommission für Erdgas und Wärme an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). | © Kay Nietfeld

10.10.2022 | 10.10.2022, 13:18

Berlin (AFP/dpa). Im Kampf gegen die hohen Gaspreise hat die eingesetzte Expertenkommission ein zweistufiges Entlastungsverfahren vorgeschlagen. Darin enthalten ist auch die Ausgestaltung der sogenannten Gaspreisbremse.

In einem ersten Schritt soll der Staat die Abschlagszahlungen für diesen Dezember komplett übernehmen, wie die Kommissionsvorsitzende Veronika Grimm am Montag bei der Vorstellung eines Zwischenberichts erläuterte. Als Basis dient der im September gezahlte Abschlag.

Die Zahlung sei eine "finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse", hieß es. Denn in einem zweiten Schritt sollen ab März 2023 bis Ende April 2024 bei 80 Prozent eines geschätzten Grundkontingents die Preise auf zwölf Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden. Für den Rest der Verbrauchsmenge oberhalb dieses Grundkontingents gilt dann der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis.

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Ziel: Entlastung und Spar-Anreiz

Der Vorschlag solle die beiden Ziele kombinieren, einerseits die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten und andererseits einen Anreiz zum Einsparen von Gas zu erhalten, betonte Grimm. "Die Kommission hat hier glaube ich einen guten und auch machbaren Vorschlag entwickelt", sagte die Vorsitzende des Gremiums, die auch Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist.

Für industrielle Verbraucher, also Kunden mit einem hohen Gasverbrauch und eigens ausgehandelten Verträgen, soll sich das Kontingent an 70 Prozent des Verbrauchs von 2021 orientieren. Darüber wird ebenfalls der vereinbarte Marktpreis fällig. Für dieses Kontingent wird ein Beschaffungspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde definiert. Betroffen sind davon rund 25.000 Firmen in Deutschland.

Zusammen verursachen die Maßnahmen des zweistufigen Verfahrens geschätzte Kosten von 91 Milliarden Euro, wie die Experten erläuterten. Davon entfallen 66 Milliarden Euro auf Haushalte und Kleingewerbe und 25 Milliarden Euro auf die Industrie.

Allerdings sollen die Entlastungszahlungen steuerpflichtig sein, die tatsächlichen Auszahlungen und damit auch die Kosten für den Staat sind also geringer.

"Wir wollten in der Entlastungswirkung schnell sein", sagte der stellvertretende Kommissionsvorsitzende und Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, zu einem der wesentlichen Ziele. Die zweite Phase ab März solle dann so ausgestaltet sein, dass sie "bis Frühjahr 2024 trägt."

Kommissionsvize Siegfried Russwurm hob hervor, dass beim Gaspreis auch eine langfristige Sichtweise notwendig sei. So werde das Preisniveau in Deutschland auch langfristig deutlich über dem Stand vor dem russischen Überfall auf die Ukraine liegen, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Bundesregierung: Vorschläge zügig prüfen

Die Bundesregierung will die Vorschläge der Expertenkommission zur Gaspreisbremse zügig prüfen und über die Umsetzung beraten. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. Die Kommission habe trotz des engen Zeitplans eine sehr gute Grundlage erarbeitet. „Unser Ziel ist klar: Die hohen Gaspreise zu senken und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten“, erklärte Hebestreit. Dazu gehöre auch der sorgsame Umgang mit dem knappen Gas. Welche Vorschläge die Regierung in die Tat umsetzen werde, sei offen. Es sei unter anderem eine europarechtliche Prüfung nötig, sagte Hebestreit. Wichtig sei es, dass die beiden Energiepreisbremsen für Gas und Strom „zusammengedacht“ würden. Bis zu den Länderberatungen am Ende der kommenden Woche sollten die verantwortlichen Ministerien über den Stand der Umsetzung berichten, kündigte Hebestreit an.

Verbraucherschützer kritisierten die vorgeschlagene Einmalzahlung für Dezember als "sozial ungerecht". Es fehle zudem weiterhin ein Sicherheitsnetz für Verbraucherinnen und Verbraucher, "die ihre Rechnungen nicht bezahlen können", erklärte die Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Ramona Pop. "Es rächt sich, dass die Bundesregierung die Kommission viel zu spät eingesetzt hat." In der Kürze der Zeit habe das Gremium "nur eine Minimallösung" präsentieren können.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte die Vorschläge für eine Gaspreisbremse. "Das Ergebnis ist aus Sicht der Wirtschaft insgesamt positiv zu bewerten", erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Es ist ein starkes Signal, dass sich die Kommission auf eine schnelle und einfache Preisbremse geeinigt hat, die für die Unternehmen eine klare Perspektive bringt." Auch wenn die Wirtschaft in der Breite durch die Preisbremse entlastet werde, gilt weiterhin: "Es liegen zwei wirtschaftlich herausfordernde Winter vor den Unternehmen." Die Wirtschaft müsse "große unternehmerische Anstrengungen" unternehmen, um durch die Energiekrise zu kommen. "Jetzt liegen noch drei Wochen vor der Kommission bis zum Abschlussbericht", so Adrian. " Wir brauchen bei der Angebotsausweitung und beim Gaseinsparen weitere Lösungen, auch ein Härtefallfonds für besonders betroffene Unternehmen bleibt auf der Agenda."