Gasumlage und Energiepreise

Städtetag drängt auf Tempo bei Entlastungen - sonst wachse die Unruhe

Ohne die Gasumlage wären die Stadtwerke „längst ins Straucheln geraten“, sagt der Städtetagspräsident Markus Lewe. Doch die Maßnahme bleibt umstritten.

Die Kommunen wollen ihren Gasverbrauch um 20 Prozent reduzieren - auch bei dem Betrieb von Schwimmbädern soll gespart werden. | © Anke Groenewold

30.08.2022 | 30.08.2022, 16:44

Berlin. Städte, Gemeinden und Landkreise fordern angesichts der Energiepreise weitere, schnelle Hilfen von Bund und Ländern. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, kritisierte am Dienstag in Berlin, die Ampel-Koalition diskutiere immer neue Entlastungen, statt sich zu einigen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte, man wolle in dieser Woche vorankommen.

Lewe warnte, die Menschen bräuchten jetzt Antworten, sonst wachse die Unruhe, und die Energiekrise drohe zu einer Zerreißprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu werden. Die Kommunen seien bereit und in der Lage, ihren Anteil an der notwendigen Einsparung von 20 Prozent des Gasverbrauchs zu erbringen. Es müsse aber gerecht zugehen, betonte der CDU-Politiker, der Oberbürgermeister im westfälischen Münster ist. „In allen Bereichen müssen wir jetzt sparen und Energieschleudern ausmachen“, sagte er. Die Städte wollten zudem alles tun, damit Schulen und Kitas selbst bei einer Gas-Mangellage nicht schließen müssten.

Der Städtetags-Präsident erneuerte seine Forderung nach einem Rettungsschirm für die Stadtwerke. „Wenn Stadtwerke in eine existenzielle Schieflage geraten, dann drohen alle Leistungen der Daseinsvorsorge in den Städten abzurutschen, wie Wasser, Abwasser, Müllentsorgung und der öffentliche Personennahverkehr. Hier müssen Bund und Länder ein Sicherungsnetz spannen“, sagte Lewe. Zur Gasumlage, die auch den Stadtwerken zugutekommt, sagte Lewe, sie sei grundsätzlich richtig, müsse aber nachgebessert werden.

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Es müsse sichergestellt werden, dass die Gasumlage auch von Festpreis- und Fernwärmekundinnen und Kunden erhoben werden kann. Der Städtetag setzt sich außerdem dafür ein, dass Stadtwerke Liquiditätshilfen erhalten können und für sie ein Insolvenzmoratorium eingeführt wird. Außerdem dürfe die Umlage, die von den Gaskunden bezahlt werde, keinesfalls Energieunternehmen zugutekommen, die hohe Gewinne einfahren: „Das versteht keiner“, sagte Lewe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat inzwischen Änderungen angekündigt, um Mitnahmeeffekte zu verhindern.

Der CDU-Politiker Marcus Lewe ist Oberbürgermeister in Münster und Präsident des Deutschen Städtetages. - © Wolfgang Kumm
Der CDU-Politiker Marcus Lewe ist Oberbürgermeister in Münster und Präsident des Deutschen Städtetages. | © Wolfgang Kumm

Lewes Stellvertreter, der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), sagte zu den vielfältigen Einsparmaßnahmen in den Kommunen, man könne mit der Solidarität der Menschen rechnen, wenn soziale Härten verlässlich abgefedert würden. Die Hilfen müssten „schnell, unbürokratisch und einfach“ sein und dürften nicht mit der Gießkanne verteilt werden. Kämpfer zufolge brauchen etwa 30 Prozent der Einwohner dringend Unterstützung, um die explodierenden Kosten schultern zu können.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte zum Auftakt der zweitägigen Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg, man wolle eine Einigung über ein nächstes, möglichst zielgenaues Entlastungspaket „im Laufe dieser Woche vorantreiben“. Gemeinsames Ziel sei es, Menschen und Unternehmen in die Lage zu versetzen, mit den gestiegenen Preisen umgehen zu können.

„Wir alle müssen Wohlstandsverluste hinnehmen“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund dringt ebenso wie der Städtetag auf schnelle Entscheidungen. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag) mit Blick auf die Kabinettsklausur: „Die Entlastung muss unbürokratisch und schnell umgesetzt werden, am besten mit einer zeitlich befristeten Zulage für niedrige und mittlere Einkommen.“ Zugleich müsse die Politik deutlich machen, dass der Staat nicht alles ausgleichen könne. „Wir alle müssen Wohlstandsverluste hinnehmen“, sagte Landsberg. Die Kommunen würden ihren Beitrag leisten, um Energie einzusparen. Vieles sei bereits auf den Weg gebracht. „Aber es gibt natürlich auch klare Grenzen, denn stockdunkle Städte will im Herbst und Winter niemand“, sagte Landsberg.

Weiter Streit um die Gasumlage

Die Gasumlage ist weiter umstritten, nicht jeder sieht sie als so alternativlos wie der Städtetag. Die Union will sie parlamentarisch zu Fall bringen, auch von seinen Parteikollegen wird Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offen kritisiert. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert staatliche Hilfen aus Steuermitteln für systemrelevante, insolvenzbedrohte Unternehmen anstelle der Gasumlage und hat zur Kabinettsklausur einen 12-Punkte-Plan vorgelegt: „Darin fordern wir zum Beispiel einen Energiepreisdeckel. Damit wäre den Menschen mehr geholfen“, sagte ein Sprecher des SoVD der Redaktion.

Deutschland sei gerade in einer Situation, „die man als multiple Mangellage bezeichnen kann“, meint Städtetagspräsident Lewe. Angesichts der vielen Sorgen sei eine offene und ehrliche Kommunikation notwendig. „Gerade in diesen Zeiten erwarten die Menschen von uns, dass wir sie sicher durch die Krise führen.“ Bund und Länder müssten die Bedeutung der Kommunen wahrnehmen und auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren.

Sorge um die Schwimmausbildung der Kinder

Die Reduzierung des Gasverbrauchs um 20 Prozent sei für Kommunen ein ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel. „Wir wollen alles tun, damit Schulen und Kitas auch bei einer Mangellage nicht schließen müssen“, betonte Lewe. Der Städtetag wisse auch um die Bedeutung von Kultur und Sport, aber auch dort müsse Energie eingespart werden. Laut Städtetag gebe es einige Kommunen, in denen Schwimmbäder und Sporthallen ein Drittel des Erdgasverbrauchs ausmachen würden. „Es geht nicht darum, pauschal alle Schwimmbäder zu schließen“, betonte Lewe am Dienstag. Aber in Orten mit mehreren Schwimmbädern könnten einzelne geschlossen werden, genauso in interkommunaler Zusammenarbeit.

Ute Vogt, Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettung-Gesellschaft (DLRG), appelliert weiter an Kommunen, diesen Schritt so lange wie möglich zu vermeiden. Schon vor der Pandemie habe es viele Nichtschwimmer gegeben, dann konnte zwei Jahre lang kaum Schwimmunterricht stattfinden. „Diese Entwicklung zulasten unserer Kinder setzt sich mit jedem weiteren Schwimmbad fort, das zum Energiesparen geschlossen wird oder nach den Sommerferien nicht wiedereröffnet“, sagte Vogt der Redaktion. „Werden dann vereinzelt Bäder geschlossen, weil es vor Ort mehrere gibt, ist das natürlich besser, als alle zu schließen. Wichtig wäre dann, dass dadurch wegfallende Angebote zum Schwimmenlernen andernorts aufgefangen werden“, lenkt Vogt ein. Die Schwimmausbildung müsse oberste Priorität bekommen. (epd/RND)