Paris (AFP). Ihr Plan, erste Präsidentin Frankreichs zu werden, ging auch im dritten Anlauf nicht auf. Doch nach dem unerwartet guten Abschneiden ihrer Partei Rassemblement National bei der Parlamentswahl wird die Rechtspopulistin Marine Le Pen voraussichtlich Chefin der drittgrößten Fraktion in der Pariser Nationalversammlung. Ihre Partei dürfte von derzeit sechs auf 75 bis 95 Sitze kommen. Parteichef Jordan Bardella sprach von einem "Tsunami".
Trotz ihrer Niederlage bei der Stichwahl gegen Präsident Emmanuel Macron im April sprach Le Pen damals von einem "durchschlagenden Sieg", da sie deutlich besser abgeschnitten hatte als 2017. Und sie gab sich weiter kämpferisch: Sie werde ihre Politik fortsetzen und "den Kampf weiterführen", für die Franzosen und für Frankreich. Wenige Wochen später hat die 53-Jährige nun doch einen Sieg eingefahren: Erstmals erlangen ihre Rechtspopulisten Fraktionsstärke.
Das war der Vorgängerpartei Front National zuletzt 1986 gelungen. Dabei war Marine die einzige der drei Töchter ihres rechtsextremistischen Vaters und Parteigründers Jean-Marie Le Pen, die ursprünglich gar nicht in die Politik gehen wollte. Es war eine Rebellion gegen den Vater, um dessen Anerkennung sie zugleich buhlte - ein kompliziertes Verhältnis, das ihre gesamte Karriere geprägt hat.
Politik und Privatleben eng verwoben
Mit acht Jahren erlebte Marine Le Pen einen Sprengstoff-Anschlag auf ihren Vater, der die Fassade ihres Wohnhauses einstürzen ließ. Ein Trauma, das sie härter machte, wie sie selbst sagt. Auch der öffentlich ausgetragene Scheidungskrieg ihrer Eltern und ihre Zeit als alleinerziehende Mutter dreier Kleinkinder hätten dazu beigetragen. Bei den Le Pens waren Politik und Privatleben immer eng verwoben.
Die Familie zog bald nach dem Anschlag in eine pompöse Villa im Pariser Vorort Saint-Cloud, die ein Parteifreund ihrem Vater vererbt hatte. Ihr zweiter Ehemann und ihr langjähriger Partner Louis Aliot waren beide Parteifunktionäre. Seit Le Pen 2011 die Führung der Partei übernommen hat, war sie auf Erfolgskurs. Sie distanzierte sich von ihrem antisemitisch-provokanten Vater, zog aus der Residenz in Saint-Cloud aus, nachdem der Dobermann von Jean-Marie Le Pen eine ihrer Katzen getötet hatte, und schloss ihren Vater 2015 aus der Partei aus - ein klassischer politischer Vatermord.
Russische Unterstützung im Wahlkampf
2012 trat sie zum ersten Mal zur Präsidentschaftswahl an und erreichte ein besseres Ergebnis als ihr Vater, der zehn Jahre zuvor überraschend in die Stichwahl gekommen war. Im Wahlkampf 2017 ließ sie sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml empfangen. Eine russisch-tschechische Bank hatte ihr zudem einen Kredit in Höhe von neun Millionen Euro eingeräumt - was Macron ihr im Wahlkampf immer wieder vorwarf.
Dass sie ähnlich aggressiv auftreten kann wie ihr Vater, hat sie oft bewiesen. Einst verglich sie Gebete von Muslimen auf der Straße mit der Besatzung von Paris durch die Nazis. Doch seit der Wahl 2017, vor der Macron sie in einer TV-Debatte locker an die Wand spielte, hat sie stark an sich gearbeitet. Im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf zeigte sie sich vor allem nah an den - überwiegend finanziellen - Alltagssorgen der Bürger.
Damit hob sie sich von Macron ab, dessen Politikstil von vielen Bürgern als arrogant und abgehoben empfunden wird. Privat lebt Marine Le Pen seit einigen Jahren mit einer Freundin aus der Kindheit und einem halben Dutzend Katzen zusammen, die sie immer wieder gezielt zur Imagepflege einsetzt. Während des Lockdowns hatte Le Pen sogar ein Diplom als Katzenzüchterin erworben. Als Fraktionschefin dürfte sie für dieses Hobby aber wenig Zeit haben.