Von Lindner bis Lauterbach: So stark ist NRW im Kabinett vertreten

Düsseldorf/Berlin. Die Bedeutung Nordrhein-Westfalens in der Bundespolitik wurde zuletzt vor allem anhand der CDU deutlich: Noch-Parteichef Armin Laschet stammt aus dem Bundesland, ebenso wie Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der bisherige Gesundheitsminister Jens Spahn – und Laschets mögliche Nachfolger als Parteichef, Norbert Röttgen und Friedrich Merz. Doch auch in der neuen Bundesregierung führt an NRW künftig kein Weg vorbei. Das Bundesland stellt gleich vier von 16 Ministerinnen und Ministern – Bayern hingegen keinen einzigen. Die Nominierung von Karl Lauterbach (Köln) zum neuen Gesundheitsminister und Svenja Schulze (Münster) zur neuen Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat selbst die Genossen im politischen Düsseldorf überrascht. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man sei bis zuletzt davon ausgegangen, dass es bei der Ministerwahl auf einen von beiden hinauslaufen würde: Schulze oder Lauterbach. Jetzt beruft der wahrscheinliche neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beide in sein Kabinett. Auch in der FDP ist NRW mit dem designierten Finanzminister Christian Lindner (Wuppertal) und Justizminister Marco Buschmann (Gelsenkirchen) stark vertreten. So viele NRW-Minister hatte es zuletzt im Bundeskabinett 2009 gegeben. Dass NRW künftig vier Ministerinnen und Minister stellen wird, und Bayern keinen einzigen, überrascht auch vor dem Hintergrund der komplizierten Ausgangslage. Erstmals müssen die Posten nicht unter zwei, sondern unter drei Parteien aufgeteilt werden. Hinzu kommt das Versprechen Scholz’, das Kabinett paritätisch zu besetzen – also gleichberechtigt mit Frauen und Männern. Und dann müssen die Koalitionäre natürlich auch noch ihre wichtigen Landesverbände berücksichtigen und mit Ämtern versorgen. NRW zu stark vertreten? Andererseits: NRW stellt mit 17,9 Millionen Einwohnern (Stand Ende 2018) knapp 22 Prozent der Einwohner ganz Deutschlands. Heißt: Mehr als jeder fünfte Deutsche lebt in NRW. Thomas Poguntke hält die Berücksichtigung des Bundeslandes im neuen Kabinett deshalb für &bdquo;wenig überraschend", so der Professor für Politikwissenschaften an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf. Auch der Bielefelder Meinungsforscher von &bdquo;Mentefactum" Klaus-Peter Schöppner hält NRW im neuen Kabinett für &bdquo;nicht überrepräsentiert". Vor allem die SPD habe mit Blick auf Karl Lauterbach als neuen Gesundheitsminister jetzt die Chance, personell zu glänzen, wenn es der Ampel-Koalition gelingen sollte, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. &bdquo;Das könnte sich dann auch positiv auf die NRW-SPD bei den anstehenden Landtagswahlen im Mai auswirken", so Schöppner. Zudem sei Lauterbach von vielen Bürgern als Minister gefordert worden. Können die Vertreter aus NRW viel bewirken? Euphorisch fällt auch die erste Reaktion von Landesparteichef Thomas Kutschaty aus, der die Vorschläge von Olaf Scholz zur Besetzung der Ministerien als fachlich &bdquo;hervorragend" bezeichnet. Schulze und Lauterbach seien ein starkes Team für NRW. Die nordrhein-westfälische SPD habe sich immer auf Schulze und Lauterbach verlassen können, so Kutschaty, der die &bdquo;sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit beiden schätze. Das wirft die Frage auf, ob und inwieweit das wichtigste Bundesland konkret von den neuen Ministerinnen und Ministern mit NRW-Bezug profitieren wird. Politikwissenschaftler Poguntke zeigt sich skeptisch. Keiner der aus NRW stammenden Minister habe ein Ressort, das es erlaube, die eigene Region besonders zu berücksichtigen – wie das beispielsweise bei dem Bau- oder Verkehrsministerium der Fall sei. &bdquo;Finanz- und Justizministerium eignen sich hierfür nicht; das Gleiche gilt für das Gesundheitsministerium und für das Ressort Wirtschaftliche Zusammenarbeit", so Poguntke. Das sieht der OWL-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP) anders. &bdquo;Mit Christian Lindner als Finanzminister wird auch NRW profitieren." Man werde den Ländern ermöglichen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer einzuführen. Das werde den selbst genutzten Wohnungsbau preiswerter machen, so Schäffler. Und: Das Sofortabschreibungsprogramm für Unternehmen werde in NRW für zusätzliche Investitionen sorgen und damit Arbeitsplätze sichern.

Meistgelesen