Berlin (dpa/AFP). Auch die FDP will nun zunächst mit SPD und Grünen über ein mögliches Regierungsbündnis sprechen. "Wir haben den Vorschlag eines Gesprächs mit der SPD angenommen", sagte Parteichef Christian Lindner am Mittwoch in Berlin nach internen Beratungen. Zuvor hatten die Grünen ein Dreiergespräch mit SPD und FDP vorgeschlagen. Gespräche zur Bildung einer sogenannten Jamaika-Koalition mit Union und Grünen blieben aber weiterhin eine Option, machte Lindner deutlich.
Der FDP-Chef sagte, er habe SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vorgeschlagen, dass es bereits am Donnerstag ein Gespräch zu dritt gebe, dies werde auch passieren. Es gebe keine Parallelgespräche mit Union und Grünen über die Bildung eines Bündnisses.
Die FDP trete nur in eine Regierung der Mitte ein, die den "Wert der Freiheit" stärke und einen echten Impuls für die Erneuerung des Landes leiste, sagte Lindner. Es komme auf liberale Inhalte an. Lindner betonte, mit der Union gebe es die größten inhaltlichen Überschneidungen. Ein Jamaika-Bündnis bleibe für die FDP eine tragfähige Option.
Vorschlag der Grünen
Zuvor hatten die Grünen vorgeschlagen, möglichst bald in Dreier-Sondierungsgespräche mit SPD und FDP einzusteigen. Sie seien "zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll ist, weiter jetzt vertieft - gerade auch mit Blick auf die Gemeinsamkeiten, die wir in diesen bilateralen Gesprächen feststellen konnten - jetzt mit FDP und SPD weiter zu sprechen. Und das schlagen wir der FDP vor", sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock in Berlin.
Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, die rasch angepackt werden müssten, deshalb seien die Grünen der Überzeugung, "dass sich dieses Land keine lange Hängepartie leisten kann", sagte Baerbock. Nach der Bundestagswahl hatten die Grünen und die FDP erst miteinander und anschließend getrennt jeweils mit der SPD sowie mit CDU und CSU mögliche Kompromisslinien ausgelotet.
Die SPD von Scholz war aus der Wahl als stärkste Kraft hervorgegangen. Die Sozialdemokraten streben eine so genannte Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP an.
Mit Blick auf ein solches mögliches Bündnis sagte der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck, die Einzelrunden der vergangenen Tage hätten gezeigt, "dass dort die größten inhaltlichen Schnittmengen denkbar sind". Dies gelte vor allem für den Bereich der Gesellschaftspolitik. Doch auch der Ausgang möglicher Sondierungsgespräche mit SPD und FDP sei noch offen. Den Grünen sei klar, "dass der Keks noch lange nicht gegessen ist". Es gebe da noch Lücken und erhebliche Differenzen. Zudem stelle der Vorschlag für Ampel-Sondierungen keine Komplett-Absage an ein Jamaika-Bündnis dar.
Söder: Klare Vorentscheidung für Ampel-Koalition gefallen
CSU-Chef Markus Söder hat die Entscheidung von Grünen und FDP als "De-facto-Absage an Jamaika" gewertet, also an ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP. Söder sprach von einer "klaren Vorentscheidung". "FDP und Grüne haben sich entschieden für diesen Weg der Ampel. Den müssen sie jetzt auch konsequent gehen", sagte der bayerische Ministerpräsident.
"Wir bedauern die Entscheidung ausdrücklich", sagte Söder. Er habe auch mit Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet dazu telefoniert. Er glaube weiterhin, ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen wäre eine gute Chance zur Modernisierung des Landes gewesen. "Es hätte sich gelohnt, ein solches Projekt anzugehen."
Es müsse jetzt die Realität anerkannt werden. Man müsse sich damit vertraut machen, dass es sehr wahrscheinlich eine Regierung ohne die Union geben werde. Es gehe nun aber auch um "Selbstachtung und Würde", sagte Söder. "Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauer-Lauerstellung", betonte er. "Die Union ist auch nicht, jetzt, nach einer so klaren Vorprägung, das Ersatzrad und nur dazu da, quasi immer ein gewisses Druckmittel zu erzeugen in den Verhandlungen", fügte er hinzu.
Fragen zur politischen Zukunft des gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU, Armin Laschet, ließ Söder unbeantwortet. "Fragen, die die CDU betreffen, muss die CDU diskutieren." Er betonte aber, dass er mit CDU-Chef Laschet in den Vorsondierungen gut harmoniert habe. Absprachen zwischen den beiden Parteivorsitzenden hätten sehr gut funktioniert.
Gegenseitig Vorwürfe wegen vorläufiger Absage an Jamaika
Politiker von CSU und FDP haben sich am Mittwoch gegenseitig beschuldigt, die Chance für eine Jamaika-Koalition verspielt zu haben. CSU-Generalsekretär Markus Blume richtete seine Kritik im Kurzbotschaftendienst Twitter direkt an die FDP: "Fakt ist: Wir hätten gern weitergeredet, Ihr habt Euch gegen parallele Sondierungen entschieden", schrieb Blume. "Die FDP entscheidet sich für die Ampel und will anschließend nicht die Verantwortung für das Scheitern von Jamaika übernehmen."
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle warf hingegen der CSU vor, die Möglichkeit einer unionsgeführten Bundesregierung mit ihren Angriffen auf Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) geschmälert zu haben. "Ohne die permanenten CSU-Blutgrätschen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition beginnen", schrieb Kuhle auf Twitter.
"Dass Söder heute gegen Jamaika schießt, obwohl FDP und Grüne diese Variante explizit offen lassen, setzt seiner Obstruktion die Krone auf", fuhr der FDP-Innenexperte fort. Söder hatte zuvor gesagt, dass er die geplanten Gespräche von SPD, Grünen und FDP über eine Ampel-Koalition als "De-facto-Absage" an ein Jamaika-Bündnis werte und dass er davon ausgehe, dass SPD-Kandidat Olaf Scholz eine Ampel-Koalition bilden werde.
SPD freut sich auf Ampel-Sondierung
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich erfreut gezeigt über die geplante gemeinsame Sondierung mit FDP und Grünen über ein Regierungsbündnis. Die Bürgerinnen und Bürger hätten der SPD einen Auftrag gegeben, dass eine Regierung zustande komme, sagte Scholz. „Es ist jetzt an uns, das auch umzusetzen." Es gehe um den Fortschritt Deutschlands. In Angriff genommen werden müsse die wirtschaftliche und industrielle Modernisierung und der verstärkte Kampf gegen den Klimawandel. „Das ist das, was wir nun miteinander bereden werden", sagte Scholz. „Und morgen geht's dann los."
Laschet hält an Option auf Jamaika-Koalition fest
CDU-Chef Armin Laschet hält dagegen auch nach der Entscheidung der FDP für Gespräche mit der SPD und den Grünen an der Option einer Jamaika-Koalition fest. CDU und CSU stünden "auch für weitere Gespräche" mit Grünen und FDP bereit, sagte Laschet am Mittwoch in Düsseldorf. Die Entscheidung über die Reihenfolge der Sondierungsgespräche liege bei FDP und Grünen.