Schulstreit

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Gewerkschaft gibt Kultusministern Schuld an erhöhten Infektionszahlen unter Lehrern

Die Kultusminister hatten nach den Sommerferien immer wieder betont, den Präsenzunterricht möglichst aufrechterhalten zu wollen. Diese Linie gerät nun zunehmend in die Kritik.

Marlis Tepe ist Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). | © picture alliance

10.12.2020 | 10.12.2020, 18:58

Berlin. Nach den Beratungen der Kultusminister an diesem Donnerstag hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Landesregierungen die Schuld an erhöhten Infektionszahlen unter Lehrern und an absehbaren Schul-Schließungen gegeben.

Sie sei „enttäuscht und verärgert, dass die Kultusministerinnen und -minister nicht den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Leopoldina gefolgt sind und rechtzeitig auf Wechselunterricht umgestellt haben", sagte GEW-Chefin Marlis Tepe nw.de.

"Das Recht auf Bildung wird eingeschränkt"

„Nun müssen Schulen geschlossen und offenbar auch die Weihnachtsferien verlängert werden. Mit anderen Worten: Jetzt zahlen die Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler die Rechnung", kritisierte Tepe. „Das Recht auf Bildung wird eingeschränkt. Das trifft ganz besonders die Kinder und Jugendlichen, die ohnehin schon benachteiligt sind."

In der Beratung hielt die Mehrheit der Ministerrunde an der Linie fest, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten, berichtete die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Ein Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht soll es in einzelnen Regionen mit besonders hohen Infektionszahlen geben. Die letzte Entscheidung für weitere Maßnahmen zum Schulunterricht soll demnach nicht bei den Bildungsministern liegen, sondern der Ministerpräsidentenkonferenz vorbehalten sein.

GEW-Chefin fordert Loslösung von Stoffplänen

Die GEW-Chefin forderte die Kultusministerien auf, für einen besseren Gesundheits- und Infektionsschutz zu sorgen und zu ermöglichen, dass die Abstands- und Lüftungsregeln auch in den Schulen eingehalten werden. „Der Infektionstand bei Lehrkräften ist alarmierend", sagte Tepe. So liege der Inzidenzwert in Sachsen mehr als drei Mal so hoch wie in der Bevölkerung im Freistaat insgesamt. „Die Lehrkräfte müssen jetzt die Zeit bekommen, den Unterricht für verschiedene Szenarien vorzubereiten, damit die Schule im Januar weitergehen kann – vom Präsenz- bis zum Distanzunterricht."

Auch die digitale Infrastruktur der Schulen müsse verbessert und IT-Administratoren eingestellt werden, forderte die Lehrergewerkschaft. „Die Kultusministerien müssen sich von ihrer Fixierung auf Prüfungen und Tests sowie das Durchpauken von Stoffplänen lösen", sagte GEW-Chefin Tepe nw.de. „Für Abschlussklassen müssen die Anforderungen neu definiert werden. Der Druck, der auf den Schülerinnen und Schülern lastet, muss reduziert werden."

Mehrheit der Minister hält am Präsenzunterricht fest

Die Kultusminister hatten nach den Sommerferien mit Blick auf die Erfahrungen der Schulschließungen im Frühjahr immer wieder betont, den Präsenzunterricht möglichst aufrechterhalten zu wollen. Diese Linie gerät nun zunehmend in die Kritik. An diesem Donnerstag berieten die Landesminister in einer Videokonferenz auch über die Corona-Maßnahmen vor Ort.

In Sachsen wurden wegen der hohen Infektionszahlen bereits für die kommende Woche wieder Schulschließungen wie im März angekündigt. Die Mehrheit der Ministerrunde vertrete weiter die Linie, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten.