Kommentar

Stichwahl in NRW: Zweiter Wahlgang mit politischer Sprengkraft

In gleich mehreren Städten hat die CDU die Chance, nach langer SPD-Dominanz für einen Machtwechsel zu sorgen. Das könnte Ministerpräsident Laschet bei seiner Vorsitz-Kandidatur helfen.

Die Stichwahl in NRW steht an. | © picture alliance/dpa

Thomas Seim
27.09.2020 | 27.09.2020, 11:32

Eigentlich gibt es diesen Sonntag gar nicht – jedenfalls nicht als Wahlsonntag. Union und FDP hatten das Prinzip der Stichwahl aufgegeben und wollten alle Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister in NRW in einem Wahlgang bestimmen lassen. Das hielten die Verfassungsrichter in Münster für unzulässig. Also wird in einem zweiten Wahlgang über das höchste Amt in 117 Städten und elf Landkreisen entschieden – 27 davon liegen in OWL.

Vor allem die Union könnte aus den Stichwahlen als Gewinner hervorgehen. In Bielefeld, Dortmund und Düsseldorf tritt sie mit der Chance auf einen Machtwechsel von SPD zu CDU an. Dabei besitzt vor allem Dortmund hohen Symbolwert. Seit über 70 Jahren regieren dort sozialdemokratische Oberbürgermeister. Die Stadt gilt als „Herzkammer der SPD", wie der ehemalige Bundestagsfraktionschef Herbert Wehner sagte.

Selbst wenn es den Sozialdemokraten gelingt, in Dortmund oder allen genannten Städten erneut das Stadtoberhaupt zu stellen, bleibt für sie eine gemischte Bilanz der Wahl. Landesweit liegt die SPD im einstigen Stammland nur noch bei gut 24 Prozent. Solange sie diesen Wert nicht deutlich steigert, gibt es für das bundesweite Umfrageergebnis von 16 bis 17 Prozent keine echte Entspannung.

Vorvertrag für Schwarz-Grün im Bund?

Vergrößert wird das Dilemma der Partei Willy Brandts und Johannes Raus dadurch, dass der als sicher geltende Bündnispartner „Die Grünen" unter sehr guten Ergebnissen stärker auf Distanz geht. In Dortmund empfehlen die Grünen gar die Wahl des CDU-Kandidaten und in Bielefeld kam das Bekenntnis zum amtierenden Oberbürgermeister Pit Clausen nur zögerlich.

Ob dieser Kurs der Grünen von den Wählern goutiert wird – das werden die Ergebnisse vom Sonntag zeigen. Setzen die SPD-Kandidaten sich durch, dämpft das die schwarz-grüne Euphorie in Teilen der Öko-Partei, weil ihre Wähler ihr dahin nicht folgen. Umgekehrt darf der Erfolg als eine Art Vor-Vertrag für Schwarz-Grün auch im Bund gelten.

Am Ende könnte Armin Laschet profitieren

Das wäre ein Signal, das die Chancen von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Rennen um CDU-Vorsitz und Kanzleramt steigen ließe. Zwar gehören die Unionsergebnisse in NRW zu den schwächsten im Land. Aber sie würden von einem Desaster der SPD überdeckt und bereiteten so den Schlafwagen zur Macht für Laschet. Für die politische Debatte am Tag danach hat deshalb der zweite Wahlgang im bevölkerungsreichsten Bundesland erheblichen Sprengstoff.

So oder so: Wählen gehen! Das ist ein guter Vorsatz für diesen Tag.

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