Das Wichtigste im Überblick:
- Ein Amokläufer hat am Dienstag, 10. Juni, an einem Gymnasium in Graz neun Menschen und sich selbst getötet. Eine erwachsene Frau erlag später ihren Verletzungen im Krankenhaus. Weitere Menschen sind teils schwer verletzt worden.
- Der Täter war nach Angaben des Innenministers ein 21-Jähriger aus dem Raum Graz, der selbst die betroffene Schule besucht, aber ohne Abschluss verlassen hatte.
- Der Amokschütze hinterließ einen Abschiedsbrief. Außerdem fand die Polizei an seinem Wohnort Pläne für einen Sprengstoffanschlag.
Graz. Nach dem Amoklauf an einer Schule in Graz hat Österreich an diesem Mittwoch, 11. Juni, der Opfer mit einer Trauerminute gedacht. Um 10 Uhr hielten die Menschen landesweit kurz inne. Nach der Tat steht die Suche nach dem Motiv des 21-jährigen Österreichers im Fokus.
Der Mann hatte am Dienstag an seiner ehemaligen Schule in Graz mit zwei Schusswaffen zehn Menschen getötet und danach Suizid begangen. Wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte, waren neun der Todesopfer zwischen 14 und 17 Jahre alt. Sie erlagen ihren Verletzungen vor Ort. Eine schwer verletzte Lehrerin starb im Krankenhaus.
Elf weitere Personen wurden nach Polizeiangaben teils schwer verletzt. Alle seien mittlerweile in stabilem Zustand, teilte der Krankenhausbetreiber Kages am Mittwochmorgen mit. Neun der Verletzten würden noch auf Intensivstationen in mehreren Krankenhäusern betreut, hieß es. Bei einem Opfer mit Gesichtsverletzungen sei eine Folgeoperation nötig, ein weiteres Opfer müsse noch am Knie operiert werden.
Schüsse und Schreie am Gymnasium – Notruf bei der Polizei

An der weiterführenden Schule für Teenager und junge Erwachsene waren rund 400 Schülerinnen und Schüler eingeschrieben und rund 40 Lehrkräfte tätig. Ob der Täter in Schulklassen oder Gängen schoss, sagte die Polizei zunächst nicht. Er habe zwei Waffen dabeigehabt, die er legal besessen habe.
Am Wohnort des Amokläufers von Graz sind neben einer nicht funktionstüchtigen Rohrbombe auch Pläne für einen Sprengstoffanschlag gefunden worden. Diese Pläne seien offenbar verworfen worden, teilte die österreichische Polizei am Mittwoch mit.
Der Amokschütze hinterließ einen Abschiedsbrief. Die Polizei habe ein in analoger und digitaler Form vorliegendes Dokument sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, im ORF-Fernsehen. Das Schreiben gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen, so Ruf.
Medien hatten spekuliert, dass der junge Mann in seiner Schulzeit wohl gemobbt worden sei. Er war auf der Schule gewesen und wohnte im Großraum Graz. Man wisse, dass er die Schule nicht abgeschlossen habe, sagte Innenminister Gerhard Karner. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren.
Vater eines Schülers spricht über Amoktat

Der Vater eines Schülers berichtete in einem Video des Senders „Puls24“: Sein Sohn sei in der Schule gewesen und habe angerufen. Der Amokläufer in Graz habe in einem Klassenzimmer auf Schülerinnen und Schüler geschossen. Sein Sohn habe berichtet, dass er sich auf den Boden geworfen und tot gestellt habe. Die Polizei hat bislang keine näheren Angaben über den Tathergang gemacht. Sie hat sich bislang nicht dazu geäußert, wo im Schulgebäude der ehemalige Schüler schoss.
Überblick: Amoklauf an Schule in Österreich: Was wir wissen – und was nicht
„Ich habe mit eigenen Augen gesehen: Drei Kollegen sind getötet worden in der Schule“, berichtete der Vater dem Sender, was sein Sohn am Telefon erzählt habe. Er sei unverletzt geblieben. Sein zweiter Sohn sei erst nicht zu erreichen gewesen, berichtete der Vater, dem mehrfach die Stimme brach. Er habe große Sorge gehabt. Der Sohn habe sich dann aber aus der Halle gemeldet, in die alle überlebenden und nicht verletzten Schülerinnen und Schüler gebracht worden waren.
Reaktionen auf den Amoklauf – Leben vieler „dramatisch verändert“

„Diese Tat trifft uns alle“, sagte Bundeskanzler Christian Stocker. Man müsse jetzt als Gesellschaft zusammenstehen. Heute gehe es um Mitgefühl und „die Kraft des Zusammenhalts“. Die Schulen müssten „Orte des Friedens bleiben“, sagte Stocker.
Der Ministerpräsident der Steiermark, Mario Kunasek (FPÖ), spricht sichtlich gerührt von einer „unfassbaren Tragödie“. Man müsse gemeinsam durch diese Stunden und Tage gehen. Das Leben vieler habe sich mit dem heutigen Tag „dramatisch verändert“. Das Land Steiermark werde in den nächsten drei Tagen keine öffentlichen Veranstaltungen abhalten.
Mehr als 160 Retter bei Amoklauf im Einsatz
Gegen 10 Uhr gingen nach Polizeiangaben die ersten Notrufe ein, Anrufer berichteten von Schüssen und Schreien an der Schule. Innerhalb von Minuten seien Spezialeinheiten vor Ort gewesen, hätten das Gebäude gesichert und dann evakuiert. Laut Behörden waren 300 Polizeikräfte im Einsatz. Die Eltern und die unverletzten Schüler wurden nach Angaben der Stadt in umliegenden Hallen untergebracht und von Kriseninterventionsteams betreut.
Auf Bildern und Videos ist zu sehen, wie zahlreiche Rettungskräfte, Polizeikräfte und Beamte der Spezialeinheit das Schulgebäude umringen. Wie ein Sprecher des örtlichen Roten Kreuzes der „Deutschen Presse-Agentur“ sagte, waren mehr als 160 Retter im Einsatz. Auch mehrere Rettungshubschrauber seien angefordert worden. Ein spezieller Alarmplan des Landes für die Versorgung zahlreicher Verletzter wurde aktiviert.
Staatstrauer in Österreich – Flaggen auf halbmast gesetzt

Österreich wird der Opfer des Amoklaufs mit einer dreitägigen Staatstrauer gedenken. Die Flaggen an Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt sowie an anderen offiziellen Gebäuden würden auf halbmast gesetzt. Am Dienstagabend kamen Hunderte Menschen zu einem Trauergottesdienst in die Stadt, im Zentrum von Graz bildeten zahlreiche Kerzen in Erinnerung an die Toten ein Lichtermeer.
„Der Amoklauf an einer Schule in Graz ist eine nationale Tragödie, die unser gesamtes Land tief erschüttert“, schrieb Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker kurz nach der Tat auf der Plattform X. Es gebe keine Worte für den Schmerz und die Trauer. „Dieser Horror ist nicht in Worte zu fassen“, teilte auch Bundespräsident Alexander van der Bellen auf X mit. „Österreich trauert.“
Deutscher Bundespräsident: Deutsche Nachbarn „im Herzen bei Ihnen“
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach seine Anteilnahme aus. „Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer habe ich von der Gewalttat in Graz erfahren, bei der so viele unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben“, hieß es in einem Kondolenzschreiben an seinen österreichischen Amtskollegen. „Ihre deutschen Nachbarn sind im Herzen bei Ihnen“, so Steinmeier.
Ähnlich äußerte sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in einem Telegramm an seinen Amtskollegen Stocker. „Es erschüttert mich zutiefst, dass junge Menschen so jäh aus dem Leben gerissen wurden“, so Merz.
Amokfahrt vor knapp zehn Jahren in Graz
Die Tragödie dürfte als bisher schlimmster Amoklauf in die Geschichte des Nachbarlandes eingehen. Im Mai 1997 erschoss ein 16-Jähriger in der niederösterreichischen Gemeinde Zöbern eine Lehrerin und verletzte eine zweite schwer. 2018 wurde ein 18-Jähriger nach einem geplanten Amoklauf wegen versuchten Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte vor einer Schule in Mistelbach nördlich von Wien einen 19-Jährigen mit einer Schrotflinte angeschossen und schwer verletzt.
Graz wurde bereits zum zweiten Mal Schauplatz einer Tragödie dieser Art. Im Juni 2015 war ein Mann mit seinem Auto bei hoher Geschwindigkeit über den Bürgersteig und Fußgängerzonen gefahren. Drei Menschen wurden getötet und 36 verletzt. Graz ist mit rund 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Österreichs.