Liverpool (dpa). Nach der Fahrt eines Autos durch eine feiernde Menge von Fans in Liverpool am Montagabend steht heute die Suche nach den Hintergründen des Vorfalls im Fokus. Unklar ist bislang, ob der nach dem Vorfall festgenommene 53-jährige Brite gezielt gehandelt hat, ob es sich um einen Unfall, einen medizinischen Notfall oder einen gezielten Angriff handelte. Ausgeschlossen hat die Polizei bislang nur Terror als Motiv.
Nach dem Vorfall mussten 27 Menschen verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden, mindestens zwei, darunter ein Kind, wurden schwer verletzt.
Königshaus zeigt sich betroffen
Großbritanniens König Charles III. hat seine Betroffenheit über die Ereignisse in Liverpool zum Ausdruck gebracht. Königin Camilla und er seien zutiefst schockiert und traurig über die furchtbaren Geschehnisse in Liverpool, hieß es in einer Nachricht, die der Palast auf den Plattformen X und Instagram veröffentlichte.

«Es ist wirklich niederschmetternd, dass etwas, was für so viele eine fröhliche Feier hätte sein sollen, mit solch erschreckenden Umständen endet», hieß es in der Nachricht des Königs, der sich derzeit in Kanada aufhält. Er wisse aber, dass der Gemeinschaftsgeist, für den die Stadt so bekannt sei, den Betroffenen in dieser schweren Zeit Trost spenden und helfen werde.
Auch Thronfolger Prinz William und dessen Frau Prinzessin Kate ließen eine Nachricht in sozialen Medien veröffentlichen. Ihre Gedanken seien bei allen Betroffenen, den Ersthelfern und den Rettungsdiensten. «Was eine fröhliche Feier hätte sein sollen, endete mit einer Tragödie.» Charles’ Schwester, Prinzessin Anne, stattete Rettungskräften in Liverpool einen Besuch ab.
Was passiert ist
Kurz nach 18 Uhr Ortszeit war ein dunkles Fahrzeug in eine Menschenmenge gesteuert, nur wenige Minuten zuvor hatten die Fans an dieser Stelle der Mannschaft auf einem offenen Bus zugejubelt. Der Bereich um die Water Street im Zentrum der Stadt wurde abgesperrt, ein Rettungshubschrauber landete. Zehntausende Menschen waren trotz strömenden Regens zur Siegesparade der Reds nach dem 20. Meistertitel im englischen Fußball gekommen. Vier Personen, darunter ein Kind, wurden unter dem Auto eingeklemmt und mussten geborgen werden, sagte Nick Searle, Feuerwehrchef der Feuerwehr Merseyside. Die Polizei sprach in der Nacht von zwei Schwerverletzten.
Mehrere Menschen befinden sich nach Angaben von Bürgermeister Steve Rotheram in kritischem Zustand. Es gebe noch immer vier Menschen, die „sehr, sehr krank“ im Krankenhaus seien, sagte er der britischen Rundfunkanstalt BBC. „Wir hoffen natürlich, dass sie durchkommen.“ Auf die Frage, ob er ein Update zur Zahl der Verletzten bekommen habe, sagte Rotheram in dem Interview: „Nein, nicht direkt, aber wird stehen natürlich in Verbindung mit der Polizei und den Rettungskräften.“
Anders als in Southport: Polizei nennt Details des Verdächtigen
Die Ermittler nahmen einen 53-jährigen Briten fest. Unklar ist bislang, ob es sich um einen Unfall, einen medizinischen Notfall oder einen gezielten Angriff handelte. Die Polizei hat die Tat nicht als „terroristisch“ eingestuft. Das sagte die Vize-Polizeipräsidentin des Verwaltungsbezirks Merseyside, Jenny Sims. Die Ermittler gingen davon aus, dass es sich um einen „isolierten Vorfall“ handele. Es werde „nicht nach weiteren Personen in diesem Zusammenhang“ gefahndet, so Sims.
Vergangenen Sommer war die Polizei in die Kritik geraten, weil sich nach einem Messerangriff auf einen Kindertanzkurs in Southport Falschinformationen über den Täter verbreitet hatten. In mehreren Städten des Landes kam es damals zu rechtsextremen Ausschreitungen.
Ob es richtig gewesen sei, dass die Polizei diesmal Details veröffentlicht habe? Sie hätten sicherstellen wollen, dass die Fakten so schnell wie möglich bekannt seien, sagte Rotheram der BBC. Seiner Meinung nach habe die Merseyside Police einen brillanten Job gemacht, indem sie versucht habe, die Dinge einzudämmen, und Informationen veröffentlicht habe.
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Fahrzeug wurde schneller

Im Internet kursierende, nicht verifizierte Aufnahmen zeigen, wie das Fahrzeug anscheinend immer schneller wurde, als es in die Menschen fuhr. Der „Guardian“ zitierte einen Zeugen, der sagte, Leute hätten gegen die Scheiben des Autos geschlagen und sie dann eingeschlagen. Der Fahrer sei daraufhin in Panik geraten und habe Gas gegeben. Er sei gegen einen Menschen gefahren und sei dann durch die anderen „gepflügt“.
Premierminister Keir Starmer schrieb auf der Plattform X: „Die Szenen in Liverpool sind entsetzlich.“ Später fügte er hinzu: „Jeder, vor allem Kinder, sollte in der Lage sein, seine Helden ohne diesen Horror zu feiern.“ Die Stadt habe eine lange und stolze Geschichte des Zusammenhaltens in schwierigen Zeiten. „Liverpool steht zusammen, und das ganze Land steht an der Seite von Liverpool.“ Starmer lobte den „bemerkenswerten Mut der Polizei und anderer Rettungsdienste. Sie unterstützen und versorgen diejenigen, die bei diesem schrecklichen Ereignis verletzt wurden.“ Er werde auf dem Laufenden gehalten und sei in ständigem Austausch mit dem Liverpooler Bürgermeister.
Der FC Liverpool hatte den Sieg in der Meisterschaft zuvor ausgiebig gefeiert. Die Mannschaft fuhr in einem offenen Bus eine 16 Kilometer lange Route durch die Stadt. Die Reds von Trainer Arne Slot hatten sich bereits Ende April vorzeitig die Meisterschaft in der Premier League gesichert, der letzte Spieltag war am Sonntag.

Klopp war selbst bei Feierlichkeiten
Der frühere Liverpooler Meistertrainer Jürgen Klopp ist nach der Fahrt eines Autos in eine Menschenmenge „schockiert und am Boden zerstört“. Er und seine Familie seien in Gedanken bei allen Verletzten und Betroffenen, schrieb Klopp bei Instagram. Dazu stellte er den Titel der Hymne seines früheren Clubs: „You’ll Never Walk Alone“ - in etwa: Du wirst niemals alleine gehen.
Klopp, der die Reds von 2015 bis 2024 trainiert und vor fünf Jahren zum Titel geführt hatte, hatte am Montag an den Feierlichkeiten der Meisterschaft 2025 teilgenommen. Vor dem Zwischenfall hatte er Fotos davon bei Instagram geteilt. Tausende Fans waren auf den Straßen.