Aschaffenburg (dpa). Nach der Messerattacke von Aschaffenburg mit zwei Toten hat eine Ermittlungsrichterin am Amtsgericht nach dpa-Informationen eine einstweilige Unterbringung des Verdächtigen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vorwürfe gegen den Mann lauten Mord und gefährliche Körperverletzung.
Nach der Gewalttat mit zwei Toten und drei Verletzten steht die Suche nach dem Tatmotiv im Fokus der Ermittler. Zeugen müssen befragt und Spuren ausgewertet werden. Zudem werden sich Behörden Fragen gefallen lassen müssen, warum der ausreisepflichtige mutmaßliche Täter noch in Deutschland war.
3000 Menschen bei Gedenkfeier in Aschaffenburg

Mehrere Tausend Menschen haben in Aschaffenburg der Opfer der tödlichen Messerattacke gedacht. Rund 3.000 Menschen kamen nach Polizeiangaben am frühen Abend in dem Park zusammen, in dem ein kleiner Junge und ein Mann mit Messerstichen getötet worden waren. Es sei tatsächlich das angekündigte „stille Gedenken“ gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Vorkommnisse habe es nicht gegeben.
Tödliche Attacke gegen Kindergartenkind und Helfer

Der womöglich psychisch labile Afghane soll am Mittwochmittag in einem beliebten Innenstadtpark einen Jungen einer Kindergartengruppe mit einem Küchenmesser angegriffen haben – „unvermittelt und gezielt“, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach der Tat sagte. Ein Zweijähriger marokkanischer Herkunft starb.
Zudem wurde ein 41-jähriger Deutscher tödlich verletzt. „Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass dieser Mann zum Schutz der anderen Kinder mutig eingeschritten ist, sich gegen den Täter gewandt hat und dann von diesem Täter selbst tödlich verletzt wurde“, sagte Herrmann.
Verletzt wurden zudem ein zweijähriges Mädchen aus Syrien und ein 72-jähriger Mann. Eine 59 Jahre alte Erzieherin der Kinder brach sich bei ihrer Flucht einen Arm. Alle drei waren nach der Tat in ein Krankenhaus gekommen. Ob bereits am Donnerstag jemand die Klinik wieder verlassen kann, stand zunächst nicht fest.
Der Verdächtige konnte kurz nach der Gewalttat festgenommen, das Messer sichergestellt werden. Die Polizei sperrte den Park stundenlang ab und sicherte Spuren.
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Fragen zur Ausreisepflicht des tatverdächtigen Afghanen

Am Donnerstag nimmt die Debatte Fahrt auf, warum der Verdächtige noch in Deutschland war. Laut Herrmann ist der 28-Jährige unter anderem wegen einer verstrichenen Frist nicht abgeschoben worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe den Asylantrag des Mannes zwar am 19. Juni 2023 abgelehnt und nach den Regeln des Dublin-Verfahrens eine Abschiebung nach Bulgarien angeordnet, sagte der CSU-Politiker in München.
Den Afghanen selbst habe die Behörde zwar wohl darüber informiert. Die bayerischen Ausländerbehörden habe das Bamf aber „aufgrund welcher Fehler und Probleme auch immer“ erst am 26. Juli, also mehr als einen Monat später, in Kenntnis gesetzt – wenige Tage vor Ablauf der Frist für eine solche Abschiebung.
„Es ist offenkundig, dass, wenn eine bayerische Behörde am 26. Juli davon erfährt, dass jemand jetzt ausgewiesen werden soll in ein anderes Land, nicht innerhalb von sechs Tagen eine derartige Rückführung organisiert werden kann – noch dazu, wenn das völlig unvorbereitet entsprechend kommt“, sagte Herrmann.
Nach der ausgebliebenen Abschiebung sei das Asylverfahren beim Bamf gelegen, das nicht darüber entschieden habe – bis der Verdächtige im Dezember 2024 selbst ankündigte, nach Afghanistan ausreisen zu wollen. Dass der Mann die Ankündigung nicht in die Tat umsetzte, lag laut Herrmann wohl auch daran, dass er die dafür benötigten Papiere vom afghanischen Generalkonsulat bisher nicht erhalten hatte – und damit nicht ausreisen konnte.
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Herrmann schränkte aber ein, dass selbst bei einer früheren Ablehnung des Asylantrags beim Bamf eine Rückführung des Mannes unter den geltenden Regeln nach Afghanistan schwierig gewesen wäre. Bisher habe es nur einen entsprechenden Flug gegeben.
Verdächtiger in psychiatrischer Behandlung
Dem Innenminister zufolge hatte der 28-Jährige eine gerichtlich bestellte Betreuerin. Grund seien die psychischen Probleme des Afghanen gewesen, der mehrmals in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen worden sei und auch Medikamente bekommen hätte.
Es müsse nun überprüft werden, nach welchen Kriterien solche Menschen wieder aus einer Klinik lassen werden, „weil wir sehen, wie gefährlich die Situation sein kann“. In den Kliniken würden Prognosen von Psychiatern angestellt, wie gefährlich jemand ist, sagte Herrmann, und wann sie entlassen werden könnten.
Bei Ausländern plädierte der Minister für die Möglichkeit, sie direkt aus der Unterbringung ins Ausland abschieben zu können. Dies funktioniere aber derzeit beispielsweise mit Afghanistan nicht.
Forderungen nach Konsequenzen aus der Politik
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Donnerstag am Rande eines Wahlkampftermins in Erfurt, die Bundesregierung habe mit Gesetzen die Möglichkeiten für Abschiebungen erleichtert. „Aber es gibt erkennbar ein erhebliches Vollzugsdefizit“, fügte er hinzu.
Es müsse aufhören, „dass nicht alle alles tun dafür, dass diejenigen, die nicht hierbleiben können“, zurückgeführt werden, sagte Scholz. Es bedrücke ihn „zutiefst persönlich“, was in Aschaffenburg passiert sei.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte „politische klare Antworten“. „Wir werden darüber sprechen müssen, sobald die Umstände dieser schrecklichen Tat aufgeklärt sind“, sagte der Kanzlerkandidat der Union. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, mahnte, „die zuständigen Behörden in Bayern“ müssten jetzt „unverzüglich aufklären“.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte schnellstmöglich ein Treffen der Innenminister von Bund und Ländern. „Die Politik muss darauf reagieren. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen so schnell wie möglich zu einer Sonderkonferenz zusammenkommen“, sagte Dürr der Redaktion.
Messerattacke erinnert an Fälle in Würzburg und Magdeburg
Die Tat erinnert an einen tödlichen Messerangriff auf Passanten in Würzburg am 25. Juni 2021. Damals hatte ein psychisch kranker Mann arglose Menschen in der Innenstadt mit einem Messer attackiert. Drei Frauen starben, neun Menschen wurden verletzt und viele weitere traumatisiert.
Nach Einschätzung der CSU-Politikerin Andrea Lindholz gibt es zudem Parallelen zum Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Wie beim Fall von Magdeburg sei der Tatverdächtige von Aschaffenburg an vielen Stellen aufgefallen. „Viele haben ihn gekannt, aber man hat nicht an jeder Stelle die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Und das sieht man einfach, dass unser System überlastet ist“, sagte die Bundestagsabgeordnete, die ihren Wahlkreis in Aschaffenburg hat, im Deutschlandfunk.
Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) hat zu Besonnenheit gemahnt. „Ein Geflüchteter greift unschuldige Menschen an, verletzt und tötet sie. Wir sehen die Parallelen“, sagte Herzing mit Blick auf die Todesfahrt von Magdeburg sowie die Messerattacken in Solingen und Würzburg. Er betonte aber: „Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer gesamten Bevölkerungsgruppe anrechnen.“