400 Meter tief

Junge Italienerin steckt seit Samstagabend schwer verletzt in Höhle fest

Ein aus 100 Kräften bestehendes Rettungsteam versucht, die Hobby-Höhlenforscherin zu befreien. Es ist bereits ihr zweiter Unfall an dieser Stelle.

Italien, Bergamo: Rettungskräfte der italienischen Bergrettung sind in der Höhle Abisso Bueno Fonteno im Einsatz, um eine italienische Höhlenforscherin zu retten (undatierte Aufnahme). | © -/Italienische Bergrettung/dpa

Julius Müller-Meiningen
16.12.2024 | 16.12.2024, 14:44

Unter der Woche arbeitet Ottavia Piana als Sekretärin im Betrieb ihrer Familie bei Brescia. Jede freie Minute jedoch verbringt die 32-jährige Italienerin unter der Erde. Sie ist Hobby-Höhlenforscherin und beteiligt an einem Großprojekt namens „Progetto Sabino“. Dabei haben sich einige Höhlenforscherclubs in Norditalien zusammen geschlossen, um eine spektakuläre Karsthöhle zwischen Iseo-See und Lago di Endine zu erforschen und zu kartografieren. Für ihre Leidenschaft zahlt Piana nun einen hohen Preis. Seit Samstagabend steckt sie schwerverletzt in der Karsthöhle „Abisso Bueno Fonteno“ in der Provinz Bergamo fest. Es ist bereits ihr zweiter Unfall dort.

Ein Team von etwa 100 Ärzten, Rettungs- und Bergungskräften ist seit Sonntag dabei, die Frau aus der Höhle zu retten. Die Bergung gestaltet sich besonders schwierig, weil der Gang, in den sich Piana vorgearbeitet hat, bislang unerforscht war. Piana befindet sich nach Angaben der Retter in rund 400 Metern Tiefe, am Montag wurde sie auf einer Trage bereits einen Kilometer Richtung Ausgang transportiert. Vom Höhleneingang ist sie noch etwa 3 Kilometer entfernt.

Das Problem: Weil Piana sich bei einem Sturz aus fünf Metern Höhe Verletzungen und eventuell Brüche im Gesicht, an Wirbelsäule, Rippen und Knie zugezogen hat,, kann sie nur auf der Trage aus der Höhle transportiert werden. Der Weg allerdings ist dafür an vielen Stellen zu eng.

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32-Jährige wird in Höhle immer wieder ohnmächtig

Der Unfall hatte sich am Samstagabend zugetragen. Piana war mit acht Kollegen unterwegs, diese alarmierten sofort die italienische Berg- und Höhlenrettung. Am Sonntag erreichten Ärzte die verunglückte Italienerin unter der Erde. Nach Angaben der Retter wurde die Frau, die immer wieder ohnmächtig wurde, auf eine Trage gelegt, mit Medikamenten, Wasser, Nahrung und Wärmedecken versorgt. Am Unfallort liegt die Temperatur bei 8 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch. Mehrere Ärzte wechseln sich an der Seite Pianas ab. Währenddessen bereiten Experten des Nationalen Berg- und Höhlenrettungskorps (CNSAS) die Bergung der 32-Jährigen vor.

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Am Montag begannen Bergungskräfte mit der Sprengung einiger Engpässe, damit hier die Trage mit der Verletzten passieren kann. Auch batteriebetriebene Presslufthämmer sollen zum Einsatz kommen. „Es wird schwierig werden, Ottavia bis Dienstag aus der Höhle zu holen“, sagte Corrado Camerini vom CNSAS. „Über den Teil der Höhle, in dem sie sich befindet, ist nichts bekannt.“

Piana entdeckte den Höhlenstrang offenbar selbst und wagte sich auch als Erste in das spektakuläre unterirdische Karstgelände vor. Dazu musste zunächst Wasser aus einem Becken abgepumpt werden.

Unter der Erde abgerutscht

Im Rahmen des Sabino-Projekts wurden bereits 36 Kilometer Strecke unter der Erde erschlossen. Piana wollte den von ihr entdeckten neuen Gang kartografieren. Dabei rutsche sie ab und stürzte in die Tiefe. Die Bergungskräfte haben im Inneren der Höhle ein Basislager eingerichtet. Bereits der Höhleneinstieg ist für Laien kompliziert, da man auf schlammigem Boden durch einen sehr engen Kanal kriechen muss.

Es sollen Sauerstoffflaschen herbeigeschafft worden sein, ein Ventilator für warme Luft sowie ein langes Kabel, um eine Telefonleitung in das Innere der Höhle zu legen. Nach Angaben von Rino Bregnani, dem Arzt, der Piana als erster betreute, soll die Italienerin gesagt haben: „„Ich werde nie mehr in eine Höhle gehen.“

Einer der Begleiter Pianas, der Hobby-Speläologe Samuele Pendesini, bezeichnete Piana als „sehr kompetente Forscherin“. „Ottavia hatte den Höhlenzweig erst vergangene Woche entdeckt, nachdem ein unter Wasser stehende Höhlenteil (Siphon) geleert wurde“, berichtete ein anderer Begleiter.

Bereits 2023 in der Höhle verunglückt

Bereits im Juli 2023 war Piana in derselben Höhle verunglückt. Beim Aufstieg auf dem Rückweg war in etwa 150 Metern Tiefe ein Fels abgebrochen und hatte die Italienerin am Bein verletzt. Etwa 60 Retter organisierten damals ihre Bergung, Piana wurde nach zwei Tagen aus der Höhle getragen. Nun könnte es länger dauern.

Über die Leidenschaft der Höhlenforscherin erklärte ihr Kollege Maurizio Finazzi, Vorsitzender des Speläologenvereins in Lovere, in dem auch Piana aktiv ist: „Die Höhle ist noch weitgehend unerforscht. Wir machen das aus Neugierde. Die Menschen waren schon auf dem Mars, wir wissen aber immer noch nicht, was wir unter den Füßen haben.“

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