Flutkatastrophe

Aufatmen in Sachsen, Anspannung in Brandenburg – die Lage in den Hochwassergebieten

Die Flut bringt Tausende Menschen in Europa in Not. Auch ein Teil Deutschlands stellt sich auf eine mögliche Wasserwalze ein. Der Überblick.

Die Hochwasser führende Elbe fließt an der in Dresden teileingestürzten Carolabrücke entlang. | © dpa

20.09.2024 | 20.09.2024, 19:23

Breslau/Prag/Wien/Bratislava/Bari/Dresden. In den Hochwassergebieten vieler europäischer Länder kämpfen Einsatzkräfte gegen die Folgen der Flut, die auch Teile Deutschlands erreicht hat. Betroffen sind vor allem Sachsen, Brandenburg und Bayern. Bei den Überschwemmungen in Österreich, Polen, Tschechien, Italien und Rumänien kamen insgesamt bereits mindestens 24 Menschen ums Leben.

Laut EU-Kommissar Janez Lenarcic sind fast zwei Millionen Menschen in Europa von den Überschwemmungen betroffen. In weiten Teilen des riesigen Katastrophengebietes ist noch kilometerweit Land unter. Straßen und Felder sind überschwemmt, Keller und Häuser vollgelaufen, Dämme und Deiche teils zerstört. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Donnerstag europäische Hilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro für die von Überschwemmungen betroffenen Länder in Ost- und Mitteleuropa an.

Deutschland: Die Lage in Sachsen, Brandenburg und Bayern

Vorsichtiges Aufatmen in Sachsen: Der Hochwasserscheitel der Elbe ist nach Angaben des Landeshochwasserzentrums am sächsischen Flussabschnitt angekommen. Am ersten Pegel Schöna an der Grenze zu Tschechien lag der Wert am Donnerstagnachmittag bei 6,54 Metern, bei langsam fallender Tendenz. Normal sind dort 1,58 Meter. Gebannt ist die Gefahr allerdings noch nicht.

Zwei Männer fahren in einem Boot in Dresden auf der Hochwasser führenden Elbe entlang. - © Robert Michael
Zwei Männer fahren in einem Boot in Dresden auf der Hochwasser führenden Elbe entlang. | © Robert Michael

In Frankfurt (Oder) und weiteren Kommunen in Brandenburg wollen Hochwasser-Krisenstäbe zusammenkommen. Am Mittwoch wurde für Flussabschnitte Hochwasseralarm der Stufe 1 ausgerufen. Nach der Prognose des Landesamtes wird bei Ratzdorf, wo die Oder brandenburgisches Gebiet erreicht, in den nächsten Tagen die höchste Alarmstufe 4 mit einem Wasserstand von um die sechs Meter erreicht. Ab kommender Woche bis zur Wochenmitte ist allgemein mit einer ernsteren Hochwasserlage an der Oder zu rechnen.

Im Süden und Osten Bayerns sollte sich die Lage weiter entspannen. So sanken die Wasserstände der Sempt im Landkreis Erding sowie der Donau in Passau unter die Richtwerte für die zweithöchste Warnstufe 3. An der Isar in Niederbayern stieg das Wasser dagegen noch an. In Landshut wurde der Richtwert der Meldestufe 3 überschritten. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte am Dienstag mitgeteilt: „Neuer Dauerregen oder ein Temperatursturz sind aber erst mal nicht in Sicht.“

Italien: Feuerwehrmann bei Unwetter gestorben

Bei heftigen Regenfällen in der Region Apulien im Süden Italiens ist ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Der Geländewagen des 59 Jahre alten Mannes wurde in der Nähe der Gemeinde San Severo von Wassermassen mitgerissen, wie die Behörden mitteilten. Dabei ertrank er. Der Mann wollte anderen Autofahrern helfen und hätte demnächst in Rente gehen sollen.

Im italienischen Bagnacavallo in der Region Emilia-Romagna ist der Fluss Lamone über die Ufer getreten. - © Fabrizio Zani (dpa)
Im italienischen Bagnacavallo in der Region Emilia-Romagna ist der Fluss Lamone über die Ufer getreten. | © Fabrizio Zani (dpa)

Lesen Sie auch: Hochwasser in Europa: Was reiserechtlich gilt

Nach den Prognosen der Wetterdienste wird in mehreren Regionen wie der Toskana und der Emilia-Romagna im Norden zumindest bis Freitag heftiger Regen bis hin zu Wolkenbrüchen erwartet. In der Emilia-Romagna mit der Hauptstadt Bologna bleiben am Donnerstag viele Schulen sicherheitshalber geschlossen. Zudem riefen die dortigen Behörden die Bevölkerung auf, besser zu Hause zu bleiben.

Österreich: Versicherer fürchten Milliardenschaden

In Österreich wird der Reparatur der Schäden nach dem Hochwasser wohl sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Die Ministerpräsidentin des besonders betroffenen Bundeslands Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, geht inzwischen davon aus, dass der Wiederaufbau der zerstörten Regionen „nicht Tage, Wochen oder Monate, sondern Jahre dauern“ werde. Sie halte dafür einen „nationalen Schulterschluss“ für notwendig, sagte sie.

Österreich, Wien, 16. September: Polizeiabsperrungen am Donaukanal. In Wien hat sich die Hochwassersituation leicht entspannt. - © Georg Hochmuth
Österreich, Wien, 16. September: Polizeiabsperrungen am Donaukanal. In Wien hat sich die Hochwassersituation leicht entspannt. | © Georg Hochmuth

Der Bund hat den Katastrophenfonds, aus dem die Reparatur zerstörter Infrastruktur, aber auch private Schäden bezahlte werden können, bereits auf eine Milliarde Euro aufgestockt. Inzwischen entspannt hat sich zumindest die Hochwasser-Situation weiter entspannt, die Pegelstände gehen zurück. Fünf Todesfälle sind im Zusammenhang mit dem Hochwasser bisher bekannt. Unter anderem ist vergangenen Sonntag beim Auspumpen eines Kellers ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Weitere Personen wurden in ihren überschwemmten Häusern tot aufgefunden.

Rund 300 Gebäude können im besonders betroffenen Niederösterreich weiterhin nicht betreten werden. Die Zahl lag vor wenigen Tagen noch bei 1.400. Die Schadenshöhe nach dem Hochwasser könnte sich nach ersten Berechnungen der Versicherungsbranche auf 600 bis 700 Millionen Euro belaufen. Laut dem Versicherungsverband (VVO) könnte im Extremfall auch die Milliardengrenze überschritten werden.

Dieses Video erreichte die NW von einem Leser aus Niederösterreich:

Slowakei: Sorgenvoller Blick auf die Donau

Auch in der Slowakei haben die Menschen zuletzt sorgenvoll auf die Donau geblickt. Die Scheitelwelle des Flusses erreichte die Hauptstadt Bratislava, rund 50 Kilometer östlich von Wien. Es wurde ein Höchststand von rund 9,7 Metern über dem örtlichen Pegel-Nullpunkt gemessen. Normalerweise sind es rund 2 Meter.

Slowakei, Bratislava: Feuerwehrleute stehen an einer Straße, die wegen Überschwemmungen im Bratislavaer Stadtteil Theben gesperrt ist. - © dpa
Slowakei, Bratislava: Feuerwehrleute stehen an einer Straße, die wegen Überschwemmungen im Bratislavaer Stadtteil Theben gesperrt ist. | © dpa

Die Uferflächen standen unter Wasser, Hochwasserschutzwände schützten die historische Altstadt. Im Zoo wurden Tiere in Sicherheit gebracht. Im Außenbezirk Devinska Nova Ves mussten Menschen ihre Wohnungen verlassen. Umweltminister Tomas Taraba schätzte die Schäden in der Slowakei auf mindestens 20 Millionen Euro.

Tschechien: Einsatz der Armee beschlossen

Nachdem in Tschechien am Dienstag zwei weitere Tote bestätigt worden sind, liegt die Zahl der bestätigten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Hochwasser bei drei. Regierungschef Petr Fiala sprach schon von einem Jahrhunderthochwasser an vielen Flüssen im Osten des Landes.

Tschechien, Litovel, 16. September: Ein Mann bewegt sich über Hochwasser in Litovel im Osten Tschechiens. - © Deml Ondøej/CTK/dpa
Tschechien, Litovel, 16. September: Ein Mann bewegt sich über Hochwasser in Litovel im Osten Tschechiens. | © Deml Ondøej/CTK/dpa

Die Regierung beschloss den Einsatz der Armee. Es sei geplant, dass bis zu 2.000 Soldaten mit entsprechender Technik die zivilen Behörden bis Ende Oktober unterstützen, wie Verteidigungsministerin Jana Cernochova auf X mitteilte. Armeehubschrauber sollen Menschen in den am stärksten betroffenen Regionen im Nordosten Tschechiens mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgen. Soldaten sollen zudem bei den Aufräumarbeiten nach der Flut helfen.

Polen: Unterstützung von der Bundeswehr

In den polnischen Hochwassergebieten sind nach Angaben eines Polizeisprechers bisher vier Menschen ums Leben gekommen. Es handele sich um drei Männer und eine Frau aus vier verschiedenen Orten, sagte ein Polizeisprecher bei einer Sitzung des Krisenstabs.

Die Fluten verwüsteten die Innenstadt in der polnischen Stadt Klodzko. - © IMAGO/Eastnews
Die Fluten verwüsteten die Innenstadt in der polnischen Stadt Klodzko. | © IMAGO/Eastnews

In der Nacht zum Donnerstag hat die Hochwasserwelle die niederschlesische Stadt Breslau erreicht. Die jetzige Flutwelle ist mit einem Pegelstand von 6,30 bis 6,40 Metern an der Messstation Trestno bisher deutlich niedriger als beim Oderhochwasser 1997, als der Wasserstand 7,24 Meter erreichte. Regierungschef Donald Tusk warnte bei einer Sitzung des Krisenstabs jedoch davor, die Situation zu unterschätzen.

„Es ist zu früh, um den Sieg über das Hochwasser bei Breslau zu verkünden.“ Man müsse die Lage weiter im Auge behalten. Im Rahmen einer Sitzung des Krisenstabs hatte Tusk außerdem gesagt, dass auch Deutschland bereit sei, Soldaten zur Unterstützung zu schicken. „Wenn Sie also deutsche Soldaten sehen, geraten Sie bitte nicht in Panik. Das ist Hilfe. Nur, damit es da keine Zweifel gibt“, sagte der Regierungschef.

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Hochwasser in Europa

Rumänien: Mindestens sieben Tote bei Überschwemmungen

In Rumänien ist vor allem der Osten des Landes von der Hochwasser-Katastrophe betroffen. Im Karatenland waren über das Wochenende sechs Menschen ums Leben gekommen. Am Montag sei das siebte Opfer im ostrumänischen Dorf Grivita nahe der Stadt Galati gefunden worden, berichtete die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax unter Berufung auf den Katastrophenschutz.

Rund 6.000 Bauernhäuser wurden vom Hochwasser erfasst, viele liegen in abgelegenen Dörfern. Menschen kletterten auf Hausdächer, um nicht von den Fluten mitgerissen zu werden. Hunderte Feuerwehrleute waren im Einsatz.

(dpa/AFP)