Hamburg/Berlin (epd). Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat Strafanzeige gegen den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gestellt. Die Rundfunkanstalt erstattete die Anzeige am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung in drei Punkten, wie eine NDR-Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst mitteilte. Der „Spiegel“ hatte zuerst über den Vorgang berichtet.
Hintergrund ist laut NDR das presserechtliche Unterlassungsverfügungsverfahren, das Reichelt gegen die Berichterstattung in der Sendung „Reschke Fernsehen“ (Ausgabe 16. Februar 2023) über systematischen Machtmissbrauch eingereicht hatte. Das Landgericht Hamburg untersagte dem NDR in dem von Reichelt eingereichten Verfahren am 25. April in einer vorläufigen Entscheidung die Verbreitung einzelner Punkte der Berichterstattung.
Die NDR-Sprecherin sagte, von Reichelt im Zusammenhang mit dem Verfahren gemachte Angaben entsprächen nach Recherchen der Redaktion „Reschke Fernsehen“ nicht der Wahrheit. Der NDR habe sich zur Anzeige entschieden, „weil es den Wert eidesstattlicher Versicherungen zu schützen gilt und damit auch die freie Berichterstattung, gerade auch im Bereich von Machtmissbrauch und #MeToo Fällen“.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Reichelt
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt wegen des Tatverdachts des Betruges. Das bestätigte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, dem Evangelischen Pressedienst. Hintergrund sind Auseinandersetzungen zwischen Reichelt und seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Axel-Springer-Verlag.
Am Dienstag hatte der Verlag mitgeteilt, dass der arbeitsrechtliche Streit mit Reichelt außergerichtlich beigelegt wurde. Springer hatte Reichelt unter anderem vorgeworfen, der „Berliner Zeitung“ geheim zu haltende Chatverläufe übermittelt zu haben. Nach Gerichtsangaben wurde in der juristischen Auseinandersetzung eine Abfindung zurückverlangt und eine Vertragsstrafe geltend gemacht. Der frühere Chefredakteur bestritt alle Vorwürfe. Er sei von Verantwortlichen des Springer-Verlags ausdrücklich aufgefordert worden, die privaten Chats aufzubewahren und sogar zu veröffentlichen. Im Verlauf des Rechtsstreits erhob er Widerklage.
Springer hatte gegen Reichelt zudem Strafanzeige wegen Betruges erstattet. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, ein möglicher Betrug stelle ein Offizialdelikt dar und werde von Amts wegen verfolgt. Eine Rücknahme der Strafanzeige sei nicht möglich.
Reichelt war im Oktober 2021 nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs als „Bild“-Chefredakteur entlassen worden. Reichelt dementierte diese Vorwürfe stets.