 
                        Brüssel. Ein Wein, der eine Goldmedaille bei einem internationalen Wettbewerb gewonnen hat, kann ja nicht schlecht sein? Verbraucher, die geringe oder gar keine Kenntnisse über Anbauregionen und Qualitäten haben, wird ein prämierter Tropfen im Supermarkt eher zum Kauf verleiten. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um einen wirklich guten Wein, wie der bekannte belgische Sommelier Eric Boschman in einem besonderen Test gezeigt hat.
Im Sender RTBF hat er gezeigt, dass es möglich ist, mit einem Wein, der im Supermarkt für 2,50 Euro zu haben ist, eine Goldmedaille zu gewinnen. Zunächst einmal bekam er die Aufgabe aus einer Reihe von Weinen, die weniger als drei Euro kosten, den schlechtesten herauszuschmecken. Die Wahl fiel auf einen Tropfen aus einem Supermarkt in Delhaize. Sodann wurde der Wein optisch veredelt. Als Château Colombier (übersetzt: Schloss "Taubenschlag") und mit einer hübschen Taube auf dem neuen Etikett sollte er Eindruck bei der Fachjury schinden.
Das Team um Eric Boschman reicht diesen besonderen Tropfen beim internationalen Wettbewerb Gilbert & Gaillard ein. Die Organisatoren werben damit, dass dort das ganze Jahr über Weine auf einer Skala von 100 nach "internationalen Standards" bewertet werden. Alle drei Monate werden Medaillen verliehen, die laut Gilbert & Gaillard den Umsatz um rund 25 Prozent steigern. Bevor ein Wein eingereicht wird, ist es notwendig, ihn in einem Labor analysieren zu lassen, damit relevante Daten wie Alkohol-, Säure-, Zuckergehalt angegeben werden können. Beim Château Colombier geben die vermeintlichen Winzer allerdings schlicht erfundene Analyseergebnisse an. Selten würden bei Wettbewerben Zufallsproben genommen, um zu prüfen, ob die Angaben der Hersteller tatsächlich stimmen. Boschman schickt zwei Flaschen des vermeintlich edlen Rotweins per Expressversand an die Jury von Gilbert et Gaillard.
Prämiert und mit besonderem Aroma
Und tatsächlich: Er gewinnt die Goldmedaille. Der aus Sicht des Sommeliers schlicht "ekelhafte" Château Colombier wird bei diesem Wettbewerb für sein "klares Granatrot", das "zurückhaltende Aroma, das an Steinfrüchte, Johannisbeere und auch etwas Eichenholz erinnert" gelobt. Der Wein sei zudem "sanft am Gaumen, nervös, aber auch reich an klaren, frischen Wohlgerüchen, die eine hübsche Vielschichtigkeit versprechen". "Sehr interessant" lautet das Gesamturteil der Jury.
Boschman, der im Jahr 1988 als bester Sommelier Belgiens ausgezeichnet wurde, ist auch als Komiker tätig. Aus Seiner Sicht war es notwendig, einmal mehr zu zeigen, dass die Medaillen, die bei dutzenden, internationalen Wettbewerben verliehen werden, eigentlich nichts wert sind. "Es gibt angelsächsische Wettbewerbe, die eigentlich nur dafür da sind, um damit Kohle zu verdienen", sagt er RTBF. Durchaus gebe es aber auch jene Wettbewerbe, die nach objektiven Qualitätskriterien bewerten und bei denen nicht so einfach betrogen werden könne.
Medaillen für tausende Weine
Die Anzahl von internationalen Wettbewerben ist über die Jahre stetig gestiegen und damit auch die Anzahl von Weinen, die mit Medaillen ausgezeichnet werden. Beim weltweit größten Wettbewerb, den Decanter World Wine Awards wurden beispielsweise im Jahr 2022 rund 18.000 Weine verkostet - etwa 80 Prozent gewannen eine Medaille. Beim Concours Mondial de Bruxelles werden jährlich rund 10.000 Weine geprüft. Per Zufallsstichprobe werden auch Laboranalysen von eingereichten Weinen durchgeführt, um Angaben von Winzern zu prüfen. Wettbewerbschef Thomas Costenoble weist in einem Interview 2021 darauf hin, dass nur rund etwa 26 bis 29 Prozent der eingereichten Weine auch prämiert werden. Zudem gehöre es zu den strengen Auflagen, dass ein Fachjuror die gleiche, anonymisierte Probe zweimal in einer Reihe zu bewerten habe. Liegt die Bewertungsnote um 2,5 Punkte von der ursprünglichen entfernt, gebe es ein Problem.
 
                 
                                 
                                 
                                