Musikwettbewerb

Deutschland wieder Vorletzter - Verwirrung um "tanzenden Mittelfinger"

Willst du Deutschland oben sehn, musst du die Tabelle drehn - der Spruch gilt erneut. Wie schon vor zwei, vier, fünf und sechs Jahren landet der deutsche ESC-Beitrag weit hinten.

Sänger Jendrik und der tanzende Mittelfinger. | © REUTERS

23.05.2021 | 17.06.2022, 10:46

Rotterdam - Mit dem Anti-Hass-Lied «I don't feel hate» ist Deutschland beim Eurovision Song Contest auf wenig Gegenliebe gestoßen und mal wieder ganz weit hinten gelandet - wie schon vor zwei, vier, fünf und sechs Jahren.

Der 26 Jahre alte Hamburger Sänger Jendrik erreichte nur Rang 25 und damit den vorletzten Platz beim 65. ESC in Rotterdam. Hinter Deutschland landete nur Großbritannien.

Gewonnen hat Italien mit dem rockigen Protestsong «Zitti e buoni» der Band Måneskin. Die Römer lieben es, sich wild mit schrillen Outfits und halbnackt zu inszenieren. Auf Platz zwei kam Frankreich mit dem Chanson «Voilà» von Barbara Pravi, auf Rang drei die Schweiz mit der Ballade «Tout l'univers» des Sängers Gjon's Tears.

Willst du Deutschland oben sehn, musst du die Tabelle drehn - der zuletzt im Fußball gängige Spruch galt erneut bei dem internationalen Musikwettbewerb. Die deutsche ESC-Pleiteserie in den vergangenen Jahren wurde nur 2018 kurz unterbrochen, als Michael Schulte überraschend auf den vierten Platz kam. Deutschland bekam diesmal null Punkte von den Zuschauern in 39 Ländern und nur drei Punkte von Jurys - 2 aus Österreich und einen aus Rumänien.

Der Auftritt des deutschen Kandidaten sorgte nicht zuletzt für Verwirrung. "Da tanzt ein Mittelfinger?!", fragten Zuschauer auf Twitter. Eigentlich tanzte bei Jendriks bunter Show eine Frau in einem Kostüm in Form eines Friedenszeichens, also einer Hand mit gerecktem Zeige- und Mittelfinger. Da der Zeigefinger des Kostüms beim Tanzen aber von Zeit zu Zeit herunterklappte, blieb nur noch der Mittelfinger stehen - und bildete einen Kontrast zu Jendriks gut gelauntem Auftritt. "Interessant, dass der eindrucksvollste Part am deutschen Auftritt der Mittelfinger war, den Deutschland vier Minuten der Welt zeigte", schrieb ein Nutzer. Ein anderer wünschte sich das Kostüm für betriebliche Videokonferenzen.

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Coronavirus verschonte Wettbewerb nicht

Nach der pandemiebedingten ESC-Absage 2020 saßen dieses Jahr nun immerhin rund 3.500 negativ getestete Zuschauer in der Ahoy-Arena in Rotterdam. Trotz dieses Schritts zurück in Richtung Normalität hat das Coronavirus den Wettbewerb nicht verschont.

Der ESC-Sieger von 2019, Duncan Laurence, der den Wettbewerb überhaupt erst in die Niederlande geholt hatte, wurde vergangene Woche positiv auf das Coronavirus getestet. Er konnte deshalb in der Finalshow nicht live auftreten. Auch Islands Teilnehmer erwischte es, weshalb die Band Daði og Gagnamagnið in Quarantäne blieb und nur per Video eingespielt wurde. Sie kam dennoch am Ende auf Platz vier.

Viele Länder schickten 2021 dieselben Interpreten, die für 2020 vorgesehen waren. In Deutschland ließ der innerhalb der ARD zuständige NDR jedoch in einem mehrstufigen Auswahlverfahren zwei unabhängige Jurys einen neuen Teilnehmer suchen.

Ausgeflippt und anders sein

Das Siegerlied 2021 ist ein energetischer Rockbeitrag. Übersetzt heißt der Songtitel «Still und brav». Im Text geht es darum, ausgeflippt und anders als die anderen zu sein. Da Bassistin Victoria aus Dänemark stammt, wählte die Gruppe als Band-Namen das dänische Wort für Mondschein: Måneskin. Die Band wurde 2016 von Schulfreunden gegründet. Bekannt wurde sie in ihrer Heimat mit der Castingshow «X-Factor». Im März 2021 gewann sie das traditionsreiche Festival di Sanremo und wurde damit von der RAI, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Italiens, als ESC-Teilnehmer automatisch gesetzt. Für Italien ist es der dritte Sieg - nach 1990 und 1964.

Die Zuschauer konnten wie immer über den Sieger mit abstimmen, jedoch nicht für das eigene Land. Die Hälfte der Punkte kommt von nationalen Fachjurys. Die Jury-Punkte aus Deutschland gab zum sechsten Mal Barbara Schöneberger bekannt. Sie wurde live aus Hamburg zugeschaltet. Die Höchstpunktzahl ging dabei an Frankreich. Das deutsche TV-Publikum vergab seine Höchstpunktzahl (12 Punkte) an Litauen, die zweithöchste Punktzahl (10) an Frankreich.

In den vergangenen 30 Jahren schaffte es Deutschland fast immer nur dann in die Top 10 beim ESC, wenn der Entertainer Stefan Raab als Produzent, Komponist, Castingshowmacher oder gar Interpret beteiligt war. Man denke an Guildo Horn 1998, Max Mutzke 2004 oder Roman Lob 2012.

Der größte Triumph ereignete sich 2010, als Raab als Initiator, Produzent und Jurypräsident der Castingshow «Unser Star für Oslo» die junge Lena entdeckte und mit ihr den zweiten Sieg für Deutschland überhaupt holte - nach Nicole mit «Ein bisschen Frieden» 1982. Lena Meyer-Landrut feierte am Sonntag übrigens ihren 30. Geburtstag.