Wer sich an diesem Wochenende eine kleine Nachrichtenpause gegönnt hat, wacht am Montagmorgen mit einer unangenehmen Überraschung auf: Ist schon wieder Regierungskrise?
Am Wochenende ist der Deutschlandtag der Jungen Union im Streit um die Rente aus dem Ruder gelaufen. Friedrich Merz schließt sich den Argumenten der SPD an – und verliert mit seiner harschen Ansage an den Parteinachwuchs „Nicht euer Ernst!“ und dem Vorwurf eines „Unterbietungswettbewerbs“ beim Rentenniveau seine treuesten Anhänger in der Partei. Damit ist die Abstimmung über das gesamte Rentenpaket in Gefahr. Scheitert das Rentenpaket, rutscht die Regierung in eine existenzielle Krise. Darüber zumindest herrscht in der Koalition weitgehend Einigkeit.
Das Rentenpaket ist aus der Zeit gefallen
„Nicht euer Ernst!“ – das möchte man nun allen Beteiligten von Union und SPD zurufen. Wenn Deutschland eines aktuell wirklich nicht braucht, dann ist das die nächste Regierungskrise.
Die Lage ist reichlich verfahren. Das gesamte Rentenpaket ist aus der Zeit gefallen. Als gebe es keine Wirtschaftskrise, als seien die Staats- und Sozialkassen prall gefüllt, als gebe es keinen demografischen Wandel haben CDU, CSU und SPD alle ihre teuren Wahlversprechen durchgedrückt. Das ist schlicht zukunftsvergessen.
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Es braucht eine echte Reform
In der Sache haben die Rebellen der Jungen Union vollkommen recht. Neben den kaum finanzierbaren Maßnahmen der Mütterrente und der Haltelinie für das Rentenniveau gibt es keinen guten Grund, bereits heute das Rentenniveau über 2031 hinaus festzulegen. Mit einer solchen Vorfestlegung wird die Rentenkommission, die ja eine große Reform erarbeiten soll, zu einem zahnlosen Tiger. Zur Finanzierung der gesetzlichen Rente gibt es nur wenige Stellschrauben: Beiträge, Steuerzuschüsse, das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau. Wenn man das Rentenniveau nun festschreibt, schränkt das den Spielraum ein für eine tiefgreifende Reform, die das Alterssicherungssystem zukunftsfest macht.
Der Unmut der Jungen Union ist also nachvollziehbar: Mit der Festlegung des Rentenniveaus über 2031 hinaus ist ein zentrales Anliegen der SPD für die Zukunft der Rente bereits erfüllt, während die jüngere Generation erneut den Kürzeren ziehen könnte.
Die Schuld der CSU
Nun kommt erschwerend hinzu, dass die Koalition bislang kein gutes Krisenmanagement aufweist, wie eindrücklich bei den Themen Stromsteuer und Verfassungsrichterwahl zu sehen war. Zwar beteuern Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil einerseits sowie die beiden Fraktionschefs Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) andererseits ihr gutes persönliches Verhältnis. Dieses reicht aber offensichtlich nicht aus, um in Krisenzeiten das eigene Lager zu Entscheidungen mit Augenmaß zu bewegen.
Auch die CSU trägt Schuld an der brenzligen Lage. Sie war mit der unverhandelbaren Bedingung einer höheren Mütterrente in die Koalitionsverhandlungen gegangen und hat damit das allgemeine teure Wünsch-Dir-Was in der Rentenpolitik ausgelöst. Vernünftig wäre es gewesen, erst die Rentenkommission einzusetzen und im Lichte ihrer Vorschläge zu entscheiden, ob eine Leistungsausweitung infrage kommt.
Union und SPD sind in ihrer Rentenpolitik seit Jahren kurzsichtig. Sie schielen immer nur auf den wachsenden Einfluss der Wählerschaft, die bereits in Rente ist oder in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht. Dabei haben die meisten dieser Menschen Kinder und Enkel und wünschen sich natürlich, dass diese auch gut leben können und sie nicht von Steuern und Sozialabgaben überfordert werden.
Union und SPD sollten ihre Rentenpläne mit dem Anspruch Generationengerechtigkeit überdenken. Dann ließe sich auch die drohende Regierungskrise abwenden.