Meinung

Bürokratieabbau: Wo bleibt denn endlich der Ruck?

Die Bundesregierung hatte es zu einem ihrer wichtigsten Themen erklärt. Doch das „Entlastungskabinett” an diesem Mittwoch verdient seinen Namen noch nicht.

Akten stehen in einem Schrank: Die Bundesregierung will Protokol- und Berichtspflichten für Unternehmen reduzieren. | © pixabay

Kristina Dunz
04.11.2025 | 04.11.2025, 16:48

Berlin. Der Ruf nach Bürokratieabbau ist so alt wie der Berg an Akten – in Unternehmen, Verbänden und im eigenen Haus. Doch statt dass Kosten, Umfang und Personalaufwand sinken, steigen die Lasten. Nicht nur Deutschland ist ins Mikromanagement verliebt, die EU-Kommission ist es auch.

Kanzler Friedrich Merz hat deshalb ein ganzes Ministerium für Staatsmodernisierung gegründet, Ressortchef Karsten Wildberger soll im Laufe der Legislaturperiode ein Viertel der Bürokratiekosten für die Wirtschaft (16 Milliarden Euro) sowie zehn Milliarden an sogenanntem Erfüllungsaufwand für Verwaltung und Bürger einsparen.

Klingt verheißungsvoll, ist aber noch nicht von Erfolg gekrönt, indem die Geldsummen einfach nur immer wiederholt werden. Ein Dämpfer dürfte die Sitzung des Bundeskabinetts an diesem Mittwoch sein, die als „Entlastungskabinett“ angekündigt wurde. Alle Ministerien sollen vorstellen, was sie weglassen wollen. Doch etliche Ressorts haben nicht geliefert, wie aus einer Vorlage für die Runde hervorgeht.

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Mehr Bürokratie bedeutet weniger Zeit für die eigentliche Arbeit

Das Streben nach Regelungen bis ins letzte Detail trifft besonders hart Wirtschaft, Bauern, Mediziner. Wenn sie im Büro mehr und bei ihrer eigentlichen Arbeit dann weniger Zeit verbringen, fragen sie sich, für wen sie das noch machen.

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Diese Zweifel haben viele Menschen auch in anderen Branchen: Wenn ein erheblicher Teil der Arbeitszeit dafür draufgeht, Nachweise für das Geleistete zu erbringen und Berichte darüber zu verfassen, weil der Staat oder die EU Kontrolle über Vertrauen setzen, bremst das Engagement, Kreativität und Risikobereitschaft. Dienst nach Vorschrift ist in Ordnung, kurbelt aber keine Konjunktur an, verleiht der Arbeit keinen Esprit und raubt die Lust am „Anpacken“.

„Entlastungskabinett“ bringt noch keine Entlastung

Dieses Anpacken, sich einsetzen, für etwas kämpfen – für das eigene Unternehmen, für das eigene Land, damit es wieder aufwärtsgeht –, ist es aber, was in diesen Zeiten der schlechten Wirtschaftsnachrichten dringend nötig ist. Es muss wirklich mal ein gewaltiger Ruck durch Deutschland gehen. Das heißt nicht, dass wir keine Bürokratie bräuchten. Ohne Gesetze herrschte das reinste Chaos. Aber es muss Luft zum Atmen bleiben – und bei allen Paragrafen noch der gesunde Menschenverstand etwas zählen.

Fast auf den Tag genau ist die schwarz-rote Regierung ein halbes Jahr im Amt. Sie hat viel versprochen und hohe Erwartungen geweckt. Weder Friedrich Merz noch Lars Klingbeil oder Karsten Wildberger können zaubern, aber sie sollten ihre Politik auf ihre Ankündigungen überprüfen.

Bürokratieabbau ist messbar, in jedem Betrieb, in jedem Haushalt. Wildbergers Ministerium soll langfristig 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Um diesen Bürokratieaufwand zu rechtfertigen, müsste die Regierung sehr viel Bürokratie abbauen. Das „Entlastungskabinett“ könnte Mut machen – wenn es denn seinem Namen alle Ehre machen würde.