Ganz vornean stehen die Freude und die Erleichterung. Die letzten 20 lebenden israelischen Geiseln sind frei, in Gaza wird nicht mehr gekämpft. Der Krieg sei beendet, sagt US-Präsident Donald Trump.
Es sind Stunden der Hoffnung und des Optimismus, auch wenn dabei so viel Trauer mitschwingt um die, die dies nicht mehr erleben konnten. Die über 1.000 Menschen, die am 7. Oktober 2023 im Auftrag der Hamas in Israel niedergemetzelt wurden. Die Geiseln, die nicht überlebt haben. Die Menschen in Gaza, die starben, weil Israel angriff und die Hamas der Hass auf Israel wichtiger war als das Überleben der Palästinenserinnen und Palästinenser.
Nun kann die Angst auf beiden Seiten dem Versuch weichen, sich wieder aufzurappeln und neue Kraft zu sammeln. Die Energie so vieler Menschen lässt sich so viel sinnvoller, so viel positiver verwenden als für den Albtraum aus Bomben, Luftalarm und Verzweiflung.
Ob die Stunden der Freude der Auftakt sind für eine historische politische Entwicklung, muss sich erst zeigen. Vom „Wunder in der Wüste“, sprach Trump im israelischen Parlament und er malte dem Nahen Osten eine rosige Zukunft aus. Schön wäre es.
Der Konflikt kann jederzeit wieder eskalieren
Aber der Konflikt kann jederzeit wieder eskalieren. Denn dass die Hamas wie vorgesehen ihre Waffen abgibt und damit ihrem bisherigen militanten Selbstverständnis abschwört, ist nicht gesagt. Netanjahu spricht lediglich von einem Vorschlag zur Beendigung des Kriegs. In seiner Regierung sitzen weiterhin Minister, die den Konflikt mit den Palästinensern schon bisher nach Kräften geschürt haben. Die brutale Siedlungspolitik im Westjordanland, die eine Zwei-Staaten-Lösung verhindern soll, geht weiter.
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Mehrfach hat der US-Präsident Netanjahu daher daran erinnert, dass es nicht sinnvoll gewesen wäre, den Krieg immer weiter zu führen. „Ihr habt gewonnen“, hämmerte er dem Premier als Merksatz ein. Dass Trump sich nun dafür aussprach, Netanjahu seinen Korruptionsprozess zu ersparen, wirkt wie eine Gegenleistung - denn einer Verurteilung will der Premier unbedingt entgehen.
Geschichtsträchtig könnte die Gaza-Einigung aus einem weiteren Grund sein: Der bislang überzeugte politische Alleingänger Donald Trump, der das Zerschlagen internationaler Vereinbarungen zum Sport gemacht zu haben schien, hat den Wert von internationaler Zusammenarbeit entdeckt.
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Partnerschaft statt Rivalität zum Wohl der ganzen Welt, ist nun sein Geheimrezept. Bei Gelegenheit wird man Trump daran erinnern müssen. Als erstes werde er sich nun daran machen, den Ukraine-Krieg zu lösen, sagte Trump. Das sei eine viel einfachere Aufgabe als die Lösung des Gaza-Konflikts. Wenn er da mal recht hat.
Auf jeden Fall sollte er verinnerlichen, dass eine Lösung nur funktioniert, wenn alle mitmachen.