Wehrdienstgesetz: Vorstoß der Union ist taktisch unkluger Affront
Eigentlich soll das neue Gesetz kommende Woche im Bundestag beraten werden. Doch die Unionsfraktion wollte das verschieben. Ein schlechter Schachzug, kommentiert unser Autor.
Es wäre dringend geboten, dass die 182.000 Soldatinnen und Soldaten im Land schnell Verstärkung bekommen. Davon zeugen das Drohnensurren über Flughäfen und Kliniken sowie die vernichtenden Angriffe Russlands auf die Ukraine. Einen ersten Grundstein für eine größere Truppe will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nächste Woche mit dem Wehrdienstgesetz vorlegen. Doch nun blockiert die Union die Beratungen im Bundestag. Die SPD, allen voran ihr Fraktionschef Matthias Miersch, hat eine sofortige Pflicht klar ausgeschlossen. Dass sein CDU-Pendant Jens Spahn sowie Außenminister Johann Wadephul eine andere Meinung vertreten, ist ihnen überlassen. Doch den Gesetzesprozess gleich lahmzulegen, ist ein Affront – und taktisch unklug.
Mit dem Koalitionspartner SPD verscherzt man es sich so ein weiteres Mal. Zugleich ist die Meinung in der Bevölkerung in Sachen Wehrpflicht gespalten. Während die einen zur Waffe greifen würden, fragen sich andere, was aus ihren Kindern wird, wenn es wirklich einmal ernst werden sollte. Pistorius’ Vorschlag, die Zügel erstmal moderat anzuziehen, kommt dieser Stimmung entgegen. Wenn der freiwillige Aufwuchs mit verpflichtendem Fragebogen und höherem Sold nicht gelingt, lässt der Gesetzesentwurf für Bedrohungslagen immer noch eine Tür zur Einziehung Wehrpflichtiger offen.
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Erst einmal loszulaufen, ist allemal besser, als vor dem Start alles wieder zu zerlegen. Eine Wehrpflicht, wie es sich die CDU wünscht, ist derzeit wegen fehlender Ausbilder und Kasernen kaum umzusetzen. Das hat selbst der Kanzler erkannt. Die Hauruckaktion zeugt davon, dass es seiner Partei nur um Profilschärfung geht. Denn Gesetzesänderungen wären auch noch zwischen erster und zweiter Lesung möglich.