Meinung

Europa muss den Handelsfrieden nutzen

Der Zolldeal ist nicht mehr als das kleinere Übel. Die EU konnte am Ende nicht mehr herausholen. Das liegt aber nicht nur an Trump, meint Autor Stefan Winter.

US-Präsident Donald Trump trifft die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen zu bilateralen Gesprächen auf dem Trump Turnberry Golfplatz. | © Jacquelyn Martin/AP/dpa

Stefan Winter
28.07.2025 | 28.07.2025, 16:47

Die Erleichterung über den Zolldeal zwischen der EU und den USA war von kurzer Dauer. Noch am Sonntagabend setzte der Bundesverband der Deutschen Industrie den Ton: Von einem „unzureichenden Kompromiss“ und einem „fatalen Signal“, sprach der BDI. Beides stimmt, ist aber nicht ganz fair: Was hätte der gleiche Verband wohl gesagt, wenn die EU hart geblieben wäre und statt der Einigung die vorbereiteten Vergeltungszölle gegen die USA in Kraft gesetzt hätte?

Es wäre der nächste Schritt in einen Handelskrieg gewesen, den jedenfalls nicht Europa gewonnen hätte. Er wird nun vermieden. Das ist auch im Sinne der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher, deren Alltag durch europäische Gegenzölle auf US-Waren noch teurer geworden wäre. Künftig sollen die USA sogar viele Waren zollfrei in die EU einführen. Das mag Handelspolitiker angesichts der umgekehrt geltenden 15 Prozent erzürnen, hilft aber, hier die Inflation zu bremsen.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Kompromissbereitschaft Brüssels: Donald Trump ging es ursprünglich nicht nur um Zölle. Er wollte massiv in die Binnenmarktregeln der EU eingreifen und zum Beispiel das Gesetz über die digitalen Märkte aushebeln – zum Wohl der US-Internetriesen. Auch das ist nun vorerst vom Tisch.

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Auch in den USA werden Preise ansteigen

Der Preis der Einigung ist hoch, keine Frage. Doch zahlen werden ihn die Amerikaner mindestens so sehr wie die Europäer. Denn Zollfreund Trump belegt fast alle Staaten mit hohen Abgaben, vieles wird teurer werden in den USA.

Umgekehrt hilft das den Europäern leider überhaupt nicht. Denn erstens werden sie in der Regel nicht die gesamten 15 Prozent auf den Preis aufschlagen können und zweitens drücken steigende Preise die Nachfrage. Jede Branche, teilweise gar jedes Unternehmen wird dabei anders abschneiden – je nachdem, wie viel heimische Konkurrenz ohne Zollbelastung es gibt.

Deutsche Maschinenbauer etwa sind relativ entspannt, bei den Autokonzernen hängt es schon von der Modellpalette ab. Und die Chemie- und Pharmaindustrie weiß immer noch nicht ganz genau, was für welche Produkte gelten wird.

Keine Jobverlagerung in die USA zu befürchten

Sicher werden Unternehmen mehr in den USA investieren, um hinter die Zollschranke zu kommen. Doch die meisten sind längst dort, viele planten ohnehin eine Erweiterung – damals noch angelockt von Joe Bidens Subventionen. Mit einer massenhaften Jobverlagerung aus Deutschland in die USA ist deshalb nicht zu rechnen.

So ist die Zolleinigung für die deutsche Wirtschaft unterm Strich tatsächlich kein Grund zur Erleichterung. Sie ist besser als das, was man in den vergangenen Wochen fürchtete, aber schlechter als alles, was man sich vor einem Jahr noch vorstellen wollte.

Vor allem auf viele Industrieunternehmen kommen neue Lasten zu – seien es Zollkosten, schwächere US-Nachfrage oder Investitionen in US-Standorte, alternative Märkte und veränderte Lieferketten. Der bisher ohnehin schwächliche Aufschwung wird also noch einmal einen Dämpfer bekommen. Für die Bundesregierung ist das wieder einmal der Weckruf, ihre Zukunftspläne umzusetzen, statt sich an Gerichtspersonalien zu verschleißen.

Handelsfrieden muss aktiv genutzt werden

Für die EU geht es nun darum, den einen großen Vorzug dieses Deals zu sichern und zu nutzen: Die überfällige Planungssicherheit bekommen die Unternehmen nur, wenn die – wie üblich vagen – Eckpunkte der Vereinbarung festgeschrieben und die Leerstellen dazwischen gefüllt werden.

Der dann hoffentlich folgende Handelsfrieden muss genutzt werden, um Europas Wirtschaft zu stärken, mit Bürokratieabbau und einer Vertiefung des Binnenmarkts. Denn so berechtigt die Empörung über Trumps Vorgehen ist: Wir müssen mit ihm leben. Und für Europas schwache Verhandlungsposition kann er ausnahmsweise nichts.