
Vor 123 Tagen haben die Deutschen über die neue Bundesregierung entschieden. Damals galt eine sofortige Senkung der Stromsteuer für alle als Wahlversprechen. Nach 123 Tagen ist alles anders.
Deutschland ist in vielem weltweit führend. Auch beim Strompreis. Das Vergleichsportal Verivox führt uns auf Platz fünf der teuersten Länder. Im Schnitt 38 Cent zahlt man bei uns pro Kilowattstunde. Ja, 2021 lag Deutschland noch ganz vorn. Das heißt aber nur, dass die Preise in vier anderen Ländern noch schneller gestiegen sind. Bei uns betrug die Preissteigerung seit 2021 stattliche 19 Prozent.
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Strom ist teuer und ein Treiber der Inflation. Wir sind trotz aller Bemühungen, Strom einzusparen, seiner Verfügbarkeit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Fragen Sie mal in Spanien nach, wo der große Blackout stattfand. Oder in Südafrika, wo regelmäßig für Stunden der Strom abgestellt wird.
Deutschland versucht, Strom als alternative Energiequelle zu etablieren. E-Autos statt Verbrenner. Wärmepumpen statt Öl- oder Gasheizung. Digital statt analog, wofür Handys und Laptops allerorten und jederzeit geladen sein müssen. Um aber den Wandel hin zum Strom attraktiv zu machen, muss er sich finanziell lohnen. Ganz abgesehen davon, dass unsere Unternehmen und Haushalte generell unter der Last der Strompreise ächzen.
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Es geht nicht nur um die Frage der 2 Cent pro Kilowattstunde
Da lässt sich eine Absenkung der Steuer vorzüglich im Wahlkampf verwenden. Blöd nur, wenn man nach der Wahl Kassensturz macht und feststellt, dass das Geld nicht ausreicht. Zumal, wenn Verteidigungsausgaben dramatisch steigen.
Prompt muss die Koalition Wahlversprechen einkassieren oder will sie nur für wenige umsetzen. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagt, alles, was im Koalitionsvertrag festgehalten sei, stehe unter Finanzierungsvorbehalt. Ach was?! Das gilt immer für politische Maßnahmen. Eine Binsenweisheit.Es geht hier nicht nur um die Frage, ob statt 2,05 Cent je Kilowattstunde nur noch 0,1 Cent Steuer fällig werden. Es geht um das Gesamtkonzept Energieversorgung, um soziale Härten, um Wirtschaftswachstum, um die Energiewende, um finanzielle Kapazitäten für Familie und so vieles mehr.
Es werden weitere gebrochene Wahlversprechen folgen
Die Öffentlichkeit sollte nicht nachgeben, sondern Druck auf die Regierung aufbauen. Wenn eine sofortige Senkung für alle nicht finanzierbar ist, dann muss ein Alternativvorschlag für 2026 her, der die fehlenden Sparmonate kompensiert.
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Ich befürchte aber, dass wir zuvor bereits über andere gebrochene Wahlversprechen diskutieren, die am Geld scheitern. Entweder haben wir die Stromsteuer bis dahin vergessen, oder sie wird ein Puzzleteil im Bild der Politikverdrossenheit. Es klingt abgedroschen, doch politische Verlässlichkeit hilft gegen extremen Populismus.