Meinung

Neuer Kurs im Kanzleramt: Keine Angst vor Putin

Merz schließt neue Allianzen in Europa und sendet ein Signal an US-Präsident Trump. Der Umgang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine wird erheblichen Einfluss auf den Respekt vor dem neuen Bundeskanzler haben.

Bundeskanzler Friedrich Merz schließt neue Allianzen in Europa. | © Kay Nietfeld/dpa

Kristina Dunz
10.05.2025 | 10.05.2025, 10:11

Friedrich Merz hat im Wahlkampf Positionen eingenommen, die er nach der Wahl bekanntlich einkassiert hat. Zum Glück. Gerade von der Lockerung der Schuldenbremse profitiert er nun. Weg vom kurzsichtigen Sparen in Zeiten der Bedrohung durch Russland in Europa und Frustration durch Reformstau in Deutschland – hin zu mutigen Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur. Mit vielen Milliarden von Euro für die Verteidigung im Rücken fällt auch Außenpolitik leichter. So konnte der neue Bundeskanzler bei seinen ersten Auslandsreisen nach Frankreich, Polen und Brüssel sehr viel besser unterfüttern, was er im Wahlkampf ebenso in Aussicht gestellt hatte: Deutschland soll wieder eine starke Stimme in der Welt bekommen.

Geld allein reicht dafür aber nicht aus. Nötig sind ebenso Führungsstärke und Autorität. Das muss sich der Christdemokrat auf internationaler Bühne noch erarbeiten. Die ersten Tage im Amt sind nun deutlich vielversprechender verlaufen als seine holprige Wahl zum Regierungschef.

Der frühere Europaabgeordnete Merz hatte erwartungsgemäß keine Mühe, als überzeugter Europäer aufzutreten. In Paris zeigte er am Mittwoch Demut vor der deutsch-französischen Freundschaft nach der Feindschaft im Zweiten Weltkrieg. Kurz danach bekannte er sich in Warschau zur deutschen Schuld im Dritten Reich. Tags darauf vereinbarte er mit US-Präsident Donald Trump einen engen Austausch, wies ihn aber in Sachen Zoll- und Handelsstreit auf die Zuständigkeit der EU hin. Und in Brüssel schlug er am Freitag die große Brücke zum Zusammenhalt Europas.

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Das steht für Merz im Fokus

Dabei fielen zwei Offerten auf: Merz maß den Beziehungen zu Großbritannien trotz des EU-Austritts einen hohen Stellenwert zu. Mit Premierminister Keir Starmer will er sich ebenso wie mit Emmanuel Macron und Donald Tusk über das Verhältnis zu Trump beraten. Und er machte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zum drängendsten Thema.

Im Ringen um einen Waffenstillstand stellte Merz ohne Schnörkel fest: „Der Ball liegt ausschließlich in Moskau.“ Man darf davon ausgehen, dass er genau das auch gesagt hat in seinem Telefonat mit Trump, der den Täter Wladimir Putin in Moskau bisher deutlich besser behandelt als das Opfer Wolodymyr Selenksyj in Kiew. Zumindest die Erklärung des Kanzleramts danach lässt aufhorchen: „Trump sagte, er werde die deutschen Bemühungen gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien, Polen und den anderen europäischen Partnern um einen dauerhaften Frieden nachdrücklich unterstützen.“

Wenn nicht alles täuscht, hat Merz binnen drei Tagen das vernachlässigte alte Format von Deutschland, Frankreich und Polen reaktiviert und ein neues geschaffen: das Weimarer Dreieck plus London. Die brennende Frage ist, wie er als Kanzler mit dieser Position vor der Bundestagswahl umgehen wird: Er hatte der Ukraine Hoffnungen auf die von ihr so dringend erbetene Lieferung von „Taurus”-Marschflugkörpern gemacht. Man darf keine Angst vor Putin haben, zeigt sich Merz überzeugt. Aber viele Menschen in Deutschland haben Angst vor einer Eskalation des Krieges.

Erste Schlappe für Merz

Eine Schlappe hat Merz als Europäer allerdings schon erlitten. Die Verschärfung der Migrationspolitik und die zusätzlichen Kontrollen der Binnengrenzen widersprechen dem Geist der Freiheit innerhalb der Europäischen Union. Gerade Polen ist extrem verärgert. Auch EU-Kommissionspräsidentin und Parteikollegin Ursula von der Leyen geht da auf Distanz zu Merz. Migration brauche eine gemeinsame europäische Lösung, mahnt sie. Insofern wird es noch ein steiniger Weg werden, bis der neue Bundeskanzler zufrieden sein kann mit seinem eigenen Anspruch, „einen „kraftvollen Beitrag zum Gelingen des europäischen Projekts“ zu leisten.