Meinung

Papst-Nachfolge: Mehr Konservatismus wagen?

Der verstorbene Papst rückte die Unterdrückten in den Fokus. Nicht wenige wünschen sich daher einen Nachfolger aus dem Globalen Süden. Doch so einfach ist das nicht.

Papst Franziskus stand für Volksnähe und die Nähe zu Armen und Unterdrückten. | © dpa

Thoralf Cleven
22.04.2025 | 22.04.2025, 20:54

Jorge Mario Bergoglio war ein Glücksfall auf dem Heiligen Stuhl. Der verstorbene Papst ließ die katholische Kirche in seiner zwölfjährigen Amtszeit den Blick auf ihr Fundament schärfen: Nächstenliebe, Schutz vor Ausbeutung und Armut sowie Demut vor der Natur und dem Leben. Franziskus gewann damit nicht nur die Herzen von Katholiken, denen ihre Kirche immer fremder geworden war. Nein, auch Nichtchristen zog der Pontifex aus Argentinien in seinen Bann.

So sollte es doch weitergehen in Rom, oder? Franziskus war der erste gebürtige Nichteuropäer nach mehr als 1200 Jahren an der Spitze seiner Kirche. Da scheint es mehr als gerecht, dass nun Geistliche aus Afrika oder Asien zum Zuge kommen, um die Geschicke der Weltkirche zu bestimmen. Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte findet zum Beispiel, dass ein afrikanischer Papst dem „weltumspannenden Anspruch der katholischen Kirche in Zeiten grassierender Nationalismen“ gerecht würde.

Tatsächlich sprechen die Mitgliederzahlen in der katholischen Kirche eine deutliche Sprache. Von den weltweit 1,4 Milliarden Gläubigen lebt die Mehrheit im Globalen Süden. Die europäischen Kirchen schrumpfen stetig, während auf allen anderen Kontinenten Mitgliederzuwächse zu verzeichnen sind – die höchsten in Afrika sowie in Süd- und Nordamerika. 2022 lebte jeder fünfte Katholik auf dem afrikanischen Kontinent. Selbstbewusst sagt deshalb Kardinal Fridolin Ambongo Besungu aus der Republik Kongo: „Alles deutet darauf hin, dass die Zukunft der Kirche in Afrika liegt.“

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Franziskus hinterließ Baustellen

Dass unter den Vatikan-Experten kaum jemand an einen Papst aus Afrika glaubt, liegt auch am Erbe von Franziskus. Der verstorbene Pontifex ging zwar furchtlos dorthin, wo es wehtat – in die Flüchtlingscamps oder Slums – und hielt dort feurige Reden gegen den Globalisierungswahn und die Vertreibung von Menschen. Doch strukturell und inhaltlich im eigenen Laden aufzuräumen, davor scheute der Stellvertreter Christi auf Erden immer wieder zurück. Der Zölibat, die Rollen von Frauen und Laien in der Kirche, der Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die Ökumene sind Baustellen geblieben.

Goma: Eine Frau entzündet in der Demokratischen Republik Kongo Kerzen zum Gedenken an Papst Franziskus. - © Moses Sawasawa/AP/dpa
Goma: Eine Frau entzündet in der Demokratischen Republik Kongo Kerzen zum Gedenken an Papst Franziskus. | © Moses Sawasawa/AP/dpa

Nicht ganz unschuldig daran sind die katholischen Kirchen Afrikas, Asiens und Nordamerikas. Kardinäle wie der Ghanaer Peter Turkson, der durchaus als Papabile gilt, setzten sich zum Beispiel zwar als Franziskus-Gesandter für sozialen Ausgleich ein. Theologisch sind sie jedoch fast aggressiv zu nennende Konservative. Homosexualität wird kriminalisiert, gleichgeschlechtliche Beziehungen sind Sünde. Viele, nicht alle, Spitzenvertreter afrikanischer Geistlichkeit möchten das Rad der Geschichte theologisch ein ganzes Stück zurückdrehen.

Die Katholische Kirche steht also erneut am Scheideweg: wieder mehr Konservatismus wagen oder die Institution sacht dem gelebten Leben anpassen.

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